HSV oder: Wie stabil sind die Strohhalme, an die man sich klammert?
Von Guido Müller
Nach außen gibt der Hamburger SV zur Zeit - und trotz der seit fünf Spielen anhaltenden Sieglosigkeit - ein in der Vergangenheit selten gesehenes Bild der Geschlossenheit ab. Die Verantwortlichen werden nicht müde, Trainer Daniel Thioune ihr Vertrauen auszusprechen und die stets eingeforderte Geduld in diesem als Entwicklung deklarierten Prozess auch tatsächlich walten zu lassen.
Doch auch mitten in einem Entwicklungsprozess bleibt der Fußball natürlich ein Ergebnissport. Wenn die Argumente (in Form von Punkten) irgendwann komplett fehlen, wird es auch für die Entscheidungsträger im Verein schwierig, das Festhalten am Trainer zu begründen.
Doch noch scheint das Szenario einer ernsthaft geführten Trainer-Debatte weit entfernt. Und der Trainer selbst? Versucht, sich nach drei Niederlagen in Folge an wie klein auch immer geratenen Strohhalmen über Wasser zu halten. Man habe sich, trotz der finalen Ertraglosigkeit, im Spiel gegen Hannover 96 "wieder ein wenig angenähert". (Quelle: kicker.de)
Lob für Gjasula und Dudziak
Zudem will er bei einzelnen Spieler Schritte in die richtige Richtung erkannt haben. Und benennt in diesem Zusammenhang mit Klaus Gjasula eine der Neuverpflichtungen dieses Sommers. Der wurde bekanntlich als Säulenspieler angepriesen, konnte diese Eigenschaft aber bislang noch nicht bestätigen.
Im Spiel gegen Hannover wirkte Gjasula zumindest schon stabiler als in den Vorwochen, wenn auch nicht fehlerfrei. "Ich denke, Klaus ist zumindest für sich persönlich mit einem besseren Gefühl aus der Partie rausgegangen", kommentierte sein Trainer die Leistung des Defensivmannes. "Er hat sich schon im Training dahin entwickelt. Klaus ist jetzt da. Das darf er gern halten."
Was auch für einen zweiten von Thioune explizit benannten Akteur gilt. Denn Jeremy Dudziak war gegen die 96er wohl der beste Hamburger auf dem Platz, trieb vor allem in der zweiten Halbzeit das Angriffsspiel der Rothosen unermüdlich an und hatte dabei ein paar Mal Pech im eigenen Abschluss.
Doch ist der Nachweis seiner Klasse noch nie Dudziaks Kernproblem gewesen. Dieses liegt vielmehr in einer bisweilen unerklärlichen Unbeständigkeit seiner Form, die schon die Verantwortlichen seiner vorherigen Vereine (wie z.B. beim FC St. Pauli) mitunter ratlos zurückgelassen hat.
"Er hat das Spiel an sich gerissen, diese Reaktion wünsche ich mir natürlich von den Spielern. Und erhoffe sie mir am kommenden Wochenende wieder", deutet auch sein Trainer an, dass es eben nicht reicht, nur in jedem dritten oder zweiten Spiel eine solche Leistung wie die vom vergangenen Samstag abzuliefern, sondern Woche für Woche.
Thioune muss auch seine eigenen Entscheidungen hinterfragen
Und natürlich muss auch der Trainer selbst einige seiner Entscheidungen in den letzten Wochen kritisch hinterfragen. Denn dass ein formstarker Stephan Ambrosius im Spiel gegen den VfL Bochum nicht in der Startelf stand, war genauso unverständlich, wie gegen Hannover 96 auf einen ebenfalls seit Wochen in guter Verfassung befindlichen Manuel Wintzheimer zu verzichten. Mit seiner Roten Karte nach nicht mal einer halben Stunde Spielzeit hat der Wintzheimer vorgezogene Sonny Kittel diese Entscheidung jedenfalls als Griff in die Schüssel entlarvt.
Fehler, die auch von der Führungsriege des Klubs registriert werden. Die aber gleichzeitig augenfällig darum bemüht ist, keine Zweifel an ihrem Vertrauen in den Trainer aufkommen zu lassen. Unter diesem Licht muss auch der symbolische Schulterschluss bewertet werden, als Jonas Boldt am Tag nach der Niederlage gegen Hannover zusammen mit seinem Trainer den Trainingsplatz betrat. Das unausgesprochene Motto dabei war: Wir stehen geschlossen und halten zusammen!
Verlassen sollte sich Thioune auf die Unzerbrechlichkeit dieser Loyalität jedoch nicht. Denn man muss kein Prophet oder Kenner der Szene sein, um zu prognostizieren, dass die Luft bei zwei, drei weiteren Niederlagen bis Jahresende richtig dünn werden kann.