Beim HSV nichts Neues - Last-Minute-Shocks werden allmählich zur Corporate Identity!

Immerhin mit mehr Optionen am letzten Spieltag als in der Vorsaison: NIedergeschlagene HSV-Spieler!
Immerhin mit mehr Optionen am letzten Spieltag als in der Vorsaison: NIedergeschlagene HSV-Spieler! / Alex Grimm/Getty Images
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Gute Nachrichten für alle HSV-Fans: in den entscheidenden letzten Spieltag der Saison geht er mit einer weitaus besseren Ausgangslage als noch im Vorjahr. So, Sarkasmus-Modus wieder in off: was war das denn bitte? Wieder einmal bettelt der HSV nach eigener Führung um ein Gegentor, wieder einmal bekommt er es. Und wieder einmal in der Nachspielzeit.

Es gehen einem mittlerweile die Sätze aus, für das, was man allwöchentlich von den HSV-Spielern dargeboten kriegt. Auch heute haben sich die Muster eins zu eins wiederholt: nach dem (tollen) frühen Tor in der ersten Minute der zweiten Halbzeit durch Pohjanpalo ist man noch zwei, drei Minuten alibimäßig auf das zweite Tor gegangen (das heute sicherlich den Todesstoß für Heidenheim bedeutet hätte), doch statt so bis zum Ende weiterzumachen, geben die Spieler, entsprechend instruiert von ihrem Anführer auf dem Platz, die Partie spätestens ab Mitte der zweiten Hälfte komplett ab. Gegen einen Gegner, der heute nur Einsatz und Leidenschaft zu bieten hatte. Das spielerische kam über weite Strecken zu kurz. Doch gegen diesen HSV musst du auch gar nicht besser Fußball spielen. Es reicht, die Pseudo-Anstrengungen zu ersticken und ihm nach und nach das eigene Spiel aufzuzwingen.

Gegner zwingen dem HSV regelmäßig ihr Spiel auf

Und genau das taten die Heidenheimer. Nicht mehr und nicht weniger. Und spätestens als es in einer Szene möglich war, das Spiel richtig gefährlich schnell zu machen, Hunt aber abdrehte, um lieber seinen Innenverteidiger in Bedrängnis zu bringen, wusste ich auch: sie werden damit Erfolg haben. Und der HSV bestätigte mich ab da quasi in jeder Minute: es wurde versucht, Zeit von der Uhr zu nehmen. Erfolgversprechende Konter wurden gar nicht erst gefahren, sondern permanent das Tempo verschleppt. Und je weiter das Spiel voranschritt, um so öfter kamen die Spieler nicht mehr in die Zweikämpfe, immer einen Schritt zu spät. Und in den Schlussminuten hatte dann jeder nur noch mit sich selbst zu kämpfen. Mit sich und seinem Kopf. Entlastung durch Hunt & Co.? Fehlanzeige.

Hat jemand gemerkt, wie die Nerven blank lagen, so um so die 90. Minute herum? Beyer schrie Aytekin an, Spieler sich selbst untereinander. Jatta bekam einen Einlauf von Hecking. Überall war die Panik vorm erneuten Aussetzer greifbar. Jeder wartete nur noch auf Bälle in den Fuss, keiner ging mehr überzeugt zu Werke. Alle wirkten gelähmt. Kontrolle? Komplett abgegeben! Die nackte Angst vorm abermaligen Versagen war greifbar. Hörbar sowieso, in diesen wirren Corona-Zeiten ohne Stadionpublikum.

Der HSV rutscht vor dem letzten Spieltag auf Platz 4
Der HSV rutscht vor dem letzten Spieltag auf Platz 4 / DeFodi Images/Getty Images

Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir insgeheim schon das Ende ausgemalt. Im Grunde genommen hatte ich dieses Szenario (mit zwei Punkten Vorsprung nach Heidenheim zu fahren) schon vor Wochen im Kopf. Und auch diesen Ausgang des heutigen Spiels. Es lief ja nach altbekanntem Schema: Nach eigener Führung in den letzten Minuten noch alles verspielen. Das bekommt man vom HSV zu oft geliefert. Und deshalb ginge es auch am Ende auch völlig in Ordnung, wenn ein Sieg gegen Sandhausen im letzten Spiel eben nicht mehr reicht. Tun wir uns die Zweite Liga eben noch ein drittes Jahr an. Und wer weiß: wenn die Grün-Weißen tatsächlich absteigen, gewöhnen wir uns vielleicht sogar ans Unterhaus. Mit Braunschweig kommt noch ein Nordderby-Partner hoch. Die Zweite Liga wird immer mehr zur heimlichen Nordmeisterschaft. Fehlt eigentlich nur noch Wolfsburg. Und die kommen auch noch...

Dennoch ist am letzten Spieltag für den HSV noch alles drin

Allein: die irrwitzige Tabellenkonstellation sorgt dafür, dass man selbst als HSV-Fan mit einer vertretbaren Portion Optimismus (im Zusammenhang mit diesem Klub wirkt dieser Begriff allerdings etwas deplatziert) in den letzten Spieltag dieser Zweitliga-Saison gehen kann. Jetzt, da in den kommenden zwei, drei Tagen kübelweise Häme über die Mannschaft ergossen wird, rauft sie sich vielleicht noch ein allerallerallerletztes Mal zusammen und schwört sich irgendwie darauf ein, den SV Sandhausen (mit Dieki) zu schlagen. Heidenheim muss dann erstmal in Bielefeld, beim frisch gebackenen Zweitliga-Meister, gewinnen. Verdient - das wiederhole ich gerne noch mal - hätten es die Baden-Württemberger auf jeden Fall. Zumal nach diesem furiosen Finale von heute. Doch der Fußball-Gott will von solchen Verdiensten manchmal nichts wissen. Und so verrückt, wie sich letzte Spieltage in der jüngeren Vergangenheit gestaltet haben, würde ich als Heidenheimer zumindest nicht all zu viel Geld auf einen Sieg meiner Elf bei der Arminia setzen. Aber vielleicht reicht ja auch, einfach nur auf Nicht-Sieg des HSV zu wetten. Damit liegt man in der letzten Zeit fast immer richtig.