HSV-Analyse: Ein 0:0, an dem sich die Geister scheiden

Drei Halbzeiten in Folge ohne Tor: die Spieler des HSV nach dem 0:0 gegen Fürth
Drei Halbzeiten in Folge ohne Tor: die Spieler des HSV nach dem 0:0 gegen Fürth / Oliver Hardt/Getty Images
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Ob das torlose Remis gegen die SpVgg Greuther Fürth nun als (zweifacher) Punktverlust oder (einfacher) Punktgewinn zu werten ist, darüber ist leidlich zu streiten. Fakt ist: auch im elften Liga-Spiel hintereinander bleibt der Hamburger SV ungeschlagen.

Aber wahr ist eben auch: von den letzten vier Partien konnten die Hanseaten nur eine (gegen den SC Paderborn) siegreich gestalten. Im Vergleich: in der Hinrunde wurden die vier Spiele gegen dieselben Gegner noch allesamt gewonnen.

In der Rückrunde erst ein Spiel gewonnen

Deshalb kann man durchaus die Unkenrufe all derer verstehen, die in den letzten Wochen einen Abwärtstrend erkennen wollen. Rein ergebnistechnisch kann man ihren Sorgen auch tatsächlich nichts entgegenhalten. Drei von 12 möglichen Punkten (wie sie in der Hinserie gegen dieselben Gegner eingefahren wurden) sind nicht unbedingt die Ausbeute eines kommenden Aufsteigers.

Von daher mag die Einschätzung von Mittelfeldspieler David Kinsombi auf den ersten Blick verwundern. Der sagte nach dem gestrigen Spiel gegen die Franken: " (...) Wenn wir auf die vergangenen Wochen zurückblicken und auf unsere momentane Situation, sind wir in einem stetigen Prozess und werden mit dem Ball und gegen den Ball immer besser." (mopo.de)

Und tatsächlich, auch eingedenk der personellen Situation (immerhin fehlten gestern mit Toni Leistner und Jeremy Dudziak zwei Akteure, die sich im Laufe der Saison stetig gesteigert haben und bis zu ihren jeweiligen Ausfällen zu den wichtigsten Spielern im Team gehörten) konnte man dem HSV gestern kaum einen Vorwurf machen - bis auf den, nicht getroffen zu haben.

Wobei - getroffen haben sie ja. Nur leider aus einer Abseitsposition heraus. Die aber wurde mir immer weniger klar, je öfter ich die Wiederholungen über den Bildschirm flimmern sah. Wenn überhaupt bewegte sich die kalibrierte und von Videoschiedsrichterin Bibian Steinhaus interpretierte Linie im Nanobereich. Aber gut: Abseits ist auch bei einem Zehntelmillimeter (wenn es denn objektiv zu messen ist).

Die Enttäuschung nach dem Jubel: Kinsombi wurde sein Tor in der 78. wegen Abseits aberkannt
Die Enttäuschung nach dem Jubel: Kinsombi wurde sein Tor in der 78. wegen Abseits aberkannt / Oliver Hardt/Getty Images

HSV bis in die Schlussminuten geduldig und gefährlich

Lobend hervorheben kann man auf jeden Fall, dass der HSV auch nach dem Kinsombi und seiner Mannschaft verwehrten Treffer (78. Minute) nie in hektischen Aktionismus verfiel und geduldig weiter auf seine Chance wartete. Mit einem Mann mehr, mit dem man zu diesem Zeitpunkt seit fast einer halben Halbzeit auf dem Platz stand, auch sicherlich die richtige Strategie.

Und so kam die Mannschaft auch in den Schlussminuten noch zu guten Chancen. Terodde per Kopf (79.), Leibold per Volleyschuss (82.), Narey per zu zentralem Distanzschuss von der Strafraumgrenze (83.) oder abgefälschter Direktabnahme (87.) scheiterten jedoch allesamt an fehlendem ZIelwasser - oder am gut aufgelegten Burchert im Tor der Gäste. Über die gesamten neunzig Minuten wies die kicker-Datenbank ein Chancenverhältnis von 19:6 für die Rothosen auf.

Ebenfalls sollte die Tatsache, gegen eines der auswärtsstärksten Teams der Liga kaum mehr als zwei Torchancen zugelassen zu haben, Mut für die kommenden Wochen machen.

Doch Fußball ist so herrlich unlogisch. Mit dem Maßstab der ersten Halbzeit in Aue oder der zweiten gegen Fürth sollte man eigentlich von einem Sieg der Rothosen am kommenden Sonntag bei Tabellenschlusslicht Würzburg ausgehen können.

Doch zeigt der HSV in der Flyeralarm-Arena tatsächlich seine Schokoladenseite? Denn wenn nicht, wird es auch bei den Unterfranken kein Selbstläufer. Ja, kann es sogar komplett nach hinten losgehen.

Die drei bisherigen Niederlagen (zuhause gegen Bochum und Hannover und auswärts in Heidenheim) lassen sich gut in: verdient, unverdient und selbstverschuldet (und somit auch irgendwo verdient) einteilen. Beim 0:1 in Bochum lief man über neunzig Minuten hinterher und fand eigentlich nie richtig Zugriff auf die Partie.

Ganz anders der Auftritt gegen Hannover, bei dem man einem frühen Rückstand hinterlaufen musste und dies aus noch über weite Strecken in Unterzahl. Trotzdem spielte man die Niedersachsen in der zweiten Halbzeit nahezu an die Wand - nur wollten die Bälle einfach nicht ins Tor.

Und in Heidenheim lief es über die Hälfte der ersten Halbzeit nahezu optimal, ehe man den Gegner durch schlampiges Abwehrverhalten wieder ins Boot holte. Der Slapstick-Gegentreffer in den Schlusssekunden war dann die Verkörperung von "selbst ins Bein geschossen".

Ansonsten gab es wirklich pomadige, ja an Arroganz grenzende Auftritte - zumindest über eine Halbzeit hinweg - lediglich beim 4:2-Sieg in Braunschweig, beim 3:3 in Aue - und beim 3:1-Sieg in der Hinserie gegen den kommenden Gegner Würzburg. Gegen die damals schon am Tabellenende dümpelnden Bayern lag der HSV nach völlig verschlafener erster Halbzeit sogar 0:1 zurück, ehe Terodde (wer sonst?) die Dinge regelte.

Der HSV ist die beste Mannschaft der Liga

Der Präzedenzfälle für lethargische, uninspirierte Darbietungen gibt es also auch in dieser Saison ein paar.

Doch ich will trotzdem einfach mal optimistisch sein, hänge mich dabei an der Person des Cheftrainers und am gegenüber der letzten Saison neuen Personal (Terodde) auf und "wage" mal folgende These: geht der HSV von jetzt an bis zum Saisonschluss jedes Spiel an, wie die guten Halbzeiten in Braunschweig oder in Aue (oder gegen Hannover oder in Heidenheim) kann er gar nicht anders, als aufzusteigen.

Denn es gibt in dieser Liga keine bessere Mannschaft. Weder im direkten Vergleich noch auf die Strecke einer ganzen Saison.

Doch - und dies sozusagen als warnender Hinweis -: in identischer Position befand sich der HSV zum vergleichbaren Zeitpunkt auch in den vergangenen zwei Spielzeiten. Das Ende derselben ist hinlänglich bekannt...