Der HSV nach dem 22. Spieltag: Tabellarisch schlechter als in den Vorjahren, gefühlt aber irgendwie besser!

Der Trainer und sein Torjäger: Thioune nimmt Terodde nach einer Auswechslung in Empfang
Der Trainer und sein Torjäger: Thioune nimmt Terodde nach einer Auswechslung in Empfang / Martin Rose/Getty Images
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Es ist schon so eine Sache mit dem HSV. Nach 22 Spieltagen liegen die Rothosen auf Platz eins der Zweitliga-Tabelle, doch in der Anhängerschaft herrscht in weiten Teilen eine Stimmung, als stünde das Team auf einem Abstiegsrang. Einhelliger Tenor unter den Pessimisten ihrer Art: das wird wieder nichts mit dem Aufstieg.

Und zur Begründung dafür können sie sogar mit allerlei statistischen Taschenspielertricks aufwarten. Wie z.B. dem Verweis auf die beiden vorangegangenen Spielzeiten.

Tabellarisch ist der HSV aktuell schlechter als in den Vorjahren

Nach dem 22. Spieltag lag der HSV in der Saison 2018/19 mit 44 Punkten auf Rang eins, zwei Punkte vor Verfolger Köln und deren vier auf die drittplatzierten Unioner aus Berlin. Der erste Nicht-Aufstiegsrang war sechs Punkte entfernt.

Vor Jahresfrist dann ein etwas anderes Bild: die Arminen aus Bielefeld grüßten mit 44 Punkten von der Tabellenspitze, der HSV lag drei Punkte dahinter auf Rang zwei, punktgleich mit dem VfB. Der Abstand auf den ominösen vierten Rang betrug auch damals sechs Punkte. In beiden Fällen stand der 1. FC Heidenheim auf dem Platz der "Goldenen Ananas".

Das jetzige Tabellenbild indes kündet von maximaler Ausgeglichenheit an der Spitze. Mit Tabellenführer HSV und seinen Verfolgern aus Fürth, Bochum und Kiel stehen gleich vier Mannschaften mit jeweils 42 Punkten auf den ersten vier Rängen. Also nichts da von wegen Pufferzone zu dem Platz (dem vierten), den man in dieser Saison aus Hamburger Sicht unbedingt vermeiden will.

So gesehen, kann man den Schwarzmalern rein rechnerisch (oder tabellarisch) erstmal nicht viel entgegenhalten. Tatsächlich sah die Ausgangsposition ab Spieltag 22 in den letzten beiden Jahren besser aus als jetzt.

Einen Knipser wie Terodde hatte der HSV in der Zweiten Liga noch nicht

Doch es gibt auch Unterschiede. Die vor allem das Personal betreffen. Bei aller Schwierigkeit, Spieler aus verschiedenen Mannschaftsstrukturen miteinander zu vergleichen, kann man doch festhalten, dass ein Torjäger wie Simon Terodde in den letzten Jahren nicht im Kader zu finden war.

Der beste HSV-Torschütze in der Saison 2018/19 war am Ende Pierre-Michel Lasogga mit dreizehn Treffern. Zehn davon hatte er bis zum 22. Spieltag erzielt - was fast die Hälfte der Terodde'schen Ausbeute (19 Treffer) zum selben Zeitpunkt bedeutet.

In den zwölf Spielen zwischen dem 22. und dem letzten Spieltag gelangen Lasogga somit nur noch drei Treffer. Natürlich kann auch Terodde jetzt in ein großes Formloch fallen (oder sich verletzen oder sonst wie aus dem Tritt kommen) - allein: Ich bin eigentlich davon überzeugt, dass er seinen aktuell 19 Toren bis zum Saisonende noch mindestens sechs hinzufügen wird.

Im vergangenen Jahr waren Lukas Hinterseer und Sonny Kittel die erfolgreichsten Torschützen der Hamburger. Beide zusammen standen am Ende der Spielzeit bei 20 Toren (Kittel elf, Hinterseer neun). Kurioserweise (und aus HSV-Sicht auch bedauernswerterweise) hatten sie diese Werte bereits vor dem 22. Spieltag zusammen - trafen also in den letzten zwölf Partien kein einziges Mal mehr.

Thioune als weitere Trumpf-Karte

Doch neben dieser gegenüber den Vorjahren weitaus optimistischer stimmenden Ausgangslage was die Torgefährlichkeit der HSV-Offensive betrifft, halte ich auch die Trainer-Personalie für einen Trumpf in diesem Jahr.

Führt Thioune den HSV zum Aufstieg?
Führt Thioune den HSV zum Aufstieg? / Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

Ich schrieb es bereits an dieser Stelle, wiederhole mich aber gern: Daniel Thioune ist für mich der erste Trainer in Zweitliga-Zeiten des HSV, der den Kader komplett hinter sich geschart hat. Und das wiederum ist die Folge seiner Strategie, alle Spieler, jeden einzelnen von ihnen, von Beginn an mit ins Boot zu holen.

Dass dies natürlich auch dem engen finanziellen Spielraum geschuldet war, schmälert die Leistung Thiounes nicht. Und in Geld geschwommen ist der HSV ja auch unter Titz, Wolf und Hecking nicht. Und ja, bisweilen hat er es in der Hinrunde vielleicht übertrieben mit seinen fünf Auswechslungen. Die Mannschaft wurde dadurch in manchen Spielen, vor allem in der Schlussphase, arg durcheinander gewirbelt.

Selbst Bobby Wood hat unter Thioune die Kurve gekriegt

Doch jetzt, gegen Ende der Saison, könnte es sich auszahlen, alle im Kader bei Laune gehalten zu haben. Ich will Bobby Wood jetzt gar nicht erst eine vermeintliche Heldenrolle für die kommenden Wochen andichten.

Aber mal ehrlich: Wer hätte vor der Saison geglaubt, dass der US-Amerikaner überhaupt noch mal ein Spiel für den HSV absolvieren würde? Geschweige denn, Tore vorlegen (wie gegen Sandhausen) oder eigene machen würde (wie am Wochenende in Würzburg)?

Bobby Wood konnte gegen Würzburg mal wieder einen eigenen Treffer bejubeln
Bobby Wood konnte gegen Würzburg mal wieder einen eigenen Treffer bejubeln / Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

Gefühlt war er ja die meiste Zeit in den letzten drei Jahren schon irgendwie weg. Verkauft, verliehen oder von mir aus auch verschenkt. Hauptsache weg.

Doch Thioune behandelte ihn wie jeden anderen Spieler auch - und darf sich jetzt die beiden Scorerpunkte von Bobby zu einem gewissen Teil ans eigene Revers heften.

"Was ist mit Hinterseer?", könnte man mir jetzt entgegenhalten. Nun, bei aller Fähigkeit, seine Spieler kollektiv bei Laune zu halten, muss ein Trainer trotzdem Entscheidungen treffen. Harte Entscheidungen für manche Spieler. Hinterseer wurde am Ende zum Verhängnis, von seiner ganzen fußballerischen Art her zu sehr Terodde zu ähneln.

Beide sind eher die klassischen Strafraumspieler, die mit Flanken und Zuspielen gefüttert werden müssen. Bleiben diese aus - kannst du auch drei Teroddes da vorne drin stehen haben. Und deshalb kam bei vielen Auswechslungen Teroddes eher ein Spieler ganz anderen Zuschnitts (wie eben Wood) zum Einsatz.

Und dennoch war aus Hinterseers Mund nie auch nur ein Sterbenswörtchen von Kritik am Trainer zu vernehmen. Auch jetzt nicht, aus seinem südkoreanischen "Exil" heraus.

Ein Torjäger, der noch einige Tore verspricht und ein Trainer, hinter dem das gesamte Team steht: das sind die Grundfesten, auf denen ich meine Hoffnung baue, dass es im dritten Jahr Zweitligazugehörigkeit endlich mit dem Aufstieg in die Bundesliga klappt.

Mal sehen, ob die Statistiken am Ende der Saison diese Hoffnung dann auch numerisch bestätigen.