"Jetzt genieße ich jede Minute auf dem Platz" - Giulia Gwinn mit Einblicken hinter die Kulissen

In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" spricht Giulia Gwinn unter anderem über ihre Verletzungen, den momentanen Erfolg des FC Bayern, sowie die positiven Effekte der Zusammenarbeit mit einem Mentalcoach.
Giulia Gwinn bei dem Spiel gegen Österreich.
Giulia Gwinn bei dem Spiel gegen Österreich. / Christian Hofer/GettyImages
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Giulia Gwinn zählt zu den bekanntesten Fußballspielerinnen Deutschlands. Obwohl sie mit ihren 24 Jahren noch zu den jüngeren Spielerinnen gehört, ist sie bereits sehr erfahren und eine wahre Anführerin. Am Freitag führte sie die deutsche Nationalmannschaft als Kapitänin auf das Spielfeld gegen Österreich.

Obwohl die Mannschaft von Horst Hrubesch zunächst mit 0:2 zurücklag, konnte sie das Spiel noch drehen - Giulia Gwinn trug mit einem Tor zum Sieg bei, indem sie den Elfmeter wie gewohnt verwandelte.

"Ich bin hoffnungsfroh, dass wir mit dem FC Bayern unsere Position weiter stärken können."

Auch im Verein läuft es: Der FC Bayern München befindet sich momentan in einer sehr guten Form! Das Team von Alexander Straus führt die Bundesligatabelle an und hat sich im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Eintracht Frankfurt durchgesetzt. Somit hat das Team die Chance, das Double zu gewinnen und Geschichte zu schreiben. Bisher ist es dem Frauenteam des FC Bayern noch nie gelungen, das Double zu holen.

Für Gwinn sei es aber nicht so wichtig, was die anderen Vereine tun, da sich das Team auf sich selbst konzentriere: "Unsere Einstellung ist immer klar, wir versuchen in jeder Situation bei uns zu bleiben und schauen gar nicht so sehr darauf, was zum Beispiel Wolfsburg macht."

Giulia Gwinn, Georgia Stanway
Der Zusammenhalt innerhalb des Teams zeichnet die Mannschaft aus. / Alexander Hassenstein/GettyImages

Vor Weihnachten gab es eine Phase, besonders in der Königsklasse, die nicht ganz so rund für das Team um Gwinn lief, aber "in der Winterpause haben wir alle Kraft gesammelt und ein Trainingslager absolviert, in dem wir uns auf unsere hohen Ziele eingeschworen haben und aus dem wir mit neuer Power hervorgegangen sind." Nicht nur auf, sondern auch besonders neben dem Platz harmoniere das Team super. Für Gwinn sei das ein "entscheidender Schlüssel" für den Erfolg, den der Verein momentan hat.

Erwartungshaltungen bei einem der größten Vereine der Welt

Die Erwartungen der Bayern-Fans sind, Woche für Woche überzeugenden Fußball auf Weltklasse-Niveau zu sehen. Außerdem wird erwartet, dass der Verein jedes Jahr in jedem Wettbewerb ganz vorne mitspielt. Diese hohen Erwartungen sind auch den Spielerinnen und Spielern bewusst.

Doch wie sieht Giulia Gwinn das? "Es ist ein Stück weit so, dass es einem bewusst sein muss, wenn man sich für den FC Bayern entscheidet, dass immer ein gewisser Druck da ist. Es wird erwartet, dass man mithilft, Titel zu gewinnen."

Gwinn sehe es als Herausforderung sich selbst weiter zu entwicklen. Die Bedingungen am FC Bayern Campus seien sehr gut und helfen den Spielerinnen, sich stetig zu entwickeln und Höchstleistung zeigen zu können. "Und wenn man so ein Umfeld vorfindet, finde ich es schön, dass man zum Anspruch macht, sich mit den Besten der Besten in der Liga und im internationalen Vergleich zu messen", so die 24-Jährige. Gwinn habe hohe Ambitionen und sei oftmals perfektionistisch. Diese Eigenschaften passen zum FC Bayern, da der Verein auch jedes Jahr Perfektion anstrebt und hohe Ambitionen hat.

"Mein allergrößtes Ziel ist es, langfristig gesund zu bleiben"

Gwinn hat bereits zwei Kreuzbandrisse erlitten. Diese Verletzung kann für eine Sportlerin das Ende ihrer Karriere bedeuten. Gwinn sei jedoch immer entschlossen gewesen, ihre Karriere im Fußball fortzusetzen: "Ich habe keine Sekunde nach den Kreuzbandrissen daran verschwendet, mit dem Fußball aufzuhören, dafür liebe ich das Ganze viel zu sehr, auch wenn es wirklich schwere Verletzungen waren. Jetzt genieße ich jede Minute auf dem Platz."

Das Hauptziel von Gwinn sei es, gesund zu bleiben. Neben ihrer aktiven Fußballkarriere studiert sie Sportmanagement, da "es wichtig ist, für die zweite Karriere zu sorgen". Außerdem sei dies ein Ausgleich für Gwinn.

"Mein Körperbewusstsein ist nicht mehr das Gleiche"

Auf die Frage, ob Gwinn aufgrund von ihren Erfahrungen durch die Knieverletzungen mit einer anderen Einstellung ins Spiel gehe, sagte sie, dass ihr Körperbewusstsein sich verändert habe. "Ich investiere mehr Zeit in die Vor- und Nachbereitung der Trainingseinheiten. Aber das mache ich gerne, weil ich mich dadurch zu 100 Prozent leistungsfähig fühle", erzählt die 24-Jährige.

Während den Verletzungen "habe ich mich ausgiebig damit beschäftigt, was man als Fußballerin abseits des Platzes für seine Fitness machen kann." Ob Gwinn Angst hat vor einer erneuten so großen Verletzung? Nein, "ich habe auf keinen Fall Angst oder mache mir zu viele Gedanken, dass erneut eine Verletzung kommen könnte. Ich habe mir als aktive Spielerin für die nächsten Jahre noch einiges vorgenommen."

Gwinn ist eine kämpferische Abwehrspielerin, die trotz Rückschlägen immer weiterkämpft und auf hohem Niveau zurückgekommen ist. Sie hat auch von der Arbeit mit einem Mentalcoach profitiert, um besser mit Drucksituationen umzugehen: "Es ist ein Bereich, der noch von viel zu wenigen Menschen, nicht nur Sportlern, genutzt wird, obwohl er einen großen Mehrwert bringt. Ich sehe es mittlerweile als eine Art zweites Training, das mir aber genauso wichtig wie die Übungseinheiten beim Fußball ist."

Gwinn als Führungsspielerin

Gwinn hat trotz ihres jungen Alters eine Führungsrolle übernommen. Besonders ihr Kampfgeist zeichnet sie aus. Sie selbst sagt: "Ich zeige vor allem mit meiner Körpersprache auf dem Platz, dass ich das Team mitführen und für uns als Gemeinschaft vorangehen möchte. Je widerstandsfähiger der Kern der Mannschaft ist, der den anderen eine Orientierung auch in schwierigen Situationen bietet, umso besser ist das für die Stabilität unseres Spiels."

"Mit uns ist immer zu rechnen" - Olympia und der Abschied von Hrubesch

Die beiden letzten Turniere hätten nicht unterschiedlicher ausfallen können. Bei der EM in England vor zwei Jahren erreichte die deutsche Nationalmannschaft das Finale und scheiterte nur knapp an den Lionesses. Das Team begeisterte das ganze Land und die Vorfreude auf die WM war groß. Doch die Weltmeisterschaft, die ein weiterer Erfolg werden sollte, war ein einziger Alptraum. Das Team scheiterte bereits in der Gruppenphase.

Die Enttäuschung war groß und es gab viele Fragezeichen bezüglich der Zukunft von Martina Voss-Tecklenburg, der ehemaligen Bundestrainerin. Das Team zeigte jedoch Willensstärke und qualifizierte sich unter Hrubesch für die Olympischen Spiele im Sommer. Der Trainer gehe mit hohen Ambitionen in das Turnier und das Ziel sei nicht nur dabei zu sein, sondern zu gewinnen, so Gwinn.

Alexandra Popp, Martina Voss
Große Enttäuschung bei der WM: Gruppenaus / Visionhaus/GettyImages

Gwinn sehe das ähnlich: "Wir sind für alles bereit, da muss man sich nur die Qualität im Kader anschauen. " Des Weiteren betont sie: "Mit Horst Hrubesch und seinem Trainerteam sind die passenden Leute dabei, die uns richtig auf die besondere Olympia-Atmosphäre einstellen werden. Wenn wir dann immer über neunzig Minuten auf den Platz bringen, was in uns steckt, so wie wir das gegen die Niederlande gezeigt haben, als unser wahres Gesicht zum Vorschein kam, glaube ich, dass wir etwas Besonderes erreichen können. Die Lust auf mehr haben wir alle und wir sind gewillt, nach einer Medaille zu greifen."

Horst Hrubesch
Mit seiner Art begeistert Hrubesch das ganze Team. / Christian Hofer/GettyImages

Nach Olympia wird Hrubesch das Team verlassen. Gwinn schätzt ihn und seine offene Art sehr: "Ich werde auf jeden Fall absolut positiv in Erinnerung behalten, wie er abseits des Platzes als Mensch aufgetreten ist: Er ist sehr authentisch und verstellt sich nie. Darüber hinaus zeichnet ihn aus, dass er uns das gute Gefühl gibt, dass er uns komplett vertraut und unsere Qualitäten nicht anzweifelt."

Gwinn möchte die Zeit mit ihrem Trainer genießen, bevor er sich verabschiedet. Ein Sieg bei Olympia wäre für Hrubesch zweifellos ein schöner Abschluss.