Horst Hrubeschs Visionen mit dem HSV
Von Guido Müller
Seit etwas mehr als einem halben Jahr wirkt Horst Hrubesch als Direktor Nachwuchs bei seinem Herzensklub Hamburger SV. Sein Ziel: den Traditionsklub auf Basis nachhaltiger Nachwuchsarbeit wieder in erfolgreichere Zeiten zu führen.
Manchmal gehen großen Entwicklungen banale Vorzeichen voraus. Vier Worte waren es, die Hrubesch seinem Gesprächspartner Jonas Boldt, damals auf der Suche nach einem geeigneten Mann für den HSV-Nachwuchs, während des entscheidenden Telefonats sagte: "Jonas, ich helfe dir!"
Gesagt - getan: wenige Tage später setzte "Hotte" seine Unterschrift unter seinen ersten Vertrag mit dem HSV nach fast vier Jahrzehnten.
Vision von acht bis zehn Spielern aus dem eigenen Nachwuchs im Profi-Bereich
Gegenüber der Hamburger Morgenpost skizzierte Hrubesch nun seinen Matchplan. Der von einer Vision geleitet ist: "Ich habe die Vorstellung, dass man in fünf, sechs Jahren acht bis zehn Spieler im Profikader hat, die aus dem HSV kommen." Ein ehrgeiziges Unternehmen.
"Es wird ein langer Weg sein", weiß auch Hrubesch nur allzu gut. Denn die jahrzehntelang praktisch brachliegende Nachwuchsarbeit ist eines der zentralen Probleme des Klubs. Erst mit dem drohenden (und schließlich konsumierten) Abstieg in Liga 2 bekamen Talente wie Matti Steinmann, Tatsuya Ito, Fiete Arp oder - schon in Liga zwei - Josha Vagnoman, Stephan Ambrosius oder Jonas David eine echte Chance, sich zu bewähren.
Spieler wie Heung-min Son oder Eric-Maxim Choupo-Moting hatten sich zu diesem Zeitpunkt längst größeren Klubs (aktuell Tottenham und Bayern München), mit besseren Perspektiven, angeschlossen. Hrubesch wehmütig: "Warum sind die alle nicht mehr da, warum hat man sie nicht halten können?"
Und legt gleichzeitig die Finger in die Wunde: "Das hat mich immer am HSV gestört. Und das sind die Dinge, wo wir uns hinterfragen und verändern müssen."
"Wir sind ein Ausbildungsverein!"
Hrubeschs aktuelle Analyse des Ist-Zustandes fällt schonungslos realistisch aus: "Wir sind ein Ausbildungsverein!" Doch genau darin sieht er auch die Chance für den Klub. Denn: "Wenn ich gut ausbilde, bekomme ich Leistung. Letztlich hängt alles an der Qualität der Trainer und des Trainings ab."
Dabei geht es dem 69-Jährigen sowohl um konkrete Basics wie Beidfüßigkeit und Kopfballspiel, aber auch um Freiräume, die man Talenten zugestehen müsse. "Ich mag keine Roboter, keinen Einheitsbrei. Ich freue mich über jeden Spieler, der oben ankommt. Aber wir bilden auch für die breite Masse aus."
Kontinuität auf der Trainer-Position besonders im Nachwuchsbereich extrem wichtig
Eine zentrale Rolle in seinen Plänen spielt dabei die Kontinuität. "Auch in Jugendbereichen wird oft der Trainer gewechselt, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Das wird bei uns nicht der Fall sein", gibt der Lange die Marschroute vor.
Mindestens drei Jahre sollte ein Trainer einer Mannschaft vorstehen. "Damit baut man Vertrauen und Bindung auf", erklärt Hrubesch. Die Verantwortung für die potentiellen Stars von morgen erstreckt sich dabei auch auf nicht-fußballerische Bereiche. "Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass auch die Schule gemacht wird. Wir müssen uns einer Verantwortung stellen."
Perspektivisch sieht er seinen Verein für eine bessere Verzahnung zwischen Nachwuchs und Profi-Bereich gut aufgestellt. "Die Durchlässigkeit bis hin zu den Profis ist bei uns gegeben“, urteilt der Nachwuchsleiter. Beispiele wie die von Vagnoman oder Ambrosius stehen dafür.
Dritte Liga als Unterbau
Ein weiteres Problemfeld stellt für Hrubesch die Spielklasse der Zweiten Mannschaft, aktuell in der Regionalliga Nord aktiv, dar. "Wenn der HSV in der Bundesliga und vielleicht auch mal wieder international spielt, wäre es gut, wenn man einen Unterbau in der Dritten Liga hat“, fordert er auch hier eine Verbesserung. "Druck und Spielweise sind dort anders, du hast mehr Zuschauer. Außerdem wäre der Sprung von der Dritten in die Erste Liga für Spieler nicht so groß."
Gedanken an seine Nachfolge
Selbst an die Zeit nach ihm denkt Hrubesch bereits. Denn, so Hrubesch, schmunzelnd: "Im April werde ich 70!" Für die Zeit nach Sommer 2023 (bis dahin läuft sein aktueller Vertrag!) müsse "irgendwann eine Übergabe geregelt werden“.
Doch bis dahin will er mit Feuereifer die vor ihm liegenden Aufgaben angehen. "Es macht mir riesigen Spaß. Warum soll es nicht noch ein paar Jahre gehen? Ich fühle mich gesund, komme wirklich jeden Tag mit einem Lachen zur Arbeit."