Herthas Transferfenster: Erfolgreich trotz zahlreicher Widrigkeiten

Die Hertha-Verantwortlichen: Michael Preetz, Bruno Labbadia und Arne Friedrich (v. l.)
Die Hertha-Verantwortlichen: Michael Preetz, Bruno Labbadia und Arne Friedrich (v. l.) / Maja Hitij/Getty Images
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Schon früh in diesem Sommer war klar, wie die Pläne von Hertha BSC für dieses Transferfenster aussahen: Knapp 50 Millionen Euro hatte Manager Michael Preetz maximal zur Verfügung, zunächst waren fünf Neuzugänge eingeplant - Torwart, Rechtsverteidiger, zentraler Mittelfeldspieler, Flügel- und Mittelstürmer sollten kommen. Die Realität gestaltete sich letztlich ein wenig anders, der Großteil der Transfers ging erst am gestrigen Deadline Day über die Bühne.

Die Baustelle im Tor wurde früh geschlossen

Alexander Schwolow stellte seine Qualitäten bereits unter Beweis
Alexander Schwolow stellte seine Qualitäten bereits unter Beweis / Sebastian Widmann/Getty Images

Gegen Ende der Saison 2019/2020 zeichnete sich bei Hertha BSC immer mehr ab, dass man für den Stammtorhüter der letzten Jahre so langsam einen Ersatz benötigte. Rune Jarstein, mittlerweile 36 Jahre alt, wurde in seinen Aktionen teilweise unsicherer und verschuldete auch das eine oder andere Gegentor. Nach einem erfolgslosen Anlauf bei Gregor Kobel konnte Hertha dann schon früh Alexander Schwolow aus Freiburg loseisen - und Schalke 04 vor der Nase wegschnappen.

Schwolow hatte zunächst einen schwierigen Start, im ersten Pflichtspiel der Saison gegen Braunschweig sah er bei zwei Gegentoren unglücklich aus - seitdem nähert sich Schwolow aber in großen Schritten seiner Freiburger Form an, neben seinen Paraden überzeugt er auch neben dem Platz mit realistischen Einschätzungen und Selbstkritik. Die sieben Millionen Euro sind für Hertha in diesem Fall wohl gut angelegtes Geld gewesen.


Die Abwehr - mehr Bewegung als geplant

Deyovaisio Zeefuik kam aus Groningen
Deyovaisio Zeefuik kam aus Groningen / Maja Hitij/Getty Images

Auch in der Hertha-Abwehr war schon zu Beginn der Transferperiode klar, dass Labbadia für seine Spielidee einen neuen Rechtsverteidiger benötigen würde. Mit Deyovaisio Zeefuik war schon früh klar, wen Hertha im Blickfeld hatte. Nach etwas zähen Verhandlungen mit dem FC Groningen bezahlte Hertha-Manager Preetz am Ende knapp vier Millionen Euro für den Neuzugang, der bei Hertha auch langsam anzukommen scheint.

Am Deadline Day kam es auch auf der Innenverteidiger-Position nochmal zu Veränderungen. Karim Rekik wollte man den Wechsel zum Champions-League-Teilnehmer FC Sevilla ermöglichen, da er auch bei Hertha nur als Back-Up eingeplant war. Als Ersatz kam für knapp 6,5 Millionen Omar Alderete aus Basel. Inwiefern dieser eine Verstärkung für Herthas bisher wackelige Defensive (13 Gegentore in 4 Spielen) darstellt, werden wohl die kommenden Wochen zeigen - Jordan Torunarigha fällt zunächst verletzt aus.


Das Zentrum: Bewegung erst kurz vor Ende

Der neue Hertha-Spieler Guendouzi
Der neue Hertha-Spieler Guendouzi / Pool/Getty Images

Weston McKennie, Tiemoué Bakayoko, Radja Nainggolan, Jeff Reine-Adelaide: Insbesondere im zentralen Mittelfeld wurden im Laufe der Transferperioden unglaublich viele Namen bei Hertha gehandelt. Am Deadline Day präsentierte Hertha dann noch zwei Neuzugänge, die wohl nicht ganz den ursprünglichen Erwartungen entsprachen. Eduard Löwen kehrte vorzeitig von seiner Leihe aus Augsburg zurück, dürfte aber auch eher als Rotationsspieler eingeplant sein. Im Gegenzug entsprach man dem Wechselwunsch von Arne Maier, der für ein Jahr zu Bundesliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld verliehen wird.

Mattéo Guendouzi ist da schon eher die Größenordnung, in der man sich einen Neuzugang für das Zentrum vorgestellt hatte. Der junge Franzose kommt zunächst aber nur ein Jahr auf Leihbasis von Arsenal, auch eine Kaufoption hat Hertha nicht. Trotzdem eine bessere Lösung, als letztlich in der kommenden Saison mit einem zu dünnen Kader dazustehen. Die sportliche Qualität, um Hertha zu helfen, bringt Guendouzi allemal mit, manchmal ist der junge Franzose etwas übermotiviert und zu emotional. Und vielleicht rechnet sich Hertha ja für den kommenden Sommer Chancen aus, Guendouzi fest zu verpflichten, sein Vertrag bei Arsenal hat dann nur noch 12 Monate Restlaufzeit.


In der Offensive passierte wenig

Schon zwei Tore erzielte Jhon Córdoba für Hertha
Schon zwei Tore erzielte Jhon Córdoba für Hertha / Boris Streubel/Getty Images

Bruno Labbadia hatte bereits zu Beginn der Transferperiode klar gemacht, dass er für das Sturmzentrum der Hertha neben Piatek gerne noch eine weitere Option hätte: Einen Zielspieler, der physisch präsenter agiere als der Pole. Mit Jhon Córdoba fand Manager Preetz ebendiesen Spieler beim Bundesliga-Konkurrenten, dem 1. FC Köln. 15 Millionen Euro bezahlte Hertha für den Kolumbianer, im Gegenzug wechselte Ondrej Duda nach Köln. In der vergangenen Saison hatte Córdoba 13 Bundesliga-Tore erzielt - und damit fast doppelt so viele wie Herthas bester Torschütze Dodi Lukébakio (7 Tore). An den ersten drei Spieltagen machte Córdoba so weiter, bereits zwei Treffer hat er auf dem Konto.

Eigentlich hatte Hertha ursprünglich wohl auch noch nach einem Flügelspieler Ausschau gehalten. Einen Neuzugang konnte man auf dieser Position allerdings nicht mehr verkünden - gut möglich, dass die Prioritäten im Schlusstohuwabohu auf dem Transfermarkt anders verteilt waren. Denn: In den ersten beiden Saisonspielen agierte Hertha im 4-Raute-2, einer Formation ohne Flügelspieler. Dementsprechend entschied man sich, mit vier Optionen (Lukébakio, Dilrosun, Cunha und Ngankam) in die Saison zu gehen.


Fazit des Transferfensters

Am Ende war es für Hertha sicher nicht die optimale Transferperiode: Nicht auf allen Positionen konnte man sich wie geplant verstärken, auch die Rückholaktion von Eduard Löwen wirkt eher dem Zeitdruck geschuldet. Trotzdem hat sich Hertha letztlich gut geschlagen: Man konnte alle dringenden Baustellen schließen, die bereits integrierten Neuzugänge (Schwolow und Córdoba) konnten auch direkt überzeugen. Außerdem ließ sich Michael Preetz in den Verhandlungen auch nicht über den Tisch ziehen, abzüglich der Einnahmen für die Abgänge investierte Hertha "nur" knapp 20 Millionen Euro. Für das Wintertransferfenster dürfte demnach auch noch genügend Geld verbleiben, bis dahin könnte sich die angespannte Marktsituation wieder mehr entspannnen.

Und auch wenn Hertha nicht auf jeder Position die Optimallösung gefunden hat, sollte bei der Bewertung der Blick auch zu anderen Bundesligisten schweifen, die sich mit der Verstärkung des Kaders ebenfalls extrem schwer taten. Herthas Mannschaft scheint für die Saison 2020/2021 gewappnet zu sein.