Planlos dem Ende entgegen - Gladbach braucht den Neubeginn
Von Christian Gaul
Nach der krachenden Niederlage beim abermaligen Deutschen Meister muss man sich bei der Borussia eingestehen, dass die zweite Saison unter Marco Rose als Ernüchterung gelten wird. Dabei wird man in der Nachbetrachtung nicht nur über die Gebaren des Trainers reden, sondern auch die immer wieder auftretende "Leistungslotterie" der Mannschaft genau unter die Lupe nehmen müssen.
Sicherlich kann man in München verlieren und einmal 0:6 ist schließlich auch besser als sechsmal 0:1. Doch letzteres Kunststück brachte die Borussia eben auch in der laufenden Saison in ähnlicher Form schon zustande.
Konnte man bei der beispiellosen Negativserie in der Rückrunde noch davon ausgehen, dass der ungenügend kommunizierte Abgang von Trainer Marco Rose einen nicht unerheblichen Teil zur Verunsicherung der Mannschaft beitrug und demnach eher blutleere Auftritte zur Folge hatte, reicht allein ein Blick auf die vergangenen vier Spiele, um aufzuzeigen, was die zweite Saison unter dem nach Dortmund gehenden Rose in den Köpfen der Fans hinterlassen wird: Enttäuschung und viele Fragezeichen.
Einem 4:0 gegen die vorher überragend auftretende Eintracht aus Frankfurt folgte ein grausames 2:3 in Sinsheim, die anschließende 5:0-Gala gegen Bielefeld wurde mit einem 0:6 beim FC Bayern torpediert. Völlig unerklärlich ist, warum die Mannschaft eine solch schwankende Saison spielt, zumal die vorher inflationär verwendeten Begründungen "zu hohe Belastung" oder "Spielglück" gerade jetzt nicht mehr greifen dürfen.
Den Zuschauern darf ein gewisses Maß an Kompetenz zugesprochen werden - der Unterschied zwischen einem müden und einem lust- oder planlosen Auftritt sollte den meisten Fans geläufig sein. Unabhängig davon, ob die Borussia am Ende der zweiten Spielzeit unter Rose Platz sechs oder Platz zehn erreichen wird, geht Rose nun mit einigen Dellen in die nächste Aufgabe - immerhin haben nach dem 32. Spieltag nur Köln und Schalke mehr Gegentore in der Bundesliga vorzuweisen.
In Gladbach wird man jedoch nicht nur das Festhalten an Rose diskutieren müssen, vielmehr sollte man auch innerhalb der Mannschaft für neue Reize sorgen.
Immer wieder dieselbe Platte - bringt Hütter den Laden in Schwung?
"Wir haben nicht so dagegengehalten. Wenn es in München zur Halbzeit 0:4 steht, dann ist es ausgeschlossen, dass man noch hoch gewinnt", sagte Jonas Hofmann nach der Pleite in München den Kameras von Sky. Er hätte allerdings auch sagen können, dass "wir die Leistung nicht auf den Platz" brachten oder "die nötige Überzeugung uns gefehlt" hat.
Phrasen wie diese wurden auch schon vor dem Amtsantritt von Marco Rose häufig gewählt, doch in der laufenden Saison hörte man sie öfter als "Lemon Tree" im Radio. Überspitzt könnte man fragen, wieso sich gerade Hofmann oftmals über die eigenen Auftritte empört zeigt, wenn er selbst doch einen Verbleib in Gladbach scheinbar vom sportlichen Abschneiden abhängig macht.
Einzig Tobi Sippel nahm die Worte "fehlende Einstellung" öffentlich in den Mund, nachdem die Borussia in Sinsheim verlor, wurde kurz darauf jedoch von seinem Trainer korrigiert.
Dass die eklatanten Schwankungen schon in der Hinrunde nicht hauptursächlich der "Müdigkeit" oder einer "fehlenden Rotation" zuzuschreiben waren, wurde mit den tollen Auftritten in der Königsklasse gekontert, das Erreichen des Achtelfinals sollte bis zuletzt den eklatanten Absturz in der Liga kaschieren.
Zudem sorgte eine nie gekannte Stärke nach Standardsituationen schon im gesamten Saisonverlauf immer wieder für zufriedenstellende Ergebnisse. Doch der bereits beschriebene kompetente Zuschauer vermisste schon vor Roses offiziellem Abschied eine klare Spielanlage oder den aus der Vorsaison gekannten Ehrgeiz auf dem Feld.
"Wenn du mit den Großen pinkeln willst, dann musst du auch so auftreten. Wir haben Intensität und Überzeugung gebraucht. Intensität haben wir über 90 Minuten nicht reinbekommen und Überzeugung haben wir mit jedem Gegentor verloren", beschrieb Rose gegenüber Sky seinen Abend in München.
Damit gab er im Prinzip die Verantwortung für den blutleeren Begleitschutz der Münchner Rekord-Jagd an seine Mannschaft weiter. Sicherlich kann Rose selbst nicht die nötige und vorher zu vermittelnde Bereitschaft auf dem Feld vorleben.
Doch wenn selbst der kicker Worte wie "planlos" oder "ideenlos" für die regelmäßig stattfindenden Darbietungen der Borussia in der laufenden Saison verwendete und verwendet, dann darf eben auch nicht nur die Mannschaft in die Verantwortung genommen und die Empfindungen und Eindrücke des geneigten Zuschauers als laienhafte Interpretation abgetan werden.
Als Anhänger der Borussia kann man nur darauf hoffen, dass der als natürliche Autorität auftretende Adi Hütter diese Problematiken in den Griff bekommen wird - anders als seine Kumpel-Vorgänger Rose und Dieter Hecking. Hierbei wird man allerdings auch nicht umhin kommen, innerhalb der Mannschaft für neue Reize zu sorgen.
Mitnichten sollen nun jedoch spezifische Quellen der Lethargie und Lustlosigkeit ausfindig gemacht und ersetzt werden. Vielmehr muss man sich mannschaftsintern und in der Außendarstellung an die neuen Gegebenheiten des Vereins anpassen.
Denn mit dem fünftgrößten Kaderwert der Liga ist eine Teilnahme an der Conference League ebenso wenig als Erfolg zu verkaufen, wie die spielerische Rückentwicklung des Teams in der zweiten Saison unter Rose, auch wenn man sich noch den sechsten Tabellenplatz sichern sollte. Besonders nach einer Saison, in der finanzstärkere Klubs wie Leverkusen oder Dortmund alles andere als konstant agierten.