HSV-Sportdirektor Mutzel: "Kritik, die ich nicht gerecht finde"

Zeigt sich mit den diesjährigen Transfers sehr zufrieden: Michael Mutzel (hier im Gespräch mit Horst Hrubesch)
Zeigt sich mit den diesjährigen Transfers sehr zufrieden: Michael Mutzel (hier im Gespräch mit Horst Hrubesch) / Cathrin Mueller/Getty Images
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In der Person seines Sportdirektors Michael Mutzel hat der Hamburger SV Stellung zu der harschen Kritik von Anteilseigner Klaus-Michael Kühne bezogen. Dieser hatte in einer seiner periodischen Tiraden davon gesprochen, dass am Volkspark "herumgewurstelt wie eh und je" werde.


In unaufgeregter Manier sprach Mutzel in einem dem Hamburger Abendblatt gegebenen Interview dem milliardenschweren Investor zunächst natürlich das Recht zu, seine Meinung zur sportlichen Situation beim Traditionsklub zu äußern. Das Zielführende an Kühnes jüngster Verbalwatsche könne er jedoch nicht erkennen.

"Wenn er gefragt wird, darf er das natürlich sagen. Uns hilft so eine Meinung von außen nicht weiter. Wir wissen intern, wie die Möglichkeiten sind und was wir machen konnten. Wir haben eine total spannende, junge, entwicklungsfähige und trotzdem auch schlagkräftige Mannschaft zusammengestellt."

Womit er auch gleichzeitig auf die diesjährige Transferbilanz der Hamburger zu sprechen kam. Neun Neuzugänge stehen vierzehn Abgängen gegenüber. Den Vorwurf, die grundsätzliche Strategie vom Vorjahr (Stichwort: Säulenspieler) schon nach einem Jahr wieder aufgegeben zu haben, weist er dabei entschieden von sich.

"Das ist komplett falsch. Wir hatten auch im vergangenen Jahr mit Ambrosius, Onana, Vagnoman, Wintzheimer und Meißner viele junge Spieler auf dem Platz. Und wir haben auch jetzt wieder ein stabiles Gerüst mit erfahrenen Spielern wie Daniel Heuer Fernandes, Sebastian Schonlau, Jonas Meffert und Robert Glatzel."

Vorbehaltlich freilich, dass sich dieser Eindruck erst noch in den entsprechenden Ergebnissen niederschlagen muss, kann man dem Funktionär sogar durchaus recht geben. Einen substanziellen Qualitätsverlust kann man jedenfalls bei einem Vergleich der letztjährigen Neuzugänge mit denen dieses Jahres nicht ausmachen.

Selbst Terodde-Nachfolger Robert Glatzel hat schon drei Pflichtspieltore in sechs Einsätzen vorzuweisen. Sollte er diese Quote über die Liga hinweg halten können, wären die meisten HSV-Fans wohl mehr als einverstanden. Und vom assoziativen Spiel her gefällt der frühere Mainzer bislang auch besser als sein statischer agierende Vorgänger.

HSV stellt das jüngste Team der Zweiten Liga

Und wo ein Sebastian Schonlau schlechter sein soll als ein Toni Leistner, oder ein Jonas Meffert hinter Klaus Gjasula einzureihen ist, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Und ganz nebenbei wurde auch noch der Altersdurchschnitt des Kaders gesenkt.

"Was man sagen kann: Wir haben den Weg mit jungen Spielern noch konsequenter verfolgt", kommentiert Mutzel die diesjährige Einkaufspolitik der Rothosen. Mit dem Ergebnis, dass der HSV, mit einem Altersschnitt von 24,2 Jahren, in dieser Saison den jüngsten Kader der 2. Liga vorweisen kann. Ein VfB Stuttgart ist unter solchen Bedingungen aufgestiegen...

Jetzt ist Jugend freilich keine Tugend an sich. Die Fußball-Historie ist voll von Beispielen, dass man Erfolg sowohl mit sehr erfahrenen Mannschaften (man frage mal Herrn Rehhagel) als auch mit blutjungen (die Klopp'schen Meistermannschaften des BVB) haben kann.

Am Ende kommt es auf den Spirit an, den eine Mannschaft lebt. Beginnend im Alltag des Trainings, endend mit der allwöchentlichen Performance auf dem Platz. Und natürlich hängt es auch nicht zuletzt davon ab, welche finanziellen Mittel man hat. Dass diese beim HSV nur noch beschränkt verfügbar sind, weiß ein jeder Fan. Erst recht ein Vereinsfunktionär wie Michael Mutzel.

"Jeder kann sich ausmalen, wie viel Geld uns durch die Corona-Krise verloren gegangen ist. Wir sind im Vergleich zu anderen Klubs wirtschaftlich trotzdem stabil und hätten zudem die Möglichkeit gehabt, noch mehr Transfererlöse zu erzielen."

Am Ende habe man, so der Funktionär, "ausgegeben, was möglich war". Dass die Hamburger Zugänge in diesem Jahr einen besonders internationalen Anstrich haben, begründet Mutzel mit den konjunkturellen Gegebenheiten im Zuge der Corona-Pandemie.

"Der Markt hat sich komplett verändert. Vor allem in Deutschland. Es werden kaum noch Ablösen gezahlt, es gibt unheimlich viele Leihen. Die Berater sind unsicher. Die Corona-Krise hat viel verändert."

Zwei "spannende" Last-Minute-Zugänge aus Kroatien und England

Auch die beiden letzten Transfers passen in dieses Schema: jung und international. Wenn auch die Namen von Mario Vuskovic (19) und Tommy Doyle (19) beim Durchschnitts-Fan vielleicht keine Begeisterungsstürme entfachen konnten - "spannend" (um im offiziellen HSV-Diktus zu bleiben) ist das Duo allemal.

Und sicherlich hätte es für zwei U21-Nationalspieler aus traditionsreichen Fußballnationen wie Kroatien (amtierender Vize-Weltmeister) und England (amtierender Vize-Europameister) auch andere Optionen gegeben, als einen nun schon seit Jahren in der zweiten deutschen Liga feststeckenden Klub, der immer noch latent der verlorenen einstigen Größe nachtrauert.

Entsprechend euphorisch bewertet Mutzel diese beiden Transfers (beide auf Leihbasis) und nimmt dabei sogar feierliche Vokabeln in den Mund. Er sei schlichtweg "ein Stück weit stolz, dass wir das geschafft haben".

Mutzels Bitte um Geduld

Allein: die Wahrheit liegt, wie immer im Fußball, auf dem Platz. Und auf dem konnte der HSV bislang noch nicht die erwünschte Ernte, in Form von Punkten, einfahren. Andererseits ist die Saison auch noch jung.

Und so fordert auch Mutzel vom Umfeld das ein, was in den letzten Jahren nicht unbedingt zur Stärke des HSV zu zählen war: Geduld.

"Wir müssen davon wegkommen, nach jedem Spiel nur isoliert auf die Tabelle zu gucken, ohne das einzelne Spiel und mögliche Fortschritte zu sehen. Natürlich wollen wir Spiele gewinnen. Hier wird nach zwei Unentschieden medial oder von sogenannten Experten aber auch eine Kritik laut, die ich nicht gerecht finde."

Mit der man aber wohl weiterhin, wohl oder übel, leben muss. Nach innen jedoch soll der Druck des Aufsteigen-Müssens ein wenig von der Mannschaft genommen werden, wenn Mutzel die diesjährigen Erwartungshaltungen der Verantwortlichen mit folgenden Worten kommentiert:

"Die Liga ist sehr ausgeglichen. Ich bin mir sicher, dass wir vorne mitspielen können, weil wir eine spannende und gute Mannschaft haben. Wir werden unserem Team nicht verbieten aufzusteigen. (…) Beim HSV heißt es jedoch immer von außen, er muss aufsteigen. Im Fußball gibt es aber keine Garantien. Trotzdem wollen wir das Bestmögliche erreichen. Es kann aber gut sein, dass es eine Weile dauert, bis wir eingespielt sind und alles funktioniert."