Handspiel von Ilsanker: Elfmeter für Gladbach oder "keine Absicht"?

Stefan Ilsanker war an gleich zwei strittigen Szenen beteiligt
Stefan Ilsanker war an gleich zwei strittigen Szenen beteiligt / RONNY HARTMANN/Getty Images
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Am vergangenen Spieltag konnte die Borussia einen starken 4:0-Heimsieg über die Mannschaft von Eintracht Frankfurt. Erstaunlich war, dass dabei kein einziger Treffer per Strafstoß erzielt wurde.
Denn gleich drei strittige Szenen sorgten für Aufregung, mindestens einmal hätte Schiedsrichter Deniz Aytekin wohl auf den Punkt zeigen müssen - dennoch hat sich der Unparteiische keinen Vorwurf zu machen.


Letztlich kann es der Borussia ziemlich egal sein, dass man gegen Frankfurt keinen Elfmeter zugesprochen bekam. Das 4:0 spiegelte die Kräfteverhältnisse zwar nur bedingt wider, doch der Sieg gegen die Hessen war in jedem Fall hochverdient.

Bei einem anderem Spielverlauf hätten diese Entscheidungen jedoch, nicht zum ersten Mal, für Gesprächsbedarf gesorgt. Deshalb nehmen wir uns die drei auffälligsten Szenen noch einmal vor und geben eine Einschätzung ab.

Zu wenig bei Thuram

In der 20. Spielminute gab es den ersten Aufreger, als Marcus Thuram im Laufduell mit Frankfurts Evan N'Dicka im Strafraum der Gäste zu Fall kam. Schiedsrichter Aytekin ließ hier zurecht weiterspielen, auch wenn Gladbachs Vize-Präsident Rainer Bonhof in der Halbzeitpause auf dem Sky-Monitor klar darauf hinwies, in welchem Moment N'Dicka "den Hintern reindreht".

Doch Thurams grundsätzliches Verhalten in diesen Situation hat sich sicherlich auch bis zu Aytekin herumgesprochen. Der Franzose sucht im Prinzip jede Möglichkeit, einen Strafstoß zu provozieren. Dabei kann man ihm keine Fallsucht vorwerfen, doch mit dieser "Cleverness" holte Tikus bereits mehr als eine Handvoll Strafstöße für die Borussia heraus.

Marcus Thuram, Evan Ndicka
Marcus Thuram und Evan N'Dicka lieferten sich einige Zweikämpfe / Pool/Getty Images

Doch im Spiel gegen Frankfurt war es zu eindeutig, was Thuram vorhatte. Bis zum letzten Moment war N'Dicka näher am Spielgerät als der Gladbacher. Thuram sprang dann mehr in den Frankfurter rein, als dass dieser aktiv ein Foul begangen hätte. Hier keinen Strafstoß zu geben, war auch mit der Fan-Brille auf der Nase eine völlig vertretbare Entscheidung.

Ilsanker mit angelegtem Arm

In der 54. Minute schoss Neuhaus auf den Frankfurter Kasten, doch Stefan Ilsanker warf sich in den Abschluss des Gladbachers und klärte den Ball. Diesmal gab es sogar eine Überprüfung, doch das Bildmaterial zeigte, dass Ilsanker bei seiner Aktion sehr penibel darauf achtete, seinen Arm eng am Körper angelegt zu präsentieren. Gladbachs Trainer Marco Rose legte sich daraufhin mit Aytekin an, der jedoch in gewohnt souveräner Manier den Diskurs suchte und Rose damit ohne Mühe zurechtwies.

"Ich habe nach dem Spiel mit ihm gesprochen und kann jetzt seine Argumentation nachvollziehen. Ich habe die zweite Szene während der Partie falsch wahrgenommen, der Arm war doch angelegt. Bei der ersten Szene war schon viel Hand dabei", sagte Rose nach der Partie (Quelle: Bild) und verwies dabei auf die Szene der Partie, die genau aufzeigte, was mit der Hand-Regel nicht stimmt.

Ilsanker macht es Bruna "gleich" - Aytekin hat die Regel (noch) auf seiner Seite

Denn gemeint war die Aktion in der 37. Minute, als Ramy Bensebaini den Ball von links halbhoch in den Frankfurter Strafraum donnerte. Die Kugel prallte von Ilsankers Oberschenkel erst an den rechten Arm, um dann für einen kurzen Moment quasi zwischen beiden Armen des Österreichers zu verweilen.

Ein bisschen fühlte man sich an die Szene aus dem Vorrundenspiel bei der Weltmeisterschaft der Frauen 2011 erinnert, als Äquatorialguineas Abwehrspielerin Bruna gegen Australien kurzzeitig den Ball durch den eigenen Strafraum trug - ein Pfiff bleib auch damals aus.

Während jeder Gladbacher einen Elfmeter forderte, gab Aytekin nach Betrachtung der Aufnahmen jedoch keinen Strafstoß. "Aytekin hat mir aber erklärt, dass der Ball vorher am Oberschenkel war, das Handspiel also straffrei bleiben musste. Im Moment sind die Hand-Regeln auch nicht so einfach für die Schiris", gab sich Rose nach dem Spiel verständnisvoll.

Denn so absurd es klingt, Aytekin hatte in dem Moment die von Rose genannte Regel auf seiner Seite und deshalb kann man hier nicht von einer Fehlentscheidung sprechen. Anders als jedoch im Falle des Dortmunders Emre Can, der wenige Tage zuvor in der Königsklasse gegen Manchester City einen Elfmeter verursachte, welcher aufgrund genau dieser Regelung niemals hätte gepfiffen werden dürfen, hätte Aytekin durchaus seine Regeltreue für einen Moment hinten anstellen können.

Marco Rose, Deniz Aytekin
Deniz Aytekin nimmt sich die Zeit für das Gespräch mit Rose / INA FASSBENDER/Getty Images

Rose hat Recht, wenn er auf die Schwierigkeiten im Bezug auf zu ahnende Handspiele verweist. Hätte Ilsanker im Gladbacher Strafraum den Ball ebenso behandelt, hätte ein mögliches Tor für Frankfurt nicht zählen dürfen. Wäre dem Frankfurter dieses Missgeschick zwischen den beiden Strafräumen passiert, hätte es wohl Freistoß für die Borussia gegeben.

Die Grundproblematik für die Unparteiischen und auch alle anderen Beteiligten ist, dass dieselbe Aktion unterschiedlich bewertet wird, abhängig von dem stattfindenden Ort. "Natürlich sieht das jeder, dass das Hand ist. Aber die Frage ist immer die gleiche: War das Absicht, war das keine Absicht, ist das eine natürliche Bewegung, woher kam der Schuss, kam er aus kürzester Distanz, oder hatte er die Chance gehabt, die Hände wegzunehmen", urteilte Urs Meier am Sonntag nach der Partie im Sport1 Doppelpass.

Doch Absicht hin, anderes Körperteil her: Ilsanker hält den Ball, wenn auch nur für einen Augenblick, klar mit beiden Armen fest. Arme, die nicht hinter dem Körper verschränkt waren. Arme, die in der Situation aktiv in Richtung Ball gehen, wenn auch als Folge einer natürlichen Bewegung.

"Einfacher wäre es, du würdest pfeifen, dann hätte er keine Diskussion gehabt. Deniz, mit seinem Fußballverstand und seiner Erfahrung, hat das anders entschieden", wollte Urs Meier es sich nicht gänzlich mit den Gladbacher Anhängern verscherzen.

Aytekin hätte bei einem Pfiff weit weniger Widerstand zu erwarten gehabt, doch entschied er sich aufgrund der ausufernden Richtlinien im Bezug auf Handspiele dagegen. Der DFB versprach unlängst eine erneute Reform dieser Regel, Ilsankers Aktion darf dabei gerne als Lehrvideo vorgeführt werden.