Hoffenheim: Die Entlassung von Schreuder war nicht zu verhindern - der Zeitpunkt ist jedoch fragwürdig

Vier Spiele vor Schluss hat sich die TSG Hoffenheim von Alfred Schreuder getrennt
Vier Spiele vor Schluss hat sich die TSG Hoffenheim von Alfred Schreuder getrennt / RONALD WITTEK/Getty Images
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Am Dienstagmorgen hat die TSG Hoffenheim die Reißleine gezogen. Die Kraichgauer trennen sich von Trainer Alfred Schreuder - mit sofortiger Wirkung. Interimstrainer Marcel Rapp soll die Saison beenden, nachdem eine weitere Zusammenarbeit mit dem Niederländer als unmöglich erachtet wurde. Dass sich Hoffenheim und Schreuder trennen, ist keine Überraschung - der Zeitpunkt allerdings fragwürdig.

Bei der TSG saß Schreuder erstmals als Cheftrainer auf der Bank. Seit Januar 2009 war er als Co-Trainer in der Fußballwelt unterwegs, assistierte unter anderem Steve McClaren und Michel Preud'homme bei Twente Enschede, Julian Nagelsmann in Hoffenheim und Erik ten Hag bei Ajax Amsterdam. Als Co gewann er je zweimal die niederländische Meisterschaft und den niederländischen Pokal, sein erster Versuch als Chef-Coach scheitert dagegen nach nicht einmal einer Saison.

Dass diese Saison keine einfache sein würde, war den Machern in Sinsheim bewusst. Der Kader wurde grundlegend umgekrempelt und mit Joelinton, Kerem Demirbay, Nadiem Amiri und Nico Schulz wanderten gleich vier Leistungsträger ab. Über 120 Millionen Euro hat die TSG eingenommen, fast die Hälfte davon in Neuzugänge reinvestiert. Wirklich überzeugen konnten bislang nur Sargis Adamyan und Robert Skov. Ihlas Bebou, Sebastian Rudy, Diadie Samassekou, Konstantinos Stafylidis sowie die Winter-Neuzugänge Munas Dabbur und Jacob Bruun Larsen haben allesamt dagegen aus unterschiedlichen Gründen noch kaum eine entscheidende Rolle gespielt.

Schreuder hat nicht funktioniert

Nach einem Horror-Start mit fünf Punkten aus sechs Spielen stellte sich Manager Alexander Rosen vor seinen Trainer, an diesem Dienstag lässt er ihn fallen. Offiziell wird von "unterschiedlichen Auffassungen in Detailfragen" gesprochen, doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Schreuders Spielphilosophie nicht gefruchtet hat. Acht unterschiedliche Formationen hat er in dieser Saison ausprobiert, doch zu häufig fehlte es an Spielwitz, Tempo und Torgefahr. Zu beobachten waren außerdem teils merkwürdige Experimente mit dem Spielermaterial. Flügelspieler Skov wurde zum Linksverteidiger umgeschult, Innenverteidiger Kevin Akpoguma agierte bei der 1:5-Klatsche gegen den FSV Mainz am zwölften Spieltag auf der linken Außenbahn, auch Rechtsverteidiger Pavel Kaderabek musste zwischenzeitlich auf dem Flügel aushelfen.

Viele Ideen, wenig Ertrag: Alfred Schreuder ist in Hoffenheim gescheitert
Viele Ideen, wenig Ertrag: Alfred Schreuder ist in Hoffenheim gescheitert / MARIUS BECKER/Getty Images

Unter Vorgänger Nagelsmann waren Partien mit Hoffenheimer Beteiligung ansehnlich. Es wurde schneller und ballbesitzorientierter Offensivfußball gespielt, Tore fielen auf beiden Seiten wie am Fließband. Am Ende der vergangenen Saison lag das Torverhältnis bei 70:52 - aktuell hat die TSG nur 42 Tore auf dem Konto, dafür aber schon Gegentore 50 kassiert. Die Ausbeute erinnert an Zeiten, in denen der Verein um den Klassenerhalt gekämpft hat.

Das gilt auch für die Punktzahl. Es fühlt sich an wie die Saison 2014/15, die Hoffenheim unter der Leitung von Markus Gisdol mit 44 Punkten und 49:55 Toren auf Platz acht beendet hat - in der Folgesaison drohte der Abstieg, erst Nagelsmann sicherte den Klassenerhalt.

Fragwürdiger Zeitpunkt

Der Re-Start ist mit acht Punkten aus fünf Spielen einigermaßen geglückt, doch vom 21. bis zum 27. Spieltag war Hoffenheim sieglos. Eine konstante Saison sieht anders aus; das hängt womöglich aber auch mit den vielen Verletzungen zusammen, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Saison ziehen. Allein Ishak Belfodil erzielte in der abgelaufenen Saison 16 Tore, konnte in dieser Spielzeit aber kaum mitwirken und fällt seit Monaten aus.

Es liegt also einiges im Argen, und dass Schreuder eine langfristige Zukunft in Hoffenheim haben würde, war nicht zu erwarten. Dennoch kommt die Trennung zu einem überraschenden Zeitpunkt. Hoffenheim befindet sich mitten im Kampf um einen Europapokalplatz - jetzt einen Trainerwechsel zu vollziehen, könnte Unruhe hineinbringen. Jedoch fürchtete man offenbar, einen der Europa-League-Plätze zu verspielen, wie Geschäftsführer Frank Briel durchklingen ließ. Man habe es in Anbetracht der sportlichen Situation als wichtig erachtet, sofort die Reißeleine zu ziehen "und für klare Verhältnisse zu sorgen".

Das kann, muss aber nicht funktionieren. Mit RB Leipzig und Borussia Dortmund warten noch zwei Spitzenmannschaften, die sich im Rennen um die Champions League befinden, dazwischen geht es gegen Union Berlin und den FC Augsburg. In diesen Spielen sind jeweils drei Punkte Pflicht, gegen Leipzig und Dortmund wäre etwas Zählbares dagegen nur ein Bonus.

Es ist nicht unbedingt zu erwarten, dass Hoffenheim plötzlich wieder aufdreht und selbst für die Top-Klubs der Liga gefährlich wird. Vielmehr scheint man der Auffassung zu sein, dass es keinen Sinn macht, das Saisonfinale mit Schreuder zu bestreiten, wenn er danach sowieso seine Koffer packen muss.