HSV: Nach den Top-Spielen ist vor der Crunchtime!
Von Guido Müller
In den bisherigen beiden Zweitliga-Spielzeiten konnte der Hamburger SV am 26. Spieltag (nach einem jeweiligen Erfolg in der Vorwoche) nicht gewinnen. Mehr als das: der 26. Spieltag leitete sowohl 2019 als auch 2020 eine Formkrise (und damit einhergehend Ergebniskrise) ein, die am Ende das Verpassen des Aufstiegsziels nach sich zog.
Von daher kann man sagen, dass der HSV in dieser Spielzeit schon mal einen Schritt weiter ist. Denn dem 2:0-Auswärtserfolg beim VfL Bochum - am 25. Spieltag - folgte am vergangenen Wochenende ein souveräner 2:0-Heimerfolg gegen den "Angstgegner" Heidenheim.
Aus den letzten drei Spielen, allesamt gegen Top-Teams der Liga, holte der HSV somit sieben von neun möglichen Punkten - und strafte alle nach der Derby-Niederlage gegen St. Pauli unkenden Schwarzmaler Lügen.
Und dennoch wird man dieser Tage rund um den Volkspark niemanden finden (zumindest von offizieller Seite aus), der das A-Wort nun offensiv in den Mund nimmt. Stattdessen beherrscht nüchterner Realitätssinn die Dialektik bei den Rothosen.
Leibold hebt den mahnenden Zeigefinger
Dementsprechend wollte Kapitän Tim Leibold, gegen die Heidenheimer plötzlich zum Doppelpacker avanciert, auch keinen Vorteil darin erkennen, dass von den restlichen acht Gegnern sechs im unteren Tabellendrittel angesiedelt sind.
"In der 2. Liga kann jeder jeden schlagen. Wenn wir nicht zu hundert Prozent da sind, dann verlieren wir die Spiele. Es hat überhaupt keine Aussagekraft, ob man gegen Kiel oder gegen Würzburg spielt. Man muss die Leidenschaft und Qualität auf den Platz bringen. Und das haben wir in den letzten drei Spielen gemacht", so Leibold zur Mopo.
Die Präzedenzfälle des Scheiterns im Schlussspurt
Im Gegensatz zum Schlussspurt in der Saison 2018/19, als man (nach einem berauschenden 4:0-Sieg im Hamburger Derby am 25. Spieltag) in der Folge gegen den 13. (Darmstadt), 16. (Magdeburg), 14. (Aue) und den 17. (Ingolstadt) nur ein mickriges Pünktchen einsammeln konnte - und den sicher geglaubten Aufstieg auf der Zielgeraden doch noch versemmelte.
In der letztjährigen Spielzeit konnte man innerhalb der letzten neun Spiele zwar gegen die späteren Absteiger aus Wiesbaden und Dresden dreifach punkten - aber halt auch nur gegen sie. Alle anderen Spiele gingen verloren oder endeten remis - und am Ende feierten Bielefelder und Stuttgarter ihre Rückkehr ins Oberhaus.
Doch zurecht könnte man mir in diesem Zusammenhang den Vorwurf machen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Denn von außen wirkt das aktuelle Konstrukt des HSV weitaus stabiler als in den vorangegangenen Jahren.
Thioune hat den kompletten Kader hinter sich gebracht
Was wiederum vor allem das Verdienst von Trainer Daniel Thioune ist, der es geschafft hat, seinen kompletten Kader hinter sich zu bringen. Exemplarisch lässt sich dies an einer Szene im Heidenheim-Spiel festmachen.
Als Sonny Kittel nach seiner vergebenen Großchance zum 2:0 in der 36. Minute hinterhertrauerte, munterte ihn Bobby Wood (!) mit einer kurzen Umarmung wieder auf. Bobby Wood! Der, der sowohl bei Hannes Wolf als auch unter dessen Nachfolger Dieter Hecking absolut keine Perspektive mehr sah und nur noch pro forma-halber als HSV-Spieler bezeichnet wurde.
Dieser Problem-Personalie nahm sich Thioune von Anfang an in aktiver Weise an, zeigte dem US-Amerikaner wieder eine Perspektive auf (nämlich sich mit dem Aufstieg aus Hamburg anständig zu verabschieden!) - und erntet nun, Monate später, die Früchte.
Zwar merkte man Wood auch gegen Heidenheim eine aus langer Inaktivität heraus gespeiste Unsicherheit und fehlende Feinabstimmung mit den Mitspielern an - aber die Körpersprache des sensiblen Hawaiianers war eine ganz andere als in den letzten zwei Jahren.
Bis zu seiner Auswechslung in der 87. Minute (für ihn kam Jatta) hängte sich Wood in die Zweikämpfe, lief hoch an und presste, um den Gegner gar nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Es fehlte eigentlich nur noch die Belohnung in Form eines Tores.
Aber das kann ja in den letzten acht Spielen noch kommen.