Übergangslösung Hrubesch - und Baumgart als Langzeitperspektive?

Übernimmt die Profi-Mannschaft des HSV bis Saisonende: Horst Hrubesch
Übernimmt die Profi-Mannschaft des HSV bis Saisonende: Horst Hrubesch / Stuart Franklin/Getty Images
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Jetzt ist es also doch so gekommen, wie der eine oder andere bereits gemunkelt hatte: Daniel Thioune ist nicht länger Trainer des Hamburger SV. Interimsmäßig übernimmt Klub-Legende Horst Hrubesch bis zum Saisonende. Doch was passiert danach?


Ob Sportvorstand Jonas Boldt bei der Bestellung des 70-Jährigen zum Direktor Nachwuchs im August vergangenen Jahres bereits eine solche Konstellation im Hinterkopf hatte oder nicht, werden wir wohl nie erfahren.

Fakt ist: Es ist ein Glück für den Verein, dass mit Hrubesch jemand verfügbar ist, um ein Machtvakuum angesichts der sonst fälligen Trainersuche (die drei Spieltage vor Schluss ja auch nicht gerade leicht ist) zu vermeiden.

Zudem hätte man wohl kaum größere Expertise haben können. Hrubesch hat sich in seinen titelgespickten Jahren als Nachwuchstrainer des DFB (U19-Europameister 2008, U21-Europameister 2009 sowie die Silbermedaille beim olympischen Fußball-Turnier von Rio 2016) jedenfalls einen über Deutschland hinaus reichenden Ruf als Erfolgscoach erarbeitet.

Das ist die eine Seite. Die andere ist sein Legendenstatus, den er sich als Spieler beim HSV erworben hat. Und natürlich macht sowas auch mit den ihm unterstellten Spielern.

Es ist ganz einfach noch mal was anderes, ob dir ein Trainer XY in der Kabine gegenübersteht, der selbst nicht über Zweitliga-Erfahrungen hinaus gekommen ist - oder einer, der EM-oder WM-Finals (in denen er bisweilen sogar spielentscheidend war) in seiner Vita vorzuweisen hat. Von Klub-Erfolgen wie Deutschen Meisterschaften und Pokalen oder europäischer Silberware gar nicht erst zu reden.

Hrubeschs Interimzeit als HSV-Trainer beginnt in der "Kieler Woche"

Allein: Die Installierung Hrubeschs als Cheftrainer erscheint einen Tick zu spät erfolgt. Nur drei Spiele hat der Lange nun Zeit, in die Mannschaft reinzuhorchen und die eine oder andere Stellschraube zu drehen. Doch erst nachdem diese "Kieler Woche" beendet ist.

Denn von morgen ab bis zum kommenden Montagabend (wenn Hrubesch sein Trainer-Debüt für den HSV gegen den 1. FC Nürnberg feiert) dürfte sich der Blick aller beim HSV vor allem Richtung Kiel wenden.

In diesen sechs Tagen nämlich spielen die Störche drei Heimspiele in Folge - und könnten im Idealfall (aus ihrer Sicht!) auf sieben Punkte davonziehen. Das Programm ist jedoch knackig: Mit dem zuletzt formstarken SV Sandhausen, dem FC St. Pauli (als bestem Team der Rückrunde) und den Roten von Hannover 96 erwartet die Kieler sicherlich keine Laufkundschaft.

Das Szenario von nur zwei Unentschieden und einer Niederlage, welches dem HSV helfen würde, den dritten Platz zu verteidigen, ist sicherlich kein an den Haaren herbeigezogenes.

Doch genauso gut kann es morgen (beim Spiel gegen den SVS, 18.30 Uhr) schon soweit sein, dass der HSV auch im Rennen um das Minimalziel Relegationsplatz der Musik nur noch hinterherläuft. Ein Sieg der Kieler gegen die Sandhäuser - und es wären die Küstenstädter, die im driver seat in die Zielgerade der Saison einbiegen.

Nach Hrubeschs Interludium: Kommt Baumgart als "Emotions-Trainer"?

Doch zurück zu Hrubesch. Der hat bereits erklärt, nach dem Interim wieder zurück auf seinen Nachwuchs-Posten kehren zu wollen. Die Suche nach einem neuen Trainer, der die Mannschaft in das immer wahrscheinlicher werdende vierte Zweitliga-Jahr führt, ist somit seit gestern eröffnet.

Und da kommt natürlich der Name Steffen Baumgart ins Spiel. Als Trainer-Persönlichkeit stellt er tatsächlich nochmal einen anderen Typus dar, als die bisherigen vier Zweitliga-Coaches des HSV.

Daniel Titz war ein Nobody, der sich im Amateur-Bereich der Hamburger einen Namen gemacht hatte. Sein Nachfolger Hannes Wolf, noch um einiges jünger als sein Amtsvorgänger, stand bis auf den Bundesliga-Aufstieg mit dem VfB Stuttgart im Jahr 2017 ebenfalls noch ohne große Meriten im Profi-Bereich da.

Ganz anders wiederum Dieter Hecking, der in seiner langjährigen Trainer-Karriere vom Drittliga- bis zum Champions League-Fußball alle Sphären des Geschäfts durchdrungen hatte. Als auch diese Option nicht zündete, entschied man sich beim HSV wieder für einen vermeintlichen (und nun letzten Endes bestätigten) Schritt zurück - und wählte mit Daniel Thioune erneut ein eher unbeschriebenes Blatt.

Mit Baumgart hätte man wieder "Feuer" an der Seitenlinie

So unterschiedlich diese vier Übungsleiter waren - wirkliche Derwische an der Seitenlinie waren sie allesamt nicht. Doch genau diesen bärbeißigen Typus scheint dieser Hamburger Kader (und die vorherigen, zumindest in Zweitliga-Zeiten) zu brauchen. Und Baumgart repräsentiert ihn wie kaum ein anderer.

Steffen Baumgart
"Brennt" eigentlich immer, wenn an der Seitenlinie ist: Steffen Baumgart / Lars Baron/Getty Images

Unvergessen bleibt sein Auftritt im Volkspark Ende Januar bei der 1:3-Niederlage des SC Paderborn. Bei Temperaturen knapp über null Grad (vielleicht sogar darunter) stand er die gesamte Spielzeit nur mit einem T-Shirt gekleidet an der Seitenlinie. Wobei "stehen" nicht der richtige Begriff ist: Unablässig tigerte er in seiner Coaching-Zone, gab lautstarke Anweisungen und schien eher ein 12. Mann auf dem Rasen zu sein.

Vielleicht ist es diese emotionale Komponente, die dem Team seit zu langer Zeit abgeht. Titz, Wolf, Hecking und Thioune: Sie alle waren sympathisch und, mehr oder weniger, eloquent. Doch den berühmten Tritt in den Arsch, den mancher Profi ab und zu mal braucht, traute man ihnen eigentlich nie zu.

Ob Hrubeschs nun doch etwas überraschende Bestellung zum Übergangs-Trainer womöglich mit der Tatsache zusammenhängt, dass Liga-Konkurrent Hannover 96 bereits sehr offensiv an Baumgart herangetreten ist, bleibt Spekulation. Fakt ist: Der Mann ist HSV-Fan seit Kindheitstagen. Sicherlich kein unwichtiger Aspekt.

Sollten sich Baumgarts finanzielle Forderungen in einem vernünftigen Rahmen bewegen, dürfte die Frage nach dem Trainer, der mit den Rothosen in die neue Saison startet, eigentlich schon beantwortet sein.