HSV - oder vom Ende der Harmonie!
Von Guido Müller
Die überraschende Vertragsauflösung zwischen dem Hamburger SV und Bobby Wood, die letzte Woche vollzogen wurde, wurde von Vereinsseite zunächst als eine "auf beiderseitigem Einvernehmen" basierende Entscheidung des Klubs verkauft. Doch tatsächlich war der wahre Grund wohl ein Kabinenzoff zwischen Spieler und Trainer.
Schon bald aufkommende Gerüchte, dass hinter der plötzlichen Trennung von einem Spieler, mitten im Saison-Endspurt, mehr als nur terminliche Gründe lagen (angeblich wollte man Wood den Start in die US-Liga, die bereits Ende April ihren Betrieb aufnimmt, erleichtern), bestätigen sich nun eine Woche später.
Kabinen-Zoff zwischen Wood und Thioune
Wie die Bild-Zeitung berichtet, soll es während des letzten Heimspiels der Rothosen gegen den SV Darmstadt 98 zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Wood und Trainer Daniel Thioune gekommen sein.
Als der Coach in der Schlussphase des Spiels gegen die Hessen (und beim Stande von 1:2 gegen die Hausherren) statt Wood lieber den Youngster Robin Meißner auf den Platz schickte, war es um die Geduld des US-Amerikaners geschehen.
Lauthals machte er in der Kabine seinem Frust Luft. Doch das bekam auch Thioune mit, der in diesem Moment gerade in die Kabine trat. Erzürnt über die Uneinsichtigkeit seines Angreifers (der in den Spielen zuvor auch nicht gerade beste Werbung in eigener Sache gemacht hatte) stellte Thioune Wood zur Rede.
Es entspann sich ein Wortgefecht, das sogar zu eskalieren drohte. Mehrere Spieler sollen sich vorsichtshalber zwischen die Streithähne gestellt haben.
Da der Konflikt nun offen zutage getreten und vor dem Rest der Mannschaft nicht mehr zu verheimlichen war, ging danach alles seinen formalen Gang: Der über den Vorfall informierte Sportvorstand Jonas Boldt kontaktierte am folgenden Tag Woods Berater Volker Struth. Und schließlich wurde der Vertrag vorzeitig aufgelöst.
Wie viel Harmonie steckt wirklich im HSV-Kader?
Das vom HSV über diese Saison hinweg verkaufte Bild eines harmonischen Kaders, in dem sich jeder Spieler gerecht behandelt fühlt, hat somit tiefe Risse erhalten. Geradezu grotesk wirkt Woods Empörung im Lichte seines Leistungsnachweises.
Und damit muss man sich noch nicht mal auf die vorhergegangenen Saisons beziehen, in denen er entweder verliehen oder von den jeweiligen Übungsleitern komplett ignoriert worden war. Nein, ein Blick auf die laufende Saison reicht, damit einem Woods Verhalten ein Stirnrunzeln abringen muss.
Immerhin hatte es Wood nicht zuletzt der Geduld ("gespeist" aus finanziellen Zwängen) seines Trainers zu verdanken, überhaupt noch mal auf einem Spielberichtsbogen zu erscheinen. Immer wieder schenkte Thioune dem US-Amerikaner das Vertrauen.
Doch angesichts der in den Spielen gegen Heidenheim und, vor allem, in Hannover gezeigten Ineffektivität des Stürmers vor dem gegnerischen Tor, war es Thiounes gutes Recht, in der Endphase des Darmstadt-Spiels auch mal auf andere Spieler (wie eben Meißner) zurückzugreifen.
Woods Anmaßung und die Parallelen zu Holtby
Die Reaktion Woods auf Thiounes Entscheidung ist somit nicht nur eine ungeheure Anmaßung - sondern eine schallende Ohrfeige ins Gesicht der Kollegen. Und sie ruft ungute Erinnerungen an einen ähnlichen Vorfall vor zwei Jahren in Erinnerung.
Im Endspurt der Saison 2018/19, der ersten des Dinos im Unterhaus, hatte sich Lewis Holtby geweigert, die Auswärtsfahrt zu Union Berlin mitzumachen, weil er sich nicht in der Lage fühlte, einen Bankplatz einzunehmen. Auch damals geschah diese Weigerung vor versammelter Mannschaft.
Der HSV sah sich gezwungen zu handeln - und suspendierte den Kicker bis zum Ende der Saison. Kurze Zeit später trennten sich beider Wege. Nicht ohne zuvor freilich den sicher geglaubten Aufstieg auch noch zu verspielen.
Man darf gespannt sein, welche Folgen das neuerliche Beben in der HSV-Kabine in Bezug auf das Aufstiegsrennen der Hamburger zeitigen wird.