HSV plant keine Winter-Transfers: Richtiger Schluss und Folge guter Arbeit im Sommer

Stuart Franklin/Getty Images
facebooktwitterreddit

Ein Zimmer im HSV-Campus am Volkspark, dem Jugendinternat des Klubs. Ein Spieler, ein Vertrag - und eine Unterschrift unter den selbigen. Nein, dies sind nicht die Bilder einer Last-Minute-Verpflichtung des Hamburger SV (heute schließt bekanntlich das Winter-Transferfenster), sondern die Szenerie der Vertragsverlängerung von Talent Robin Velasco (18).

Talent Velasco verlängert

Seit neun Jahren kickt Linksfuß Velasco, der auf der linken Außenbahn und auf der Sechs einsetzbar ist, für den Klub mit der Raute. Im vergangenen September wurde er zum "Jugendspieler des Jahres 2020" im Hamburger Fußball-Verband gekürt. Nun hat er einen neuen Vertrag (bis 2023) bei seinem Herzensklub unterschrieben. Der alte Kontrakt wäre im Sommer ausgelaufen.

Entsprechend strahlte der deutsche Jugendnationalspieler (insgesamt sechs Einsätze in der U15, U16 und U18 des DFB) nach seiner Unterschrift und postete auf seinem Instagram-Account: "Seit 2012 hier und weiter geht's. Vielen Dank für das Vertrauen und ich freue mich sehr auf die kommende Zeit beim HSV!"

Keine Neuzugänge geplant

Aber das war es wohl auch an Vertragsunterzeichnungen beim HSV in diesem Winter. Denn den Aussagen der Entscheidungsträger bei den Profis zufolge wird der HSV in diesem Transferfenster nicht mehr aktiv werden.

"Ich gehe davon aus, dass nichts mehr passiert", sagte Mutzel schon am Sonntag mit ziemlicher Eindeutigkeit. Ein winziges Schlupfloch behielt er sich dann allerdings doch noch vor. "Die Antennen", so der Sportdirektor, seien "immer aufgestellt." Er denke aber nicht, "dass sich in dem Bereich noch etwas tut." Und meinte damit sowohl die Abgangs- als auch Zugangsseite.

Und das ist, wohl auch die richtige Wahl. Zwei Winter-Transferperioden hat der HSV als Zweitligist schon erlebt. Während der ersten blieben die Verantwortlichen, trotz Anzeichen einer gewissen Unausgewogenheit im Kader, tatenlos. Und führten später, nach dem gescheiterten sofortigen Wiederaufstieg, genau diese Passivität als einen der Gründe für das Verfehlen der sportlichen Ziele an.

In der letzten Saison verstärkte sich der HSV mit Stürmer Joel Pohjanpalo, Mittelfeldspieler Louis Schaub und Außenverteidiger Jordan Beyer. Leider zündete von diesem Trio nur der Finne - doch auch dessen starke neun Tore in 14 Spielen langten am Ende nicht für die Rückkehr in die Bundesliga.

Im fußballerischen Volksmund heißt es, dass man im Winter verpflichten muss, wenn man im Sommer seinen Job nicht richtig gemacht hat. Das ist natürlich etwas überspitzt formuliert - denn auch unvorhersehbare Ereignisse (wie Verletzungen) können bisweilen dazu führen, auf dem Markt noch einmal tätig werden zu müssen.

Aber im Kern ist es richtig: wenn du im Sommer deine Hausaufgaben gemacht hast, kannst du im Winter relativ gespannt mit dem Kapitel Neuverpflichtungen umgehen. In diesem Sinne gelten Argumente einiger Beobachter nur bedingt, dass man ja nun im Winter schon mal - als Vorgriff auf die Rückkehr ins Oberhaus - Spieler holen könnte, die dem Klub auch in der Bundesliga helfen würden.

Das ist schon vom Ansatz her falsch - weil es genau die Denke entlarvt, die den Klub schon zweimal am Projekt Aufstieg hat scheitern lassen. Stand heute ist der HSV ein Zweitligist. Sich jetzt schon wieder von den anderen Zweitligisten abheben zu wollen und für andere Sphären zu planen, als für die, in denen man sich gerade befindet, ist genau die Handlungsweise, die dem Klub (nicht zu Unrecht!) in den letzten Jahren soviel Kritik und Vorwürfe der ignoranten Arroganz eingebracht hat.

Kader ist gut aufgestellt

Zumal es ja auch sportlich absolut rund läuft. Diese Mannschaft, in ihrer aktuellen Zusammenstellung, wirkt viel stabiler als die Teams der Vorjahre. Auch und vor allem ein Verdienst von Trainer Daniel Thioune, der es als erster geschafft hat, seinem kickendenden Personal die für die Zweite Liga notwendige Mentalität einzubläuen.

Wenn sogar freigeistige Ästheten wie Jeremy Dudziak oder Sonny Kittel mittlerweile internalisiert haben, dass es ohne Kampf und Leidensbereitschaft in der Zweiten Liga einfach nicht geht, dann musss der Coach sehr viel richtig gemacht haben.

Und die Stabilität und Ausgewogenheit dieses Kaders nun durch externe Neuzugänge zu gefährden, wäre schlichtweg Selbstmord. Zumal es im Winter ganz einfach auch nicht die Zeit gibt (im Gegensatz zum Sommer), um die eventuellen Neuen in das herrschende System einzubauen.

Nochmal: gäbe es offenkundige Defizite (und damit sind nicht vorübergehende Formschwächen von dem einen oder anderen Spieler gemeint), müsste natürlich gehandelt werden. Aber die gibt es nicht.

Torwart Sven Ulreich hat in den letzten beiden Spielen seine Stärken auf der Linie noch mal unterstreichen können. Vielleicht sollte man ihn ob seiner offenkundigen Defizite mit dem Ball am Fuß etwas weniger in das Aufbauspiel einbinden, aber Zweifel daran, einen soliden Rückhalt im Tor zu haben, kann diese Schwäche Ulreichs nicht provozieren.

Der Abwehrverbund vor dem Keeper macht ebenfalls, und in durchaus wechselnden Formationen, einen stabilen Eindruck. Der Innenblock mit Leistner und Ambrosius harmoniert gut und lässt viel weniger Großchancen der Gegner zu als in den vergangenen Jahren.

Auch auf den Außenbahnen ist die Defensive gut aufgestellt. Mit Allrounder Moritz Heyer hat man eine Verpflichtung getätigt, die sich nun auszahlt, weil er eventuell aufkommende Löcher stopfen kann. Und zwar in der defensiven Zentrale (wie jüngst gegen Paderborn, als Leistner raus musste) genau so wie auf den Außen (wo er schon sowohl links als auch rechts zum Einsatz kam).

Glücksgriff Terodde - und die "Neuzugänge" Kittel und Kinsombi

Und im Mittelfeld und im Sturm gibt es bei einer Mannschaft, die nach 19 Spieltagen die torgefährlichste Offensive der Liga stellt, sowieso nicht viel zu meckern. Mit Simon Terodde hat man natürlich einen absoluten Glücksgriff getätigt.

Insgesamt verfügt man in der Offensive, nicht zuletzt auch durch "gefühlte Neuzugänge" wie Kinsombi und Kittel, über viel mehr personelle Möglichkeiten und damit über mehr Flexibilität als in den vergangenen Jahren. Zwölf verschiedene Torschützen (auch das ein Spitzenwert in Liga 2) sprechen eine deutliche Sprache.

Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären: hast du im Sommer das meiste richtig gemacht, brauchst du im Winter nicht gegensteuern. Und kannst dich darüber freuen, wenn die Talente des Klubs auch weiterhin ihre Zukunft im Volkspark sehen.