3 Faktoren als Vorteil: Kann der HSV diesmal die Gunst der Stunde nutzen?

Seine Tore machen Hoffnung auf den Aufstieg: Joel Pohjanpalo
Seine Tore machen Hoffnung auf den Aufstieg: Joel Pohjanpalo / Pool/Getty Images
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Der Hamburger SV im Frühjahr 2019: Mit 53 Punkten nach 31 Spieltagen rangieren die Rothosen erstmals seit Beginn der Spielzeit wieder unterhalb der Aufstiegsränge. Doch durch unerwartete Ausrutscher der Konkurrenten Paderborn und Union bekommt der HSV am 32. Spieltag eine abermalige Chance, sich eine gute Ausgangsposition im Kampf um den Aufstieg zu verschaffen.

Doch diese Chance wird am 04. Mai 2019 leichtfertig verspielt. Mit einem krachenden 0:3 gegen den späteren Absteiger FC Ingolstadt ziehen die Rothosen in puncto Ausrutscher (wieder einmal) mit der Konkurrenz gleich (bzw. an ihnen vorbei) - und verspielen dann eine Woche später endgültig den Aufstieg durch ein 1:4 gegen Paderborn.

Es sind schon frappierende Ähnlichkeiten, die sich da zwischen dem letztjährigen Saisonfinish und dem diesjährigen Endspurt auftun. Auch heute, im Frühsommer 2020, hat der HSV 53 Punkte auf dem Konto. Und damals wie heute empfangen sie am 32. Spieltag eine in Abstiegsnöten befindliche Mannschaft (Ingolstadt 2019, Osnabrück 2020).

Ich schrieb an dieser Stelle vor einigen Tagen über meine Angst, ein Saisonfinale wie vor Jahresfrist erleiden zu müssen. Tatsächlich geben die nackten statistischen Zahlen das auch her. Und auch die sportlichen Darbietungen der Mannschaft in den letzten zwei, drei Spielen laden nicht zu übermäßigem Optimismus ein. Dafür waren die Auftritte in Stuttgart, gegen Wiesbaden, gegen Kiel und zuletzt in Dresden nicht souverän genug. Vor allem was die Schlussminuten betrifft.

Vorteil 1: Der Trainer

Dieter Hecking hat bislang jeden Rückschlag souverän weggesteckt
Dieter Hecking hat bislang jeden Rückschlag souverän weggesteckt / Pool/Getty Images

Doch drei Faktoren sind es, die mich etwas hoffnungsvoller stimmen als im vergangenen Jahr. Es sind drei Vorteile gegenüber dem Vorjahr. Damals war der HSV mit Hannes Wolf auf der Trainer-Bank noch zu unerfahren aufgestellt. Zwar hatte er zwei Jahre zuvor mit dem VfB Stuttgart dieselbe Unternehmung (Aufstieg in Liga 1) schon einmal erfolgreich bewältigt - doch für das in Hamburg noch mal um einiges heftigere Medienpanorama war auch sein Nervenkostüm noch nicht ausreichend gestärkt. Im Nachhinein muss man wohl auch ihm eine Teilschuld daran zuschreiben, dass es in den letzten Wochen der Saison zu Auflösungserscheinungen innerhalb des Teams kam. Der Eklat um Lewis Holtby, der sich vorm Spiel bei Union (am 31. Spieltag) selbst aus der Mannschaft nahm (weil er seine Reservistenrolle für dieses wegweisende Match nicht akzeptieren wollte), war dann der Urknall, dem in den folgenden zwei Spielen (gegen Ingolstadt und in Paderborn) satte sieben Gegentore folgten. In der alles entscheidenden Phase der Saison sorgte also der Egoismus eines Spielers für eine nicht wirklich leistungsfördernde Stimmung innerhalb des Teams - und am Ende für das Verpassen des großen Ziels.

Mit Dieter Hecking ist der HSV diesbezüglich in diesem Jahr besser aufgestellt. Der erfahrene Coach spürt, wann es in einer Mannschaft vielleicht köcheln könnte - und steuert rechtzeitig dagegen. Bislang ist es ihm jedenfalls gut gelungen, alle Rückschläge (die auch in dieser Spielzeit nicht selten waren) zumindest nicht in einen Dauerzustand über sieben oder acht Wochen ausufern zu lassen. Mehr als vier Spiele am Stück ohne Sieg gab es unter Hecking bislang (noch) nicht.

Vorteil 2: Aaron Hunt

Aaron Hunt marschiert vorneweg
Aaron Hunt marschiert vorneweg / Stuart Franklin/Getty Images

Als zweites Argument will ich Aaron Hunt anführen. Der konnte von den letzten neun Spielen der Spielzeit 2018/19 lediglich drei bestreiten, davon aber auch nur eines über die volle Distanz. Beim 0:3 gegen Ingolstadt fehlte er komplett, beim 1:4 in Paderborn wirkte er nur die zweite Halbzeit mit. Ganz anders sieht es in dieser Saison aus. Gerade rechtzeitig zum Saisonfinale (und wohl auch der Corona-Pause geschuldet) ist Hunt in Form gekommen, stand in den letzten neun Spielen in Folge auf dem Platz - und wird auch beim wegweisenden Nordderby morgen Abend (18.30 Uhr) gegen Osnabrück die Mannschaft als Kapitän anführen.

Vorteil 3: Joel Pohjanpalo

Joel Pohjanpalo trifft zurzeit nach Belieben
Joel Pohjanpalo trifft zurzeit nach Belieben / Pool/Getty Images

Als drittes Argument könnte man die Präsenz eines echten Torjägers anführen. Mit seiner beeindruckenden Quote von acht Treffern in nur elf Spielen seit seiner Ankunft in Hamburg im vergangenen Winter, zieht Joel Pohjanpalo ganz automatisch viel Konzentration der gegnerischen Abwehrspieler auf sich. Wovon wiederum die anderen torgefährlichen Spieler wie Sonny Kittel oder auch Jeremy Dudziak oder Aaron Hunt himself profitieren. Der HSV ist sowohl in der Breite schwerer ausrechenbar als auch individuell stärker besetzt als im vergangen Jahr, als es meistens reichte, einen Pierre-Michel Lasogga auszuschalten, um die Offensivmaschinerie der Rothosen quasi zum Erliegen zu bringen.

Doch als mittlerweile jahrzehntelanger HSV-Fan bin ich natürlich vorsichtig geworden. Bisweilen sogar übervorsichtig. Gerade solche Spiele wie das morgige bargen in der jüngsten Vergangenheit immer wieder unendlichen Frust und Verzweiflung bei allen, die es mit der Raute im Herzen halten. Immer wenn der HSV einen großen Schritt nach vorne machen konnte, konnte man gleichzeitig fast darauf wetten, dass er diesen Schritt eben nicht beziehungsweise ihn in die falsche Richtung, sprich: nach hinten, gehen würde.

Eines ist klar: Auch nach dem Spiel morgen gegen die Veilchen aus Niedersachsen wird mathematisch noch nichts entschieden sein. Egal wie das Spiel ausgeht. Doch eine Niederlage der Hamburger bei gleichzeitigen Siegen der Konkurrenz aus Stuttgart und Heidenheim würde den erstmaligen Fall auf Platz vier bedeuten (womit wir wieder bei den Parallelen zum letzten Jahr wären!). Andersrum könnte ein Sieg - und entsprechenden Punktverlusten der anderen - schon die halbe Miete im Kampf um den Aufstieg bedeuten. Die andere müsste dann noch in Heidenheim eingeholt werden. So oder so wird also wieder einmal ein 32. Spieltag Klarheit über den weiteren Weg des HSV geben. Hoffentlich mit besserem Ausgang als vor gut einem Jahr.