Hitzfeld hält Favre-Entlassung für einen Fehler: Ehrlich, Ottmar?
Von Guido Müller

Wenn da mal nicht "patriotische" Verbindungen über Loyalitäten zum einstigen Arbeitgeber gesiegt haben: Ex-BVB-Trainer Ottmar Hitzfeld, zwar kein gebürtiger Schweizer aber seit Jahrzehnten im südlichen Nachbarland (Engelberg, Kanton Obwalden) zumindest als Zweitwohnsitz lebend, hat jedenfalls deutliche Kritik an der Entscheidung seines früheren Klubs, Lucien Favre zu entlassen, geübt.
Gegenüber dem Blick sagte der 71-Jährige: "Ich finde es sehr schade, dass man ihm die Chance nicht gegeben hat, weiterzumachen. Ich bin überzeugt, dass Borussia Dortmund mit ihm über die Saison gesehen der härteste Bayern-Widersacher gewesen wäre."
Diese Überzeugung teilten die Bosse am Signal Iduna-Park offensichtlich nicht. Mehr als das: laut BVB-Präsident Reinhard Rauball soll selten zuvor soviel Einigkeit unter den Entscheidungsträgeren geherrscht haben, wie nun in der Causa Favre. "Die Entscheidung, jetzt zu reagieren und sich von Favre zu trennen, war nach Meinung aller Verantwortungsträger alternativlos", sagte Rauball gegenüber den Ruhr-Nachrichten.
Für Hitzfeld offensichtlich ein Fehler. Die Entlassung Favres sei "nicht gerechtfertigt, zumal man in der Champions League souverän als Gruppenerster das Achtelfinale erreicht" habe. "Ich bin überrascht", so Hitzfeld weiter, "dass Dortmund unter dem öffentlichen Druck eingeknickt ist. Es wäre besser gewesen, zumindest bis Ende Jahr cool zu bleiben. Auf mich wirkt das Vorgehen vorschnell."
Favre wirkte in Dortmund immer irgendwie fehl am Platz
Das dürften aber neben den Verantwortlichen des BVB auch viele Fans und selbst neutrale Beobachter etwas anders sehen. Gefühlt passte der mitunter etwas kauzig wirkende, feingliedrige Favre eigentlich nie in das deftige, rußverschmierte Ambiente des Kohlenpotts.
Favre konnte zu keinem Zeitpunkt seines Wirkens in Dortmund die Fans auf die gleiche emotionale Art und Weise hinter sich bringen, wie es Jürgen Klopp gelungen war. Allein: die oberflächlichen Zahlen (bester Punkteschnitt in der schwarz-gelben Trainer-Historie) gaben dem Schweizer vermeintlich recht.
Doch zuletzt war es dann ein bisschen viel der sportlichen Enttäuschungen. Die Tatsache, die Distanz zu den Bayern in den letzten Jahren nicht mehr verringert sondern eher vergrößert zu haben, sowie übervorsichtige Herangehensweisen des Trainers, auch gegen vom Papier her weitaus schlechtere Mannschaften, haben Favre eine Aura des Verlierers (wenn auch auf hohem Niveau) eingebracht.
Titel hat es jedenfalls unter seiner Ägide keine gegeben. Dafür mit unschöner Regelmäßigkeit zum Nachdenken anregende Auftritte wie jenes 0:3 zur Halbzeit gegen Paderborn oder das jüngste 1:5 gegen den Aufsteiger aus Stuttgart.
Hitzfelds Fehl-Argument "Champions League"
Und, bei allem gebotenem Respekt gegenüber der Expertise von Ottmar Hitzfeld, aber als deutscher Vertreter in einer Gruppe mit Lazio Rom, FC Brügge und Zenit St. Petersburg einen der ersten beiden Plätze zu belegen, erwartet man eigentlich von einem jeden in Europa aktiven Bundesligisten. Von der europäischen Spitze sind Laziali, Blauwzwart und Russen doch noch einiges entfernt.
Hitzfelds Fehl-Argument "junges Alter"
Auch ein weiteres Argument Hitzfelds, nämlich dass man, im Vergleich zu den scheinbar übermächtigen Bayern, als junge Mannschaft nicht "gleichzeitig das Gefühl haben" könne, "dass du Meister wirst", wirkt etwas bemüht.
Warum bloß habe ich, als langjähriger Beobachter des Fußballs, bei RB Leipzig, dessen Kader durchschnittlich sogar noch mehr als ein Jahr jünger ist, irgendwie schon das Gefühl, dass sie den Bayern in dieser Saison richtig in die Parade fahren können? Und die Leipziger sind erst seit wenigen Jahren ganz oben mit dabei.
Eigene Rückkehr in den Profi-Fußball ausgeschlossen
Dem in Hitzfelds Augen zu Unrecht gefeuerten Favre prognostiziert jener dennoch eine erfolgreiche Zukunft, egal in welcher Liga. Gerüchten über eine eigene Rückkehr auf den Trainer-Stuhl schob "der General" aber einen Riegel vor: "Nein. Ich geniesse den Ruhestand, es ist die schönste Zeit meines Lebens. Das ist kein Thema, nie mehr."