HSV - oder warum er es am Ende trotzdem schafft, aufzusteigen!
Von Guido Müller
Wieder einmal hat der Hamburger SV eine komfortable Führung nicht zu verwalten verstanden und am Ende dafür die entsprechende Quittung bekommen. In Untergangsszenarien muss man nun dennoch nicht verfallen.
Wobei den anders Denkenden ihre Argumente auch nicht so einfach vom Tisch zu reden sind. Wie ein roter Faden zieht sich durch die bisherige Zweitliga-Zeit des Traditionsklubs das Unvermögen, Spiele, die man im Sack hat, auch entsprechend seriös zu Ende zu spielen.
Das Team wirkt in sich geschlossener als in den letzten beiden Jahren
Und dennoch bleibe ich bei meiner bisherigen Einschätzung: diese HSV-Mannschaft wird in den verbleibenden sieben Spielen die erforderlichen Punkte einfahren, um das Ziel Aufstieg zu erreichen. Fest mache ich dies an zwei Hauptpunkten: zum einen erscheint mir die Mannschaft insgesamt gefestigter als in den vorangegangenen Jahren.
Dafür verantwortlich zeichnet (auch weiterhin!) der Trainer. Daniel Thioune hat aus der Not eine Tugend gemacht - und angesichts nicht zu realisierender Transfers darauf gesetzt, aus der ihm zu Verfügung gestellten Gruppe einen eingeschworenen Haufen zu formen.
Und hätte der gestrige Terodde-Vertreter Bobby Wood auch nur eine seiner drei guten Chancen genutzt, würden die meisten Leser mir wohl auch zustimmen. Doch Märchen sind auch im Fußball selten. Und natürlich wäre es ein solches gewesen, wenn ein bereits ausrangierter und quasi neben der Gruppe existierender Spieler plötzlich für die spielentscheidenden Tore sorgt.
Hat er bislang aber nicht. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Sieben Spiele hat der US-Amerikaner, der im Sommer in seine Heimat zurückkehrt, noch Zeit. Wobei ab Freitag schon damit gerechnet werden kann, dass Simon Terodde in die Startelf zurückkehrt.
In diesem Jahr hat der HSV einen echten Torjäger
Und da wären wir auch schon beim zweiten meiner Argumentationsstränge. Denn einen Torjäger von der Güteklasse eines Simon Terodde stand der Mannschaft in den bisherigen beiden Zweitliga-Spielzeiten nicht zur Verfügung.
Seine Torgefährlichkeit unterstrich der 32-Jährige auch in seinem gestrigen Kurzeinsatz. Nur der vermaledeiten kalibrierten Linie war es zu "verdanken", dass er zwei Minuten nach seiner Einwechslung (!) nicht zum gefeierten Match-Winner wurde.
Aber schon die Erkenntnis, dass man über einen Stürmer verfügt, der selbst nach zweiwöchiger häuslicher Isolation nichts von seiner Wertigkeit eingebüßt hat, ist ein Hoffnung gebendes Signal.
Auch Wintzheimer wieder mit aufsteigender Form
Wenn ich Terodde erwähne, muss ich im Kontext des gestrigen Spiels bei Hannover 96 natürlich auch Manuel Wintzheimer benennen. Drei Vorlagen in einem Spiel - das ist dem 22-jährigen Arnsteiner in seiner Profi-Karriere bislang noch nicht gelungen. Seit gestern ist er mit elf Assists der ungekrönte Vorlagenkönig der Hanseaten.
Und eine weitere Personifizierung des neuen Mannschaftsgeistes in der Truppe. Denn nach einem guten Saisonstart (mit sechs Scorerpunkten in den ersten fünf Spielen) fiel Wintzi in der Folge in ein Leistungsloch.
Negativer Höhepunkt dieser Schwächephase waren sicherlich die Wochen um den Jahreswechsel herum, als der Angreifer nur noch zu Kurzeinsätzen von maximal 45 Minuten Dauer kam.
Erst durch die sich immer mehr anspannende Personal-Lage kam Wintzheimer zuletzt vermehrt wieder zu längeren Einsatzzeiten - und nutzte diese für fünf Vorlagen in den letzten drei Spielen.
So gut wie keine Verletzten zu beklagen
Zudem sorgt auch der mehr als übersichtliche Krankenstand bei den Rothosen für Optimismus. Für das gestrige Nord-Duell an der Leine konnte Thioune bis auf Abwehrchef Toni Leistner personell aus dem Vollen schöpfen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor im anstehenden Liga-Finale.
Ganz bewusst führe ich bei meiner Argumentation nicht den Umstand auf, dass der HSV in den letzten sieben Spielen gegen sechs Gegner (Darmstadt, Sandhausen, Regensburg, Nürnberg, Osnabrück und Braunschweig) aus dem unteren Tabellendrittel (Stand heute) antreten muss.
Ähnlich sah die Konstellation nämlich auch im ersten Zweitliga-Jahr aus. Der Ausgang dürfte allen HSV-Fans noch in unguter Erinnerung sein.
Damals, im März 2019, begann der HSV eine Sieglos-Serie, die bis zum letzten (unbedeutenden) Spieltag anhalten sollte. Der Gegner zum Auftakt jener Horrorwochen (am 26. Spieltag) war übrigens derselbe, der auch in vier Tagen im Volksparkstadion zu Gast sein wird: Darmstadt 98.