Größere Kader, geringerer Spielfluss: Wie 5 Auswechslungen den Fußball verändern könnten
Von Florian Bajus

Auch in der Saison 2020/21 sind fünf Auswechslungen pro Spiel erlaubt. Die Sonderregel hilft allen voran den Spielern, das anstrengende Jahr zu überstehen, auf lange Sicht stehen aber vor allem negative Aspekte im Vordergrund. Neben der Struktur des Spiels könnte sich auch die Struktur der Kader grundlegend verändern - zum Nachteil derer, die schon jetzt mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Das International Football Association Board (IFAB) hat sich dazu entschieden, an fünf Auswechslungen pro Spiel festzuhalten. Sofern die Profi-Klubs der 1. und 2. Bundesliga dem zustimmen, könnte diese Regel auch in Deutschland Bestand haben. Jedoch sollte diese auch nur für die Ausnahmesituation, in der sich der Sport seit vielen Monaten befindet, gelten.
Trainer und Spieler können in der extrem kräftezehrenden Phase durchatmen. Denn fünf Auswechslungen erlauben eine präzisere Belastungssteuerung - und die ist besonders für Nationalspieler von großer Bedeutung. So muss die deutsche Nationalmannschaft beispielsweise acht Länderspiele im Zeitraum von September bis November bestreiten, zusätzlich werden im August die Europapokalwettbewerbe zu Ende gespielt, im September beginnt die Bundesligasaison 2020/21 sowie der DFB-Pokal und im Oktober beginnt die neue Europapokalsaison.
Auf alle Spieler wartet eine extreme Belastung, die die Grenzen sprengt. Daher muss diese Regel auch für die kommende Saison gelten. Sobald aber eines Tages wieder Normalität herrscht, gilt es, das Wechselkontingent wie gehabt auf drei Spieler zu reduzieren. Ansonsten droht die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderzugehen, weil große Teams wie hierzulande der FC Bayern oder Borussia Dortmund aufgrund der weitreichenden finanziellen Möglichkeiten bevorzugt werden. Selbiges gilt für Mannschaften in England, die in den vergangenen Jahren auf Shopping-Tour gegangen sind und unermessliche Summen an Vereine und Spieler gezahlt haben.
Der Spielfluss würde massiv gestört
Wer viel Geld hat, hätte einen noch größeren Vorteil. Das fürchtet auch Oliver Ruhnert, Geschäftsführer von Union Berlin: "Es ergibt keinen Sinn, die stärkeren Vereine noch mal zu stärken, indem sie fünf bessere Spieler reinbringen können als die anderen", sagte Ruhnert laut kicker. Werder Bremens Cheftrainer Florian Kohfeldt stört derweil der Einfluss auf das laufende Spiel: "Ich finde den Eingriff ins Spiel zu gravierend, wenn man fast die halbe Mannschaft austauschen kann", so der 37-Jährige.
Für Heiko Herrlich, seinerseits Cheftrainer des FC Augsburg, klingt das allerdings verlockend: "Du hast noch mehr Möglichkeiten, taktisch etwas zu ändern. Du kannst theoretisch beide Außenbahnen tauschen und zwei neue Stürmer bringen. Das Spiel verändert sich dadurch total." Mannschaften könnten fortan also bei einer Führung die gesamte Grundformation ändern und mit massiv verändertem Personal den Beton anrühren, oder aber bei Rückstand auf volle Offensive setzen und höchstes Risiko eingehen. Das ist seit vielen Jahren gängige Praxis, kann nun aber in einem deutlich größeren Rahmen vollzogen werden.
Mit den vielen Wechseln geht jedoch ein Bruch im Spielfluss und der Dynamik einher - etwas, das besonders in Testspielen, bei denen regelmäßig die halbe Mannschaft ausgetauscht wird, zu beobachten ist. Fußballspiele könnten in Zukunft also mehrere Facetten haben und deutlich variabler werden - allerdings nur, wenn dafür das richtige Personal vorhanden ist. Das große Wettrüsten hätte wieder negative Auswirkungen auf den Transfermarkt, denn aufgrund der größeren Nachfrage dürften Spieler noch teurer werden. Der Trend der vergangenen Jahre würde also fortgesetzt - es wäre das genaue Gegenteil von dem, was im Zuge der Corona-Krise gefordert wurde.