Erleichterung statt Wehmut in Gladbach - Authentizität muss wieder das Ziel sein
Von Christian Gaul
Die Borussia steht vor ihrem letzten Heimspiel in der Zeit mit Trainer Marco Rose. Auch wenn der 44-Jährige und sein Sportdirektor auf die verbleibende Chance verweisen, noch das internationale Geschäft zu erreichen, merkte man den Beteiligten zuletzt besonders eines an: Erleichterung. Denn inmitten der kuriosen Zeiten um die Pandemie und den einzigartigen Trainer-Stuhltanz in der Bundesliga ist man innerlich bereit für den Neustart.
Das seit dem 12. Mai angesetzte Quarantäne-Trainingslager scheint bei der Borussia für einen positiven Nebeneffekt gesorgt zu haben. Eingeschlossen auf dem Gelände des Borussia-Parks konnten sich alle Beteiligten in Ruhe auf die anstehende Trennung von Trainer Marco Rose vorbereiten. "Wir haben eine Menge Zeit hier, um miteinander über ein paar Dinge zu reden. Wir haben bis hierhin eine gute Zeit", verriet Rose auf der Pressekonferenz am Freitag vor seinem letzten Heimspiel mit der Borussia gegen den VfB Stuttgart.
Generell traten der Trainer und sein Sportdirektor Max Eberl auf der Presserunde sehr entspannt und locker auf. Auch wenn Rose in Ansätzen auf einige bewegende Momente seiner Gladbacher Zeit, wie Doucourés Profi-Debüt oder die magische Nacht gegen die AS Rom, verwies, konnte man ziemlich klar den Eindruck gewinnen, dass die beiden Verantwortlichen sichtlich erleichtert dem Ende der laufenden Saison und damit auch dem Ende der gemeinsamen Zeit entgegenblicken.
Wobei dies nicht bedeuten muss, dass Eberl und Rose nun glücklich über den Abschluss einer mittlerweile zerrütteten Beziehung sind. Vielmehr sehnen beide die Trennung herbei, um mit neuer Kraft an ihrer jeweiligen Zukunft zu stricken. Denn Roses verkündeter Abgang hinterließ bei allen Beteiligten einige Dellen, mit dem Abschied des Übungsleiters werden nun andere Themen wieder mehr Raum einnehmen dürfen.
Kommunikation als Problemfeld - Professionalität in allen Ehren
Um es noch einmal zu betonen: Niemand nahm Rose prinzipiell das Ziehen seiner Ausstiegsklausel übel, ging es den meisten Anhängern doch eher darum, wie sich der scheidende Trainer öffentlich zu der Thematik äußerte und welches - auch auf den Verein zurückfallende - Bild er dabei abgab.
Ebenso wurde auch Eberl immer dünnhäutiger, wenn es um öffentliche Auftritte oder Fragen zu seiner Beziehung zu Rose ging. Zwischen Verein und Anhängern tat sich eine nicht zu verkennende Kluft auf, die der Sportdirektor mit einem offenen Brief auch eher unbeholfen zu kitten suchte.
Denn der gute Gedanke, sich mit den Fans zu versöhnen, war als seichte Beschönigung empfunden worden und erfasste abermals nicht den Kern des Ärgers der Anhänger. Hier ist jedoch die Schuld nicht allein auf Eberl oder Rose abzuwälzen, da sich auch das Fan-Lager mit fragwürdigen Auftritten im TV und verkürzender wie geschmackloser Banner-Kritik nicht in der Lage zeigte, eine notwendige Sachlichkeit in die Diskussion zu tragen.
Doch nun ist ein Ende in Sicht. Eberl und Rose scheinen ihren Frieden miteinander und mit den Querelen dieser Saison gemacht zu haben. Für die Zukunft muss man jedoch aus dieser kritischen Phase gelernt haben und das Hauptaugenmerk auf die Bewältigung des angeknacksten Verhältnisses zu den eigenen Anhängern legen. Eine Wiederkehr zur eigentlich gelebten Authentizität ist unabdingbar.
Die Verpflichtung von Adi Hütter, der in Frankfurt bislang durch klare Worte und ein souveränes wie sachliches Auftreten überzeugen konnte, sollte eigentlich begrüßt werden. Doch auch Hütter tat sich schwer, seinen Wechsel nach Gladbach ohne Image-Verlust zu kommunizieren. Ebenso versucht auch Eberl weiterhin, eine eindeutig schwierige Situation als weniger dramatisch zu deklarieren.
"Ich hoffe sehr, dass wir die Conference League erreichen werden. Dann hätten wir zweimal mit Marco Rose einen europäischen Wettbewerb erreicht. Das wäre demnach eine sehr erfolgreiche gemeinsame Zeit gewesen", sagte der Sportdirektor auf besagter Pressekonferenz.
Aus professioneller Sicht macht Eberl damit nicht viel falsch, allerdings beschönigt es ein zweites Jahr unter Rose, in welchem der fünftteuerste Kader der Liga die drittmeisten Gegentore schlucken musste und irgendwo zwischen Platz sieben und zehn ins Ziel kommen wird.
Auch hier sollte wieder darauf verwiesen werden, dass es nicht rein um die "Hard-Facts" wie Tabellenplatz oder das Achtelfinale der Königsklasse gehen darf. Spielerisch war einfach ein Rückschritt zu erkennen, kein Spieler konnte an seine Leistungen aus der Vorsaison anknüpfen oder diese gar steigern. Das Defensiv-Problem wurde ebenso wenig behoben wie die Passivität nach eigenen Führungen oder unerklärlich planlose Auftritte nach guten Partien.
"Wir alle zusammen, also ich, die Jungs und das Trainerteam, haben das in der laufenden Saison einfach nicht konstant und gut genug hinbekommen", konnte Rose die angesprochenen Kritikpunkte klar anerkennen. Genau in dieser Aussage lässt sich ableiten, wie der Verein in der anstehenden Zeit nach Rose agieren muss, um die Fans wieder vollends hinter sich zu wissen.
Denn auch wenn die Strukturen innerhalb der Borussia immer professioneller und ambitionierter werden, darf man die vor Rose gelebte Authentizität nicht durch kühle Beschönigung und entfremdete Rechtfertigung ersetzen.