HSV kommt nach 8. Remis nicht voran: Running to Stand Still
Von Guido Müller
Mit dem 8. Unentschieden im 13. Saisonspiel tritt der Hamburger SV auch nach dem gestrigen 1:1 beim Karlsruher SC tabellarisch weiterhin auf der Stelle. Erneut konnten die Hanseaten dabei nicht den günstigen Umstand nutzen, früh in Führung gegangen zu sein.
Doch das war dann auch schon fast die einzige Parallele zu den vorangegangenen Remis. Denn während man in den beiden Heimspielen zuvor (gegen Düsseldorf und Kiel) ebenfalls zeitig in Front lag und diese Führung - gegen die Fortuna sogar in früher numerischer Überzahl - erst im späteren Verlauf des Spiels einbüßte, kam die Antwort der Badener am gestrigen Abend fast postwendend.
Und der Ehrlichkeit halber: schon vor der eigenen Führung (durch Sonny Kittel in der 14. Minute) hätte der HSV in Rückstand liegen können. Wenn nicht gar müssen. Viel freier als KSC-Stürmer Lorenz in der 6. Minute kommt man in einem Zweitliga-Strafraum heutzutage jedenfalls nicht zum Abschluss.
Es war insgesamt ein ausgeglichenes Spiel in der Baustelle Wildparkstadion, in dem beide Mannschaften bis zum Schluss den Sieg hätten davon tragen können.
Und abermals hinterlässt ein Unentschieden mehr Fragen als Antworten. Denn immer weiß man noch nicht so genau, wo die Reise dieser Mannschaft hingehen wird. Argumente hat sie jedenfalls auch gestern wieder gesammelt: sowohl für die pessimistische als auch für die optimistische Prognose.
Was wiederum nur beweist, dass selbst ein so objektives Kriterium wie ein Tabellenstand durchaus aus verschiedenen Blickwinkeln bewertet werden kann. Doch dazu später mehr.
Nur eine Niederlage nach 13 Saisonspielen
Hätte mir jedenfalls vor der Saison jemand gesagt, dass meine Mannschaft von den ersten 13 Spielen nur eines verlieren würde, hätte ich wohl sofort unterschrieben. Weniger Niederlagen waren es zum vergleichbaren Zeitpunkt in den Vorjahren ja auch nie.
Doch bei meiner "Unterschrift" hätte ich gleichzeitig auch die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn wer denkt schon an acht Unentschieden?
Nun sind es deren aber schon so viele - was die Rothosen zu den Remis-Königen der Liga werden lässt. Traurige Könige, so ganz ohne Herrschaft.
Die zu beanspruchen wiederum Teams wie der FC St. Pauli momentan weitaus mehr Berechtigung haben. Doch schon hier lohnt ein zweiter Blick hinter die offensichtlichen Zahlen. Mit sechs Punkten Vorsprung (bei einem Spiel weniger) gegenüber dem HSV liegen die Kiezkicker derzeit auf dem Platz an der Sonne.
Übersetzen lässt sich diese Differenz in ein Spiel. Hätte (ja, ja, hätte, hätte, Fahrradkette, aber trotzdem): hätte der HSV das Stadtderby beim FC St. Pauli gewonnen (was zwar dem Spielverlauf nach unverdient aber trotzdem nicht völlig unmöglich war), wäre man jetzt punktgleich mit den Braunen.
Und wenn - nach dieser Lesart - nur ein einziges Spiel den Unterschied zwischen Topplatzierung und Mittelmaß ausmacht, kann es der HSV bis dato so schlecht auch nicht gemacht haben.
Spielerisch sowieso schon nicht. Denn die Vorträge dieser HSV-Mannschaft sind - mit Ausnahme vom Aue-Spiel - durch die Bank ansehnlicher als in den Vorjahren.
Aber ansehnlicher bedeutet halt im Fußball nicht immer erfolgreicher. Wobei: auch hier würde ich gern erstmal die komplette Hinrunde gespielt wissen, bevor ich mich in Prognosen für die zweite Serie verliere.
30 Punkte-Marke nach der Hinrunde immer noch erreichbar
Vor einigen Wochen schrieb ich an dieser Stelle, dass ich der Mannschaft bis zur Halbzeit der Meisterschaft einen Punktestand von 30 Punkten zutraue. Drei Spieltage später ist dies angesichts von nunmehr 20 Zählern und noch vier ausstehenden Spielen in der Hinrunde weiterhin erreichbar.
Dass von diesen vier Spielen zudem drei vor eigenem Publikum bestritten werden, bestärkt mich nur in meiner Vorhersage. Trotz des bisher äußerst dürftigen Ertrages aus Heimspielen. In sechs Spielen gelang erst ein Sieg.
Aber nochmal: ein Unentschieden bietet sowohl dem Pessimisten als auch dem Optimisten Nahrung. Der eine versteift sich halt auf den Fakt, dass man nicht gewonnen hat - der andere wiederum darauf, dass man nicht verloren hat.
Von den acht Unentschieden, die der HSV bisher bilanziert, waren drei bis vier von der Sorte "Musst du eigentlich gewinnen". Gut, hat er nun mal nicht - aber theoretische Spielchen a la "was hätte sein können" machen im spielerischen Kontext des Fußballfan-Daseins einfach Spaß - und spenden in dunkleren Stunden Trost für die Zukunft.
HSV muss schleunigst anfangen, aus seinen Fehlern zu lernen
Immer unter der Grundannahme, dass aus den vielen nicht gewonnenen Spielen bald gewonnene werden. Zuzutrauen ist es dieser Mannschaft allemal - aber auch nur, wenn gewisse, sich wiederholende Fehler kurz-bis mittelfristig abgestellt werden.
Die Bandbreite reicht dabei von einer effizienteren Nutzung der sich in jedem Spiel ergebenen Chancen (auch gestern hatte man wieder genug, um zwei Spiele zu gewinnen) bis zu einer mal über neunzig Minuten konzentrierten und konsequenten Abwehrarbeit.
Denn dass die Gegner einfach viel zu leicht zu Großchancen - und letztlich zu Toren - kommen, zieht sich leider ebenfalls wie ein roter Faden durch die Saison. Den bisher einzigen "Zu Null-Sieg" gab es ausgerechnet beim Erzrivalen aus Bremen.
Auch gestern war es eher wieder eine "Karo einfach-Aktion" der Karlsruher (wenn auch gut ausgespielt!), die sie zurück ins Spiel kommen ließ. Flanke Wanitzek, Kopfball Hofmann - Tor.
Sebastian Schonlau, dem die Kopfballstärke des KSC-Stürmers sicherlich auch bekannt sein dürfte, sah dabei zumindest unglücklich aus, und auch Torwart Johannson erschien mir nicht völlig machtlos. Immerhin war er noch mit der Hand am Ball.
Drei der letzten vier Hinrundenspiele bestreitet der HSV zuhause
An den kommenden beiden Spieltagen warten nun zwei Heimspiele auf die Rothosen. Zunächst gastiert der Jahn im Volkspark, danach kommt der Tabellenletzte aus Ingolstadt an die Elbe.
Durch die zuletzt verpassten dreifachen Punktgewinne steht der HSV in diesen Spielen unter noch stärkerem Erfolgsdruck als ohnehin schon. Ein Sieg gegen Regensburg würde die Kluft von aktuell fünf Punkten auf zwei verkürzen, eine Niederlage hingegen die Oberpfälzer schon fast ein wenig enteilen lassen.
Aber vielleicht geht es ja auch wieder unentschieden aus - und wir verschieben die Debatte um den wahren Leistungsstand des HSV im November 2021 um eine weitere Woche. Running to stand still.