Hertha-Investor Windhorst: "Im schlimmsten Fall haben wir jetzt ein paar Monate verloren!"

Will die Alte Dame zu einem der Großen in Europa machen: Investor Lars Windhorst
Will die Alte Dame zu einem der Großen in Europa machen: Investor Lars Windhorst / Tristar Media/Getty Images
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Es ist ein allgemeines Mysterium, warum es in einer Metropole wie Berlin mit dem Erfolg der ansässigen Fußball-Vereine in den letzten Jahrzehnten partout nicht klappen will. Das fragte sich wohl auch vor eineinhalb Jahren der Unternehmer Lars Windhorst, als er mit seiner Firma Tenno Holding B.V. bei Hertha BSC einstieg.

Gegenüber der dpa legte Windhorst jetzt eine erste Bilanz dieser neuen Etappe für den Hauptstadt-Klub vor. In diese eingestiegen war er mit markigen Wortschöpfungen (Big City Club) - und dem Traum, den 1892 gegründeten Klub endlich dahin zu bringen, wo er dem Selbstverständnis vieler Berliner eigentlich hingehört: nämlich ganz nach oben.

"Fakt ist, dass der Begriff Big City Club beschreibt, dass Hertha der Fußball-Verein der größten Stadt Deutschlands ist. Berlin ist eine weltweite Marke, eine tolle Bühne und ein tolles Umfeld für einen Fußball-Club, um sich positiv und international zu entwickeln", skizziert Windhorst den Plan, den bisherigen "Erfolgen" der Berliner (Vize-Meisterschaft 1972, dritter Platz 1978) nun endlich auch Zählbares in Form von Titeln hinzufügen.

Wirklich geklappt hat das bislang noch überhaupt nicht. Dem ernüchternden zehnte Rang in der vergangenen Saison (punktgleich mit dem als Neuling in die Spielzeit gestarteten Stadtnachbarn aus Köpenick) folgte eine bislang noch enttäuschendere aktuelle Saison, in der die Herthaner nach dem 20. Spieltag in bedrohlich Nähe zu den Abstiegsrängen gerutscht sind.

Windhorsts langfristiger Plan mit Juventus als Modell

Der Befürchtung (oder Einschätzung) vieler Hertha-Fans, dass der Geldgeber schon bald wieder das Interesse an dem Projekt verlieren könnte, tritt der 44-Jährige energisch entgegen: "Es ist sehr langfristig angelegt. Wir können uns durchaus vorstellen, hier zehn, zwanzig, dreißig Jahre engagiert zu bleiben. Es gibt auch Beispiele, wo andere Unternehmen sich langfristig im Fußball engagiert haben, Juventus Turin zum Beispiel mit der Familie Agnelli", bemüht Windhorst auch hier wieder Vergleiche mit den ganz Großen der Branche.

Allein - die sportliche Entwicklung läuft den hochtrabenden Plänen weiterhin meilenweit hinterher. Für Windhorst war dies jedoch offensichtlich eingeplant: "Ich bin doch nicht mit der Erwartungshaltung eingestiegen, dass Hertha BSC zwölf Monate später einen Riesen-Börsengang hinlegt, Champions League spielt und ich mein Geld verdoppelt habe. Natürlich gab es gewisse Hürden, gewisse Dinge, die nicht so gelaufen sind, wie ich es mir erhofft hatte. Im schlimmsten Fall haben wir jetzt ein paar Monate Zeit verloren, das heißt aber doch nicht, dass die langfristigen Ziele nicht zu erreichen sind."

Nun ist der Profi-Fußball aber ein seltsames Gebilde, und bei der langfristigen Planung von Erfolg kommen allen, die sich daran versuchen, immer wieder die kurzfristigen Ereignisse (sprich: Resultate) in die Quere. Und wenn die über einen nur mittelfristigen Zeitraum ausbleiben, kommt schnell Unruhe auf. Gerade in einer traditionell aufgeregten Metropole wie Berlin.

Wie z.B. rund um das völlig gescheiterte Engagement des als Guru angekündigten Jürgen Klinsmann, der schon bald nach seiner pompös begleiteten Ankunft der Real-Entwicklung auf dem Platz Tribut zollen musste. Aber das bucht Windhorst offensichtlich unter "gewissen Dingen, die nicht so gelaufen sind" wie erhofft, ab.

Keine Gedanken an einen möglichen Abstieg

Sein Blick bleibt weiterhin auf den Gipfel gerichtet. Mit einem Absturz, gar in Liga 2, will er sich erst gar nicht beschäftigen. "Ich gehe fest davon aus, dass wir nicht absteigen werden. Deshalb denke ich gar nicht daran. Ich glaube fest an die Qualität der Mannschaft und an den Trainer, der es schafft, diese Qualität in eine geschlossene Einheit zusammenzuführen. Das werden wir in den nächsten Wochen schon sehen. Von daher stellt sich die Frage nicht."

Auch die auf mit ähnlichen Zielen (und im Versuch gescheiterten) Klubs abzielende Nachfrage der Presseagentur, beantwortet Windhorst mit der einfachen Losung: was nicht sein darf, kann auch nicht sein: "Fragen Sie mich, wenn es eingetreten sein sollte. Wird es aber nicht, warum sollte ich mich heute damit beschäftigen?"

Nun, vielleicht deshalb, weil auch der beste Plan A scheitern kann - und es dann hilfreich ist, einen Plan B zumindest in der Schublade zu haben. Dass im Plan A ein so bescheidener (und von den Dimensionen her gar nicht mit Hertha zu vergleichender) Klub wie Union eine schnellere Entwicklung nach oben genommen hat, als die Alte Dame, will der Investor denn auch gar nicht als Zeugnis der eigenen Unfähigkeit verstanden wissen.

Im Gegenteil: "Das ist beeindruckend. Mir zeigt es, wie schön emotional Fußball ist. Das ist positiv zu sehen, ärgert mich überhaupt nicht. Es ist für Berlin und Deutschland ein absoluter Gewinn, dass wir hier zwei große Vereine haben, die in der Bundesliga spielen. Ich würde mich freuen, wenn das langfristig so bleibt, dass wir einen intensiven Wettbewerb haben."

Windhorsts Plädoyer für eine Aufweichung der 50+1-Regel

Gefragt zu der bestehenden 50+1-Regel, nach der Vereine nicht mehr als 50 Prozent ihrer Anteile an externe Geldgeber veräußern dürfen, sagte Windhorst: "Das ist ein hoch emotionales Thema, das in Deutschland aktuell leider festgefahren ist. Dabei ist es nicht schwarz oder weiß. Klar, es gibt Beispiele, wo sich Investoren nicht hundertprozentig positiv für den Verein verhalten haben, sondern geschadet haben."

Es gäbe "aber auch viele Beispiele, bei denen es durch die Investoren positive Entwicklungen gegeben hat, die den Vereinen genutzt haben. Schauen Sie einmal nach Großbritannien, wo die Wahrnehmung der Investoren durch die Fans eine ganz andere, positivere, als in Deutschland ist. Ich würde mir wünschen, wenn mein Engagement bei Hertha, unsere Zusammenarbeit, langfristig einen positiven Einfluss auf diese Diskussion bei uns hätte."

Neuen Investitionen über das bisher vereinbarte Limit von 374 Millionen Euro hinaus, erteilt Windhorst auf kurzfristiger Ebene eine Absage: "Es ist nichts geplant. Wir werden Hertha BSC langfristig begleiten und werden alles, was in unserem Einflussbereich steht, dafür tun, dass dieses Projekt zum Erfolg führt. Wir haben uns definitiv nicht engagiert, um auf halber Strecke eine Niederlage einzustecken."