HSV mit viel Glück beim Kleeblatt! Startrekord für Thioune und Co.
Von Guido Müller
Mit dem 1:0-Sieg bei der SpVgg Greuther Fürth hat der Hamburger SV den dritten Sieg im dritten Punktspiel der Saison eingefahren - und damit ganz nebenbei den eigenen Startrekord aus der Saison 1974/75 (damals freilich noch in der Bundesliga) eingestellt. Doch das Spiel bei den Franken hat auch gezeigt, dass der weitere Weg zum großen Ziel noch steinig werden wird.
Fußball ist seltsam. Unvorhersehbar. Nicht bis ins Detail zu kontrollieren. Daraus gewinnt er gleichzeitig auch seine unwiderstehliche Kraft. Ohne das Herberger´sche Bonmot ("Keiner weiß wie es ausgeht!") bemühen zu müssen, sind bestimmte Ergebnisse oder auch nur Konstellationen in diesem Sport bisweilen schlichtweg nicht zu erklären.
Den HSV plagten vor der Ausfahrtsfahrt in den Ronhof erhebliche Personalprobleme. Vor allem in der Abwehr. Ohne Tim Leibold, den Dauerbrenner auf der linken Abwehrseite, und ohne den stark in die Saison gestarteten Nachwuchsmann Stephan Ambrosius, sah sich Daniel Thioune zu erheblichen Umbauarbeiten in seiner Defensive gezwungen. Zwischenzeitlich stand sogar das Profi-Debüt von Bryan Hein aus der zweiten Mannschaft der Rothosen im Raum. Am Ende optierte der Coach für die erfahrenere Variante - und beorderte Moritz Heyer vom defensiven Zentrum auf Leibolds linke Seite (auf der dieser in der vergangenen Spielzeit nicht eine Pflichtspielminute (!) verpasste). Heyers Part in der Mitte der Viererkette übernahm Gideon Jung (neben Toni Leistner).
Mit neuformierter Defensive zum ersten "Zu-Null-Sieg!"
Mit einer neu formierten Abwehrformation bei spielstarken Fürthern. Wenn das mal gut geht, unkten in der Hansestadt nicht nur die traditionell aufgeregten Medien. Dass man nun ausgerechnet in dieser neuartigen (und mit Blick auf die Zukunft vielleicht auch zum letzten Mal gesehenen) Besetzung zum ersten Mal in dieser Saison "zu null" blieb - mutet angesichts des Spielverlaufs beinahe wie ein schlechter Witz an. Für die Greuther zumal, die nach dem Abpfiff wie begossene Pudel den Jubel ihres Gegners ertragen mussten und sich wohl auch heute Nachmittag noch fragen, warum sie nichts Zählbares aus dem Duell mit dem HSV genommen haben.
Das Glück stand gestern auf Hamburger Seite
Aber dieser Sport weiß eben nichts von garantiegebenden Formeln. Zumal der Faktor Glück (oder Pech, je nach Blickwinkel) auch einem so soliden Matchplan wie dem der Fürther am gestrigen Samstagnachmittag immer einen Strich durch die Rechnung machen kann. Und Glück hatten die Hamburger gestern in Fürth nicht nur einmal.
Denn wenn Seguins Knaller in der siebten Spielminute im Netz der Hanseaten landet, oder ein pedantischer Video-Schiedsrichter das "Handspiel" Gyamerahs als sanktionswürdig erachtet, oder Toni Leistner den durchgebrochenen Nielsen erst einen Schritt später, und somit erst im Strafraum stoppt - ja, dann hätte es auch durchaus in die andere Richtung laufen können.
So aber reichte die erste gute über mehr als drei Stationen gespielte Kombination der Gäste in der dritten Minute der Nachspielzeit von Hälfte eins zum Siegtreffer. Diese Aktion war dann aber auch ganz großer Sport. Terodde zeigte dabei, dass er auch ein bisschen was vom Kombinationsspiel versteht. Und wie Narey den klugen Durchstecker seines Sturmführers zu veredeln wusste, hätte selbst einem Romário zur Ehre gereicht.
Mannschaft wusste sich auch gegen Widerstände zu behaupten
Doch bei aller berechtigten Kritik am Spiel der Hamburger, das längst nicht so selbstverständlich und überzeugend wirkte, wie gegen die beiden Absteiger Düsseldorf und Paderborn an den vorherigen Spieltagen, muss man auch die Reaktion der Mannschaft auf den frühen Nackenschlag der Verletzung von Jeremy Dudziak loben. Der war zwar bis zu seinem Ausscheiden auch nicht wirklich auf dem Feld, leistete sich einige ungewohnte Unsauberkeiten bei Ballannahme und Zuspiel, ist aber - neben Aaron Hunt - das Hirn dieser Mannschaft.
Der für ihn eingewechselte Kittel konnte die Chance, sich wieder in den Fokus zu spielen, jedoch nicht nutzen. Viel zu viel kommentierte er in den ersten Minuten seines Schaffens irgendwelche Schiedsrichterentscheidungen. Und ließ in der 69. Minute die Riesenchance zum vermutlich entscheidenden 2:0 fahrlässig liegen.
Statt den Sack also rechtzeitig zu zumachen, sahen sich die leidenden HSV-Fans vor den Bildschirmen immer mehr in die schlimmen Wochen zwischen Mitte Mai und Ende Juni dieses Jahres zurückversetzt, als die Mannschaft - wenn auch mit anderem Personal - regelmäßig in eine Art Torschlusspanik verfiel und so in vier (von insgesamt neun) Spielen entscheidende Punkte in der jeweiligen Nachspielzeit verspielte.
Dass es gestern nicht so weit kam, lag auch am neuen Personal. Und an den taktischen Manövern des Coaches. Moritz Heyer, ab der 55. aufgrund der numerischen Unterlegenheit wieder zurück in die zentrale Defensive (neben Jung) beordert, (Gymerah zog für ihn auf die ungewohnte linke Seite und Narey besetzte den Part hinten rechts) zeigte auf beiden gestrigen Teilzeit-Posten, dass Thioune auf ihn zählen kann.
Und wenn doch mal was auf den Kasten kam, was angesichts der optischen Überlegenheit der Gastgeber, vor allem nach Leistners Platzverweis, aber viel zu selten passierte, war Sven Ulreich zur Stelle. Wie beim Kopfball von Ernst in der 57. Minute. So konnten auch die latenten Unsicherheiten von Gideon Jung, der weiterhin seiner Form von vor seiner Knieverletzung hinterherläuft, und die eine oder andere Unkonzentriertheit eines ansonsten soliden Gyamerah aufgefangen werden.
Gute Noten verdienten sich außerdem der vielgescholtene Aaron Hunt, der sich auch für Defensivsprints bis tief in die eigene Hälfte nicht zu schade war, und der nimmermüde Khaled Narey, der seine Leistung dann auch mit dem Tor des Tages krönte.
Glücklicher, aber nicht unverdienter Sieg
Insgesamt ein glücklicher, aber auch nicht unverdienter Sieg des HSV, der - so einfach ist es manchmal im Fußball - aus seinen wenigen Chancen schlichtweg mehr machte als der Gegner. Man darf gespannt sein, welche Lehren die Mannschaft aus dem gestrigen Spiel zieht. Eines ist klar: in den meisten Spielen dieser Saison wird der Gegner ähnlich agieren wie die Fürther. Doch auf soviel Glück wie gestern im Ronhof sollte man sich beim HSV dann lieber nicht verlassen.