HSV-Coach Walter bedauert Sittenverfall im Fußball
Von Guido Müller
Noch vor einigen Tagen forderte HSV-Coach Tim Walter von seinen Spielern etwas mehr Streitkultur auf dem Platz. Nur in scheinbarem Widerspruch dazu beklagte er wenig später einen allgemeinen Sittenverfall im Profi-Fußball.
Was Foulspiele und Gelbe und Rote Karten betrifft, liegt der Hamburger SV in dieser Saison eher in der Mitte mit Tendenz nach unten. Darauf bezog sich Walter wohl auch nicht, als er kürzlich von seinen Spieler einforderte "nicht brav (...) sondern eklig sein zu wollen" (via mopo.de).
"Da", so der Coach, "können wir noch einen Schritt nach vorne machen, und das wollen wir auch."
Doch bitte nicht missverstehen: Walter ging es in diesem Zusammenhang vor allem um die interne Kommunikation auf dem Platz (auch während der Trainingseinheiten). Als Aufforderung zu unfairer Härte ist dieser Wunsch aber nicht zu interpretieren.
"Das Miteinander in anderen Sportarten ist viel schöner!"
Denn Walter liebt das Fairplay - und sieht den Fußball, ganz allgemein, diesbezüglich noch weit hinter anderen Mannschaftssportarten. "Ich finde, dass das Miteinander in anderen Sportarten viel schöner ist."
Und spricht damit den meisten Fußball-Fans wohl direkt aus der Seele. "Beim Basketball, oder wenn ich meine Kinder beim Hockey sehe - das ist was anderes. Da wird dann nicht gleich der Schiedsrichter angegangen."
Eine Beobachtung, die wohl ein jeder von uns auch schon gemacht hat. Sei es im Basketball, im Hockey - oder auch im Handball. In dieser Sportart verfolgte Walter unlängst die Bundesliga-Partie zwischen dem HSV Handball und den Reinickendörfer Füchsen aus Berlin.
Dabei sah er naturgegeben auch viel körperlichen Einsatz und Härte - aber alles blieb in einem vernünftigen Rahmen. "Die foulen sich, dann geht man als Verursacher hin, entschuldigt sich - und dann steht der Gefoulte wieder auf."
Schön wäre es tatsächlich, wenn ein solches Verhalten sich auch endlich flächendeckend im Fußball durchsetzen würde.
Stattdessen sehen wir allwöchentlich viel Theatralik und zahlreiche übertriebene Reaktionen (auf Foulspiele oder Schiri-Entscheidungen) - und fragen uns, zusammen mit Walter: warum ist dies nicht so in anderen Sportarten?
Zwischen den Zeilen könnte man Walters Analyse auch durchaus als Plädoyer für eine strengere Regulierung solcher Auswüchse (wie Rudelbildungen, das Fordern von Karten für den Gegner, Schauspielereien usw. usw.) deuten.
Der HSV-Coach benennt denn auch ganz klar, wie es z.B. im Hockey gehandhabt wird: "Da ist es klar: Wenn du einen Ball wegwirfst oder schießt, dann kriegst du gleich eine Gelbe oder Grüne Karte. Die andere Kultur im Fußball fällt mir immer mehr auf, je mehr ich mich mit anderen Sportarten beschäftige."
Ob dieser Appell aber einen nachhaltigen Einfluss auf die Regelhüter des Fußballs haben wird, darf trotzdem (leider!) bezweifelt werden.