Bereit für die Revanche? Hier steht der FC Bayern vor dem Saisonstart
Von Dominik Hager
Der FC Bayern geht nach über einer Dekade erstmals als Herausforderer und nicht als Titelverteidiger in die neue Saison. Die Münchner haben das klare Ziel, Bayer 04 Leverkusen wieder vom Thron schubsen und wollen dies mit dem neuen Coach Vincent Kompany und dem ein oder anderen spannenden Neuzugang bewerkstelligen.
Ein frischer Wind soll durch die bayerische Landeshauptstadt ziehen und die Meisterschale am Saisonende am Marienplatz präsentiert werden. Am Sonntag gilt es für die Roten, den ersten Schritt zu machen, wenn das Bundesliga-Match gegen den VfL Wolfsburg ansteht. Doch wie gut sind die Münchner eigentlich für den Saisonstart gerüstet?
90min analysiert die Ausgangslage vor der anstehenden Saison.
So liefen die Testspiele
Datum | Begegnung |
---|---|
24. Juli | Rottach-Egern 1:14 FC Bayern |
28. Juli | 1. FC Düren 1:1 FC Bayern |
3. August | FC Bayern 2:1 Tottenham Hotspur |
10. August | FC Bayern 3:2 Tottenham Hotspur |
13. August | FC Bayern 3:0 WSG Tirol |
20. August | FC Bayrn 4:0 Grasshopper Zürich |
Der FC Bayern hat in den sechs Testspielen im Verlaufe der Sommerpause fünf Siege und ein Remis erzielt. Zunächst stand das jährliche Aufeinandertreffen mit Rottach-Egern im Rahmen des Tegernsee-Trainingslagers auf dem Programm, das wie gewohnt mit einem deutlichen Münchner Sieg endete. Etwas peinlich wurde es dann vier Tage später, als beim 1. FC Düren lediglich ein 1:1 raussprang. Das Testspiel resultierte aus einem Deal, den Bayern und Düren vereinbart hatten, als die Pokal-Begegnung im Jahre 2021 aufgrund der Corona-Pandemie nicht in Düren stattfinden konnte.
Nach dem kleinen Stolperer standen mit den beiden Matches gegen die Spurs die ersten echten Härtetests bevor. Durch die Rückkehr der meisten Nationalspieler steigerte sich auch das Niveau im Münchner Spiel. Der FC Bayern war in beiden Matches gegen Tottenham die spielbestimmende Mannschaft und gewann - wenn auch knapp - beide Spiele absolut verdient. Insbesondere Im Pressing-Verhalten konnte das von Kompany übernommene Team Highlights setzen, selbst wenn in der Defensive noch nicht alles stimmte.
Nach den Tottenham-Matches stand eine Partie gegen den österreichischen Bundesligisten WSG Tirol auf dem Programm. Mit einem eher unauffälligen und sachlichen Auftritt sicherten sich die Münchner einen ungefährdeten 3:0-Erfolg. Zwischen dem DFB-Pokal und dem Bundesliga-Start trat man gegen Grasshopper Club Zürich an und siegte deutlich mit 4:0.
So lief der Pflichtspiel-Auftakt im Pokal
Nach mehreren Pokal-Blamagen in den letzten Jahren präsentierten sich die Münchner beim Neu-Zweitligisten Ulm abgezockt. Durch zwei Treffer von Thomas Müller war die Angelegenheit schon relativ früh entschieden. Zwar blieb der FC Bayern im Anschluss nicht so druckvoll, wie sich das einige vielleicht erhofft hätten, ließ Ulm aber keine Chance. Die Joker brachten gegen Ende nochmal frischen Wind in die Partie, wodurch Kingsley Coman und Harry Kane auf 4:0 erhöhen konnten. Hervorzuheben waren insbesondere die präzisen vertikalen Zuspiele aus der Abwehr hinaus. Auf diese Weise konnten Josip Stanisic und Kim min-jae die Treffer zum 1:0 und 2:0 in die Wege leiten.
So lief die Transferphase: Das ist neu beim FC Bayern
Der FC Bayern hat mit Michael Olise, Hiroki Ito und Joao Palhinha drei Akteure verpflichtet, die klare Startelf-Ambitionen haben. Bei zwei von ihnen scheint es auch schon wirklich gut zu laufen. Olise hat bei den Olympischen Spielen bewiesen, dass er ein grandioser Kicker ist und bei seiner Einwechslung im Pokal gerade mal eine Minute gebraucht, um einen Treffer von Coman sehenswert vorzubereiten. Palhinha zeigte bei seinen ersten Auftritten vor allem gegen den Ball auf Anhieb, dass er genau das mitbringt, was sich die Münchner erwarten. Lediglich bei Hiroki Ito ist der Start durch seinen erlittenen Mittelfußbruch natürlich ordentlich schief gelaufen.
Neben den genannten Neuzugängen ist auch Josip Stanisic wieder zurück und wäre wohl die erste Wahl hinten rechts gewesen - durch einen Innenbandriss ist der Verteidiger jedoch wochenlang außer Gefecht gesetzt.
Für die ein oder andere Überraschung könnte Jung-Neuzugang Nestory Irankunda sorgen. Der Offensivspieler drängt wie Adam Aznou und die Leih-Rückkehrer Gabriel Vidovic und Arijon Ibrahimovic auf eine Chance bei den Profis.
Mindestens genauso relevant wie die vielen Neuzugänge dürfte jedoch der neue Coach, Vincent Kompany, sein. Der Belgier soll wieder Zug und Mentalität ins Team bringen und den Stars mächtig Feuer machen. Sein Spielstil ist geprägt von einem energischen Pressing-Verhalten und einem technisch feinen Ballbesitzfußball, der aber auch schnelle Kombinationen und lange Bälle nicht ausschließt.
Was spricht für einen guten Auftakt?
Die Stimmung beim FC Bayern scheint wieder wesentlich besser zu sein als zuvor unter Ex-Coach Thomas Tuchel. Dies haben zumindest die Eindrücke aus de Trainingslagern und Testspielen demonstriert. Durch die enorm enttäuschende Vorsaison dürfte die Bereitschaft nun wieder voll da sein, auch in den Bundesliga-Matches an die Leistungsgrenze zu gehen. Ein zweites Jahr ohne Titel wollen sich die Bayern definitiv nicht bieten lassen, weshalb schon zum Auftakt ein ganz anderer Zug drin sein dürfte.
Vielversprechend sind auch die fußballerischen Ansätze von Vincent Kompany. Die Spielfreude und die Arbeitsmoral gegen den Ball scheinen zudem wieder voll da zu sein. Der Belgier hat bereits einigen Stützen wie Thomas Müller und Joshua Kimmich, aber auch Wackelkandidaten wie Dayot Upamecano und Kim min-jae den Rücken gestärkt. Zudem ist er im Gegensatz zu Thomas Tuchel offenbar auch bereit dazu, Mathys Tel eine wichtige Rolle im Kader zu erteilen. Genau diese Rückendeckung dürften einige Profis zuletzt vermisst haben und lässt sie nun freier aufspielen.
Positiv für den FC Bayern ist natürlich, dass Olise und Palhinha wohl schon auf Anhieb helfen können. Der Portugiese ist die lange ersehnte Holding Six und Olise hat alles drauf, um die ohnehin schon starke Offensive noch unberechenbarer zu machen.
Wo deuten sich Probleme an?
Es ist für keinen Top-Klub leicht, nach einem großen Turnier im Sommer auf Anhieb top zu starten. Zahlreiche Bayern-Stars waren im Einsatz und konnten erst spät in die Vorbereitungen auf die neue Saison starten. Insbesondere wenn ein neuer Trainer mit einem neuen Konzept aufschlägt, benötigt es Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Das Team hatte schlichtweg noch nicht ausreichend Trainingseinheiten, um die geplanten Abläufe zu optimieren. Besonders schwer ist die Situation natürlich vor allem für Neuzugänge wie Joao Palhinha und Michael Olise, aber auch Leistungsträger wie Harry Kane und die DFB-Stars kamen spät zurück.
Der FC Bayern ist mit der Verpflichtung von Vincent Kompany selbstredend ein Risiko eingegangen. Der Belgier hat noch keinen Top-Klub trainiert, weshalb niemand mit Gewissheit sagen kann, ob die Zusammenarbeit funktioniert oder scheitert. Kompany scheint einen klaren Plan zu verfolgen, der aber auch ein wenig brauchen könnte, bis er aufgeht. Hinzu kommen enorm riskante Personal-Entscheidungen wie die Verkäufe von Noussair Mazraoui und vor allem Matthijs de Ligt. In diesem Zusammenhang kann auch das Festhalten an Upamecano und Kim als Risiko eingestuft werden. Die Abwehr dürfte angesichts von Personal und Taktik die Achillessehne werden. Problematisch ist auch, dass der FC Bayern den ein oder anderen noch loswerden möchte. Insbesondere die Causa Leon Goretzka hat ein gewisses Eskalationspotenzial.
Fazit
Grundsätzlich war schon im Vorfeld klar, dass der FC Bayern zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ansatzweise bei 100 Prozent sein kann. Dies lässt die Kombination "großes Turnier im Sommer & neuer Coach" schlichtweg nicht zu. Demnach muss einkalkuliert werden, dass zum Saisonstart noch nicht alles rund läuft.
Trotz allem sind die Grundlagen für einen erfolgreichen Start durchaus vorhanden. Es scheint ein frischer Wind durch das Team zu wehen und auch Vincent Kompany macht bislang einen guten Eindruck, den die Aussagen aus dem Team auch bestätigen. Die Testspiele und der Auftakt im Pokal haben Lust auf mehr gemacht - genauso wie die Neuzugänge.
Das größte Fragezeichen ist wohl die Abwehr. Zwar ist das Potenzial von Kim und auch Upamecano unbestritten, jedoch haben sich beide in der vergangenen Saison grobe Fehler geleistet. Ob sie diese abstellen können, ist völlig unklar. Demnach kann sich der Verkauf von de Ligt als grober Fehler erweisen. Auch der Weggang von Mazraoui könnte sich noch rächen, zumal die Kandidaten links und rechts hinten auch nicht über jeden Zweifel erhaben sind.
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