Hamanns kuriose Thiago-Kritik mündet in einen Shitstorm
Von Dominik Hager
Der FC Liverpool hat das Champions-League-Finale gegen Real Madrid ziemlich unglücklich mit 0:1 verloren. Wie nach jeder Final-Niederlage ist es üblich, dass der ein- oder andere Top-Star an den Pranger gestellt wird. Sky-Experte Didi Hamann hat es diesmal ganz besonders auf Thiago abgesehen.
Für die einen gehört Thiago Alcantara zu den brillantesten Mittelfeldspielern der Gegenwart, während ein gewisser Didi Hamann den Spanier einfach nur für überschätzt hält.
"Er ist für mich einer der am meisten überbewerteten Spieler im europäischen Fußball. Wenn es läuft und du viel Ballbesitz hast, ist er ein guter Spieler, aber wenn es hart auf hart geht, sieht man nichts von ihm", kritisierte Hamann lautstark.
Mit diesem Zitat löste Hamann einen regelrechten Shitstorm aus. Kommentare wie "Und wieder nur Quatsch von Hamann", "Spätestens jetzt sollte man bemerken, dass Hamann absolut gar keine Ahnung von Fußball hat" oder "Der kann sich doch selber nicht mehr ernst nehmen" waren noch die nettesten.
Tatsächlich muss man sich die Frage stellen, wie Hamann zu einer solchen Einschätzung kommt? Ist es etwa Neid, weil Hamann zu seiner aktiven Zeit zwar ein zweikampfstarker und abgezockter Profi war, spielerisch aber nicht besonders glänzen konnte oder einfach nur eine sehr alternative Einschätzung?
Thiago voll in Liverpool angekommen: Grandiose Leistungen in allen Wettbewerben
Es ist zwar absolut richtig, dass Thiago nach seinem Wechsel von Bayern zu Liverpool so seine Probleme hatte, jedoch lag dies auch an mehreren Verletzungen und der Tatsache, dass bei den Reds im Vorjahr einiges im Argen lag. In der Rückrunde der abgelaufenen Saison spielte der frühere Münchner aber wieder großartig.
Seine technische und spielerische Brillianz, sein gutes Pressing und seine Dominanz im Mittelfeld, versetzten die Fans immer wieder ins Staunen. Thiago in Form ist wohl so ziemlich der kompletteste Mittelfeldspieler, den es derzeit gibt und wird auch defensiv massiv unterschätzt. Der Spanier ist keineswegs ein Schönwetterspieler, sondern schon auch einer, der mal dazwischengrätschen kann.
Dies zeigte er auch wieder in der gerade abgeschlossenen Champions-League-Saison. Beim 2:0 im Halbfinale gegen Villarreal brachte Thiago 96 Prozent seiner Pässe und dabei alle seine neun langen Pässe an. Dafür bekam er vom kicker zu Recht die Note 1,5. Im Finale war der Spanier dann ebenfalls wieder einer der besten Reds und erhielt trotz der Niederlage eine 2. Thiago hatte trotz seiner Auswechslung nach 77 Minuten die zweitmeisten Ballaktionen, brachte 95 Prozent seiner Pässe an den Mitspieler und bereitete zwei Torchancen vor. Die Tatsache, dass Liverpool 24:4 Abschlüsse hatte, zeigt, dass Thiago seinen Job erfüllt hat. Das Leder über die Linie zu befördern ist dann doch eher die Aufgabe von Mané, Salah und Co.
Man darf auch nicht vergessen, dass die Reds mit dem FA-Cup und dem Ligapokal zumindest zwei Titel an Land ziehen konnten. Hierbei war unter anderem auch Thiago ein Faktor. So verwandelte er im FA-Cup-Finale gegen Chelsea im Elfmeterschießen souverän und bestritt mit Abstand am meisten Zweikämpfe aller Liverpool-Spieler. Bereits im Halbfinale gegen Man City zählte Thiago zu den absoluten Schlüsselspielern. Beim 3:2-Erfolg gewann er zehn von elf Zweikämpfen, brachte 90 Prozent seiner Pässe an den Mann und bereitete einen Treffer vor. Dies zeigt doch ganz klar, dass das Spiel von Thiago nicht nur schön anzusehen, sondern auch überaus effektiv ist.
Trotz Kritik: Thiago mit großen Titeln und Momenten beim FC Bayern
In seiner Zeit beim FC Bayern München hielten ihn tatsächlich auch einige andere Experten vor, dass er kein Mann für die großen Spiele sei. Dies stimmt aber auch nur in Teilen. Beim Champions-League-Finale gegen Paris Saint-Germain spielte der Spanier überragend gut und war definitiv einer der Hauptbeteiligten am Titelgewinn. Mit 60 Prozent gewonnenen Zweikämpfen, einer 88-prozentigen Passquote, zwei Torschussvorlagen und den meisten Ballaktionen sprechen auch hier wieder die Statistiken klar für ihn.
Doch auch vier Jahre zuvor hat Thiago schon bewiesen, dass er Spiele sogar mit ganz wichtigen Treffern entscheiden kann. Beim 4:2 n.V. gegen Juve 2016 war es der Mittelfeld-Zauberer, der mit seinem 3:2-Treffer in der Verlängerung die Zeiger in die richtige Richtung stellte.
Letztlich zeigen all diese Beispiele, dass sich eher mal Didi Hamann Gedanken darüber machen sollte, ob nicht sein Arbeitgeber Sky ihn als Experte überschätzt. Sollte der Pay-TV-Sender sich auch irgendwann wundern, was der frühere Mittelfeldspieler manchmal von sich gibt, sind seine Zukunftsaussichten wohl nicht gerade prickelnd. Die Zuschauer würden ihn definitiv nicht vermissen, wie die Reaktionen im Netz ganz klar zeigen.
Wen man jedoch sehr wohl vermisst, ist allerdings Thiago - zumindest wenn man es mit dem FC Bayern hält. Zwar hat der Klub mit Kimmich und Goretzka ein funktionierendes Mittelfeldzentrum, die Spielkunst hat aber definitiv unter dem Abschied des Spaniers gelitten. Schnelles Kurzpassspiel, gelungene Kombinationen, tolle Ideen auf engem Raum und gelungene Kabinettstücken sieht man heutzutage seltener. Auch die Struktur im Spiel ist nicht mehr in der Form gegeben wie zu Thiago-Zeiten. Es gibt wohl ohnehin keinen Zweifel, das Thiago zu den besten Technikern aller Zeiten beim FC Bayern gehört. Alles im allem gehört er aber auch zu den stärksten und effektivsten zentralen Mittelfeldspielern, die je in München gekickt haben.
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