Hütter beantwortet die Frage nach dem Ansatz: Kampf, Zusammenhalt und der eiserne Besen
Von Christian Gaul
Die Borussia gewann am Samstag mit 1:0 gegen den BVB und obwohl die Partie nur wenige spielerische Höhepunkte bieten konnte, begeisterten die Fohlen dabei die eigenen Fans komplett.
Auch einen Tag nach dem 1:0-Erfolg gegen den BVB reibt sich der gemeine Gladbach-Sympathisant, -Anhänger und -Fan verwundert wie stolz die Augen.
War das wirklich die in den letzten Wochen oft saftlos auftretende Truppe, die gestern in einem mitreißenden Kampf-Spiel die ungeliebten Dortmunder inklusive ihres neuen Trainers in die Schranken weisen konnte?
Jein!
Denn einerseits holte Gladbachs Trainer Adi Hütter "den eisernen Besen raus" und verbannte einige Stammkräfte auf die Bank. Zum anderen jedoch schien ein Ruck durch die Mannschaft zu gehen, der hoffentlich nicht nur darin begründet liegt, dass man gegen eine Spitzen-Mannschaft antrat.
Hütters Besen kehren gut - Denkzettel oder Schaffenspause für die Stars?
Dass Florian Neuhaus nach den gebotenen Leistungen in den letzten Wochen am Samstag gegen den BVB nicht in der Startelf stand, war keine allzu große Überraschung. Dennoch konnte man diese Form der leistungsgerechten Verteilung der Startplätze bei der Borussia seit geraumer Zeit schon nicht mehr beobachten.
Gleiches gilt für den ebenfalls in den letzten Spielen wenig überzeugenden Alassane Plea, der wie Neuhaus gegen Dortmund über die vollen 90 Minuten nur auf der Bank saß.
Dabei sei erwähnt, dass Hütter im gesamten Spiel nur dreimal wechselte (Hannes Wolf, Christoph Kramer und Lászlo Bénes kamen in die Partie) und damit sein Kontingent nur zu 60 Prozent erschöpfte - für Neuhaus und Plea wäre somit ein Einsatz durchaus im Bereich des Möglichen gewesen.
Einerseits setzte Hütter damit ein ziemlich klares Zeichen. Auf der anderen Seite hatte er jedoch auch die Uhr im Blick und ausgepumpt am Boden liegende Spieler verursachten weitaus mehr Ruhepausen auf dem Feld, als dies mit zwei weiteren "taktischen" Auswechslungen der Fall gewesen wäre.
Zudem ging Hütters Plan für die Startelf auf. Der 19-Jährige Manu Koné gab, bis auf seine Schwalbe, ein tolles Debüt. Im Verbund mit Denis Zakaria in der Zentrale zeigte der dynamisch grätschende, laufende und passende Fummler, dass er eine echte Bereicherung für die Borussia sein kann.
Auch die "absolut wahnsinnige" Entscheidung, den schon als ausgemustert verschrienen Tony Jantschke zu bringen, machte sich im Laufe des Spiels bezahlt. Der "Fußballgott" benötigte ein paar Minuten, ging dann aber wie gewohnt voran und warf sich gefühlt in jeden Zweikampf, Pass und Abschluss.
Die Dreierkette mit Nico Elvedi in der Mitte machte insgesamt einen stabilen Eindruck, wobei wohl Matthias Ginter derjenige war, der im Vergleich zu den anderen beiden Verteidigern am ehesten mit Unkonzentriertheiten auffiel - jedoch nur in geringem Maße.
Neben dem Mann des Tages, Denis Zakaria, konnten sich auch die 18-Jährigen Luca Netz und Joe Scally zumeist abgeklärt und aggressiv präsentieren. Das größte Indiz für ihre starke Leistung ist, dass sie im Gesamtgefüge des Teams trotz ihrer relativen Unerfahrenheit erneut nicht abfielen.
Die Offensive um Breel Embolo, der exemplarisch durch Gegenspieler Mats Hummels hindurch pflügte, oder auch Lars Stindl und Jonas Hofmann, die als "Doppel-Zehn" agierten, war umtriebig und bis zum Schlusspfiff (Hofmann bis zu seiner Auswechslung in der 83. Minute) damit beschäftigt, das Dortmunder Aufbauspiel unter Druck zu setzen und erfüllte diese Vorgabe exzellent. Knallhart geführte Zweikämpfe und verbale Aggressivität waren bei allen drei Spielern zu bewundern.
Insofern konnte sich die Borussia den wichtigen Sieg über den BVB in erster Linie mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung verdienen, Dennoch darf das Team nun keinesfalls glauben, dass die Arbeit in dieser Saison bereits vollbracht ist.
Spitzen-Gegner = Spitzen-Leistung: Hütter muss beharrlich bleiben
Sicherlich musste der BVB ohne Marco Reus und Erling Haaland antreten, die sich im Vorfeld des Spiels angeschlagen abmelden mussten. Besonders das Fehlen des Norwegers zeigte, wie abhängig die Dortmunder von ihm zu sein scheinen.
Zudem kam der Borussia entgegen, dass Ex-Fohlen Mahmoud Dahoud leider übersehen hatte, wie Schiedsrichter Deniz Aytekin bereits früh am Abend dem Dortmunder Raphael Guerreiro eindringlich und unmissverständlich erklärte, dass sich Abwinken nicht gehört.
Die folgende Überzahl half der Borussia selbstredend, doch konnte man auch schon vor Dahouds Platzverweis eine ansprechende Leistung der Gladbacher beobachten - wie auch schon zum Start gegen den FC Bayern.
Auch wenn der Sieg absolut verdient war und die Beteiligten sich zurecht wegen einer starken Vorstellung auf die Schulter klopfen dürfen, muss auch jeder wissen, dass damit nur ein erster Schritt in die richtige Richtung getan wurde.
"Es ist schon so, dass wir gegen solche Mannschaften nochmal extra motiviert sind", sagte Jonas Hofmann nach dem Abpfiff sinngemäß gegenüber Sky. Auf der einen Seite ist diese Aussage verständlich, doch muss dieselbe Energie nun auch in die Spiele gegen Teams wie Fürth, Bochum oder die Hertha gelegt werden.
Ein "Bayern 2.0", also das kollektive Nachlassen aufgrund einer inneren Zufriedenheit nach einem Erfolg gegen ein Top-Team, muss endlich aus den Knochen und Köpfen der Mannschaft getrieben werden.
Hier wird Hütter einen ebenso strikten Weg einschlagen müssen, wie er es bei der Auswahl seiner ersten Elf gegen den BVB tat. Denn die Frage nach dem Mittel der Wahl beantwortete der Gladbacher Trainer gegen Dortmund relativ eindeutig.
In erster Linie muss das Team über Einsatz und Kampf eine gewisse Stabilität erlangen, bevor dann auch wieder spielerische Glanzpunkte zelebriert werden können.
Sollten die Gladbacher Profis einen letzten Grund für das eigene Vertrauen in diesen Ansatz gebraucht haben, dann haben die Fans im Borussia-Park diesen geliefert.
Über die komplette Dauer der Partie wurde jeder gewonnene Zweikampf, jeder Einwurf und jeder Sprint frenetisch und wohlwollend von den Rängen quittiert. So ziemlich jeder Zuschauer war sich einig, dass die Art und Weise des eigenen Vortrags im Offensiv-Spiel ausbaufähig sei, doch der geschlossene Auftritt der Mannschaft machte deutlich Lust auf mehr.
Hinzu kommt, dass sich die Borussia auch auf einer anderen Ebene über ihre Anhänger freuen darf. Denn entgegen der Erwartungen blieben Bedrohungen oder Beleidigungen gegen Ex-Trainer Rose fast gänzlich aus. Die Fans und das Team könnten von diesem Abend für den weiteren Verlauf der Saison immens profitiert haben.
Nun gilt es jedoch, das am Samstag erlebte Gefühl des Aufbruchs auch im kommenden Spiel beim VfL Wolfsburg zu untermauern. Die Chancen stehen gut, handelt es sich bei den Wölfen momentan doch ebenfalls um ein Spitzen-Team.