Gladbachs Patrick Herrmann exklusiv: "Wir kommen da nur gemeinsam raus!"
Von Christian Gaul

Seit nunmehr 13 Jahren trägt Patrick Herrmann das Trikot der Borussia, kaum ein anderer Spieler verkörpert dermaßen den sagenhaften Aufstieg der Gladbacher in der letzten Dekade. Vom Abstiegskampf bis zur Champions League hat der mittlerweile 30-Jährige alle Facetten des Lebens als "Fohlen" hautnah erfahren.
Die aktuelle Ergebnis-Krise der Mannschaft empfindet das Urgestein als notwendiges Übel der eigenen Erfolge in den letzten Jahren, dennoch ist er sich sicher, dass die Mannschaft sich aus dem Tief befreien wird. Bei dieser Aufgabe und den generellen momentanen Lebensumständen hilft in den Augen Herrmanns besonders eines: Zusammenhalt.
Im Juli 2008 wechselte Patrick Herrmann aus der Jugend des 1. FC Saarbrücken in die U19 der Borussia und blieb der Raute seitdem treu. Bislang sammelte er 356 Pflichtspiel-Einsätze für Gladbach und ist damit der Rekordhalter unter den noch Aktiven. Im Gesamtranking hat er dabei unlängst Günter Netzer (349 Einsätze) überholt und steht nun auf Rang acht.
Im schnelllebig gewordenen Fußball-Zirkus stellt Herrmann, der sich auch den Spitznamen "Flaco" aneignete, damit in gewisser Weise eine Rarität dar, die absolut zur familiären und bewusst gegen viele scheinbare Gesetzmäßigkeiten ankämpfende Atmosphäre der Borussia passt.
Mehrere schwere Verletzungen in den vergangenen Jahren verhinderten wohl eine noch größere Karriere, doch Flaco gab sich nie auf und zählte auch in der laufenden Saison zum erweiterten Kreis der Gladbacher Stammspieler.
Dass er dabei oft als Joker zum Einsatz kam, stellt den immer noch ehrgeizigen Flügelspieler natürlich nicht zufrieden, doch kann er seine Rolle aufgrund der Konkurrenz im Kader akzeptieren. Vielmehr ist es ihm wichtig zu betonen, dass es nie um Einzelschicksale geht, sondern immer um den übergeordneten Erfolg der Gemeinschaft - nicht nur im Bezug auf seine sportliche Situation.
Herrmann ordnet sich dem Erfolg unter - Fokus auf Augsburg und Manchester City
Dass die Borussia aktuell sechs ihrer letzten sieben Pflichtspiele verloren hat, ist ein Umstand, den auch Herrmann selbstredend nicht nur schulterzuckend zur Kenntnis nimmt. "Die letzten Ergebnisse sind natürlich alles andere als schön oder zufriedenstellend. Doch es gibt leider immer wieder solche Phasen im Fußball. In der jüngeren Vergangenheit ging es bei uns stetig bergauf und auch deshalb wiegt diese momentane Phase noch schwerer", ordnet Herrmann die Situation ein.
Dabei will er jedoch nicht den Kopf hängen lassen und verspricht: "Wir wollen und werden schnellstmöglich wieder Erfolge feiern!"
Er selbst sieht sich dabei als stets bereit, seinen Teil zu leisten - auch wenn es als Option von der Bank ist. "Ich bin fit und sofort da, wenn die Mannschaft mich braucht. Ich bin keiner, der sofort zum Trainer rennt und sich beschwert, wenn er nicht in der Startelf steht. Klar ist es schwierig, mit wenig Spielzeit zufrieden zu sein, doch wenn man sich unseren Kader anschaut und auch taktische Überlegungen berücksichtigt, muss ich es akzeptieren. Denn dem Erfolg der Mannschaft muss sich jeder einzelne Spieler unterordnen", zeigt Herrmann Verständnis.
Besonders die letzten Auftritte gegen eine Reihe von Top-Teams machen dem zweifachen deutschen Nationalspieler Mut, bald wieder Siege einzufahren. "Wir können nicht immer jedes Spiel gewinnen. In den letzten Partien war unsere Leistung jedoch nicht total unterirdisch, wir waren oft auf Augenhöhe. Wir müssen nun hart daran arbeiten, uns wieder zu belohnen", gibt Herrmann die Richtung vor.
Am Freitag steht bereits das Liga-Duell bei den unbequemen Augsburgern auf den Plan. Bestmöglich soll dort wieder dreifach gepunktet werden. "Gegen Augsburg ist es immer eine Frage der Einstellung. Sie sind sehr kampfbetont, ziehen viele Sprints und suchen die Zweikämpfe. Da hilft dir ein feines Füßchen nur selten. Wir müssen uns im Vorfeld mental darauf einstellen und im Spiel dann von der ersten Sekunde an die richtige Einstellung präsentieren. Wir dürfen nicht zurückziehen und müssen dagegenhalten", fordert Herrmann seine Kollegen auf, sich in Augsburg nicht den Schneid abkaufen zu lassen.
Nur wenige Tage später steht dann das Rückspiel im Achtelfinale der Champions League gegen Manchester City an, welches wieder in Ungarn stattfinden wird. "Jetzt spielen wir erneut in Budapest und müssen es einfach so nehmen, wie es gekommen ist", will Herrmann die erneute Verlegung nicht überbewerten.
Dabei sieht er die Borussia trotz der 0:2-Niederlage aus dem Hinspiel nicht chancenlos. "Wir haben im ersten Spiel gesehen, dass es einfach eine Weltklasse-Mannschaft ist, die aktuell dazu noch einen unfassbaren Lauf hat. Doch wir fahren nicht dahin, um uns zu ergeben. Im Hinspiel haben wir es defensiv ganz ordentlich gemacht. Allerdings ließen wir dort einige gute Umschaltaktionen liegen, weil wir nicht genau genug waren oder falsche Entscheidungen getroffen haben. In erster Linie wird es wieder darum gehen, stark zu verteidigen und dann konsequent und regelmäßig unsere Chance zu suchen", hat Flaco den Einzug in das Viertelfinale noch längst nicht abgehakt.
Es bedarf seiner Meinung nach einer geschlossenen Leistung der Mannschaft, um die aktuelle Krise zu überstehen - ein Leitsatz, den er auch auf die Umstände der Pandemie angewandt wissen will.
Zusammenhalt als große Kraft in schwierigen Zeiten
Denn neben seiner Tätigkeit als professioneller Sportler ist auch Patrick Herrmann in erster Linie ein Mensch, der trotz seines Privilegs die Auswirkungen der Pandemie am eigenen Leib erfährt. "Natürlich bin ich froh, in der aktuellen Situation weiter meinem Beruf nachgehen zu können. Viele andere Menschen leiden weitaus mehr unter der aktuellen Situation, als wir in unserer Blase. Doch bei mir ist es auch so, dass ich zwar die wenige freie Zeit liebend gerne mit meiner Familie verbringe, doch ganz alltägliche Dinge, wie ein Grillen auf der Terrasse mit Freunden, sehr vermisse", sehnt sich auch Herrmann nach ein wenig Normalität.
Die Corona-Krise zu überstehen verlangt für ihn ebenso einen Zusammenhalt der Menschen, wie die Bewältigung der aktuellen sportlichen Situation bei der Borussia. Dabei richtet er sich auch an die Anhänger, die rund um den Wechsel des Cheftrainers Marco Rose und dem zeitgleichen Ausbleiben von Ergebnissen der Mannschaft enttäuscht sind.
"Im Endeffekt geht es nur zusammen, in guten und in schlechten Zeiten. Damit meine ich nicht nur innerhalb der Mannschaft, auch das Umfeld ist gefragt. Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um wieder gemeinsame Erfolge feiern zu können", will Herrmann die Fans ins Boot holen.
Denn sollten die Pforten des Borussia Parks wieder für Zuschauer geöffnet werden, darf man sich wohl auf ein emotionales Highlight freuen.
"Leider hat man sich an die leeren Stadien mittlerweile ein wenig gewöhnt, doch merke ich bei jedem Spiel, bei jedem Training oder wenn wir mit dem Mannschaftsbus ins Stadion kommen, dass ein ganz entscheidender Faktor fehlt. Wir alle müssen jetzt Hand in Hand alles dafür tun, dass wir die Situation bewältigen. Dann wird mit Sicherheit bald der Tag kommen, an dem wir uns im Stadion wiedersehen. Und was dann los sein wird, dass kann man sich jetzt nicht mal im Ansatz vorstellen", blickt Flaco erwartungsvoll in die hoffentlich nahe Zukunft.