Hannover-Boss Kind spricht über den Umgang mit Spielern - Aufstieg als klares Ziel
Von Marcel Stummeyer
Martin Kind stand in den letzten Wochen mehrfach kontrovers im Fokus. Dem Klubboss von Hannover 96 wurde unter anderem ein unrühmlicher Umgang mit unerwünschten Spielern vorgeworfen. Im Gespräch mit der BILD relativierte der 76-Jährige diese Vorwürfe und gab einen sportlich-finanziellen Ausblick auf die kommende Spielzeit - mit dem Aufstieg als Ziel.
Hannover 96 durchläuft einen umfangreichen Umbruch. Nicht nur die Mannschaft wurde umgekrempelt, auch mit den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie muss man sich in der Landeshauptstadt Niedersachsens auseinandersetzen. Dennoch steckt man sich in Hannover ambitionierte Ziele: Mit dem im Ausland begehrten Trainer und noch mindestens zwei Neuverpflichtungen soll die Rückkehr in die Bundesliga gelingen.
96 finanziell Abgesichert - 10.000 Zuschauer als Wunschziel
Die BILD befragte den 96-Boss zur finanziellen Situation am Maschsee. Durch die Corona-Pandemie fehlen 96 - wie jedem anderen Verein auch - wichtige Einnahmen durch Ticketverkäufe und Sponsoren. Möglicherweise dürfen die Roten gegen den Karlsruher SC mit 500-1.000 Zuschauern starten, was Martin Kind trotz fehlender Wirtschaftlichkeit als positives Zeichen begrüßen würde. Zwar wünsche sich der Unternehmer, dass sogar 10.000 Plätze in der HDI-Arena besetzt werden dürfen, ein Anfang müsse jedoch gemacht werden.
"Unser Wunsch wäre es, wenn wir rund 10.000 ins Stadion lassen dürften – die entsprechenden Konzepte dafür liegen vor."
- Martin Kind, BILD
Die Frage der BILD, ob 96 die aktuelle Lage ohne großartiges Einkommen überleben könne, beantwortete Martin Kind mit beruhigenden Worten. Zwar würde Hannover momentan keinen Umsatz machen, da fast ausschließlich Geld durch Fernsehverträge und Fanartikel generiert würde - wenn der Worst-Case nicht eintreten sollte, könne 96 aber handlungsfähig bleiben. Im schlimmsten Fall müssten die Roten die komplette nächste Saison auf Zuschauer verzichten - dieses Szenario würde aber natürlich nicht nur Hannover 96 schwer treffen.
Auch die Suche nach Investoren gestalte sich aufgrund der aktuellen Situation deutlich schwieriger als sonst. Zwar gäbe es Gespräche, Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen.
Fall Zieler - Kind verbittet sich Vergleich zu Enke
Besonders für den Umgang mit Ron-Robert Zieler wurde Martin Kind scharf kritisiert. Der Unternehmer wählte vor einigen Wochen harte Worte, um zu untermauern, dass der Weltmeister von 2014 in Hannover unerwünscht ist. Unter anderem sprach der 96-Boss seinem Keeper die Bundesliga-Tauglichkeit ab. Mit Zieler im Tor wäre der Aufstieg kaum zu erreichen, so Kind damals.
Ein Spieler-Bündnis, das sich in Folge dieser Kritik formierte, zog Parallelen zu Robert Enke. Vor allem dieser Bezug schockierte Kind, der kritisierte, Robert Enke in diesem Zusammenhang ins Gespräch zu bringen. Es sei eine Unverschämtheit gewesen und hätte mit seriösem Journalismus nichts zu tun gehabt.
Man habe im Wohle des Spielers gehandelt, einen neuen Verein zu finden. Auch die Vertragsauflösungen mit Edgar Prib, Marvin Bakalorz und Felipe relativiert der 96-Chef im Interview mit der BILD. Die Abfindungen hätten zwar durchaus einen finanziellen Rahmen gefordert, sportlich wäre dies allerdings die vernünftigste Lösung gewesen. Die Trennungen seien fair und respektvoll abgelaufen.
96 als Plattform für Kocak - Trainer soll langfristig bleiben
Seit Amtsantritt von Kenan Kocak hat sich das Spiel von Hannover 96 deutlich gewandelt. Der 39-Jährige verlieh der Mannschaft neue Energie - eine enorme Leistungssteigerung war durch die Handschrift des Deutsch-Türken zu erkennen, was auch im Ausland nicht verborgen blieb. Laut der BILD sei vor allem der türkische Top-Klub Trabzonspor an Kocak interessiert.
An einen Abgang des aktuellen Übungsleiters möchte Kind allerdings nicht denken. Kocak fühle sich in Hannover sehr wohl und habe eine "tolle Plattform, sich zu entwickeln". Ein Abgang ist definitiv kein Thema.
Anpassung von Verträgen per Klausel möglich
Die BILD sprach im Interview mit Martin Kind auch die vertraglichen Veränderungen bestimmter Vereine auf die Pandemie-Situation an. Beim Hamburger Sport-Verein habe man sich beispielsweise auf eine Gehaltsobergrenze von 600.000 Euro verständigt, was laut Martin Kind für Hannover 96 in der Form jedoch keine Option sei. Eine Lohnsummen-Obergrenze bezogen auf den Umsatz sei eine Möglichkeit und man habe sich intern auf Zielgrößen verständigt, die bestenfalls nicht überschritten werden. Käufe von Qualitätsspieler seien durch Obergrenzen allerdings nur schwer zu realisieren.
Bestimmte Klauseln, bezogen auf besondere, unverschuldete Vorkommnisse, habe Hannover 96 in den Verträgen der neuen Spieler eingebaut. Bezogen auf Krisensituationen würden die Arbeitspapiere der Akteure angepasst. Besonders in Detail gehen wollte Kind aber nicht.
Aufstieg als Ziel - ein paar Neue sollen noch kommen
Das Saisonziel von Hannover 96 definierte Kind dagegen klar: "Wir wollen aufsteigen!" Mit dieser Zielsetzung sei man sich in Hannover ausnahmslos einig.
Mit der bisherigen Zusammenstellung des Kaders zeigte sich Kind allgemein zufrieden. Der 76-Jährige betonte, dass ich die Mannschaft sehr selbstbewusst und leistungsbereit präsentiere - "mindestens zwei, wahrscheinlich drei" Spieler sollen aber noch an die Leine wechseln. Nach acht ablösefreien Zugängen wurde am gestrigen Freitag Flügelspieler Patrick Twumasi offiziell vorgestellt - als erster Akteur, für den 96 in der aktuellen Transferphase Geld bezahlte. Aber wahrscheinlich nicht als letzter.