Gisdol in der Kritik: Was spricht für und gegen den Trainer des 1. FC Köln?

Markus Gisdol gerät immer mehr in die Kritik
Markus Gisdol gerät immer mehr in die Kritik / DeFodi Images/Getty Images
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Aufgrund des schwachen Saisonstarts steht Markus Gisdol beim 1. FC Köln unter Druck. Der 51-jährige Übungsleiter muss in den kommenden Wochen liefern. Was spricht für und gegen ihn?

Als Markus Gisdol im November vergangenen Jahres beim 1. FC Köln vorgestellt wurde, setzte der frühere Trainer der TSG Hoffenheim und des Hamburger SV neue Impulse. Mit jungen Spielern und einer auf Jhon Cordoba ausgerichteten Spielidee entfernte er sich von Achim Beierlorzers versuchtem Intensiv-Pressing und arbeitete sich mit der Mannschaft peu a peu aus dem Tabellenkeller.

Seit Beginn der Geisterspiele im Frühjahr kann der FC allerdings nicht mehr gewinnen - und Gisdol, dessen Vertrag vorzeitig bis 2023 verlängert wurde, gerät zunehmend unter Druck. Zwei Punkte gegen Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart sind ein Anfang, doch zwischen den Partien gegen den FC Bayern (31.10) und Borussia Dortmund (28.11) muss gegen Werder Bremen (06.11) und Union Berlin Zählbares (22.11) her. Ob Gisdol darüber hinaus die Zügel in der Hand hält, darf durchaus in Frage gestellt werden. Welche Argumente gibt es für und gegen einen Verbleib?


1. Pro: Leistungssteigerung in der Defensive

Czichos und Bornauw im Zweikampf
Czichos und Bornauw im Zweikampf / DeFodi Images/Getty Images

In den vergangenen beiden Bundesligaspielen war die FC-Defensive deutlich präsenter. Gegen Frankfurt und Stuttgart standen die Abwehrreihen (nach der überstandenen Anfangsphase, die die Mannschaft völlig verschlafen hat) kompakter, viele Bälle flogen daher nicht auf den Kasten von Timo Horn.

Woran Gisdol allerdings weiterhin arbeiten muss, ist die Passivität gegen den Ball. Gerade bei langen Bällen fehlt die Nähe zum Gegner, der oftmals in Ruhe aufdrehen kann. Die Verteidiger müssen schneller und energischer Druck erzeugen und nicht nur zustellen, sondern auch zupacken.


2. Contra: Ideenloser und ungefährlicher Ballbesitz

Andersson im Luftduell
Andersson im Luftduell / DeFodi Images/Getty Images

Der Spielverlauf war in den beiden jüngsten Auftritten ähnlich: Nach einem Rückstand erzielten die Kölner aus dem Nichts den Ausgleich und zogen damit das Momentum auf ihre Seite. Bei längeren Ballbesitzphasen passierte aber zu wenig, um vor dem gegnerischen Tor gefährlich zu werden.

Wenn es Abläufe in der Kölner Offensive gibt, dann sehen diese wie folgt aus: Der Durchbruch erfolgt über außen, dann kommt die Flanke in den Strafraum - da dort in der Regel aber nur Sebastian Andersson positioniert ist und sich der Stürmer trotz seiner Kopfballstärke nicht im Alleingang gegen zwei oder mehr Gegenspieler durchsetzen kann, bleiben die meisten Offensivaktionen harmlos.

Wichtig wäre allen voran eine bessere Besetzung des Strafraums, etwa nahe der Grenze zur Eroberung zweiter Bälle, innerhalb des Rückraums oder durch nachrückende Tiefenläufe, um eine weitere Anspielstation für den Passgeber auf außen zu bieten. Gleichwohl müssen sich die Flügelspieler auch trauen, ins Eins-gegen-eins zu gehen und nach innen zu ziehen, um entweder selbst abzuschließen oder sich mit ballnahen Mitspielern durch die Abwehrlinie zu kombinieren. Davon kommt in allen Belangen zu wenig.


3. Pro: Erfahrung im Abstiegskampf

Gisdol als HSV-Coach
Gisdol als HSV-Coach / JOHN MACDOUGALL/Getty Images

Schon in Hoffenheim und Hamburg wurde Gisdol als Retter verpflichtet. Zum Ende der Saison 2012/13 rettete er die TSG dank eines überraschenden Sieges bei Borussia Dortmund (2:1) am 34. Spieltag in die Relegation, in der sich die Mannschaft gegen den 1. FC Kaiserslautern durchsetzte. In Hamburg war ein Erfolg gegen den VfL Wolfsburg (2:1) nötig, um das rettende Ufer kurz vor Schluss zu erreichen.

Gisdol kann also Abstiegskampf - auf der anderen Seite lässt sich aber auch festhalten, dass es für mehr noch nicht gereicht hat. Besonders in Hamburg scheiterte er an der Aufgabe, eine Mannschaft nachhaltig weiterzuentwickeln. Das mag ob der besonderen Umstände an der Elbe nicht verwunderlich sein, aber auch in Köln wird man sich die Frage stellen müssen, ob mit Gisdol langfristig geplant werden kann.


4. Contra: Sieglos-Serie

Gisdol wirkt etwas ratlos
Gisdol wirkt etwas ratlos / Pool/Getty Images

Genau wie das ideenlose Offensivspiel spricht auch die seit März anhaltende Sieglos-Serie in der Bundesliga überhaupt nicht für Gisdol. Seit 15 Spielen wartet der FC auf einen Dreier, der letzte gelang am sechsten März in Paderborn (2:1).

Beim FC Schalke 04 war für David Wagner nach 18 sieglosen Spielen Schluss. Auch Gisdol muss fast eine komplette Halbserie lang auf ein Erfolgserlebnis warten. Es kann nur darüber spekuliert werden, wie lang der Geduldsfaden der Verantwortlichen ist. Doch sollte keine schlagartige Besserung eintreten, dürfte er bald reißen.


5. Pro: Kaderplanung geht nicht auf seine Kappe

Wolf kam erst kurz vor Toresschluss zum Effzeh
Wolf kam erst kurz vor Toresschluss zum Effzeh / DeFodi Images/Getty Images

Der 1. FC Köln hat einen chaotischen Transfersommer hinter sich. Mit Mark Uth musste einer der absoluten Leistungsträger der Rückrunde zum FC Schalke zurückkehren, der Wechsel von Streli Mamba platzte, weil beim Medizincheck eine Verletzung diagnostiziert wurde, Dimitrios Limnios kam aufgrund einer COVID-19-Infektion verspätet in der Domstadt an und da Cordoba erst zum Ende der Transferperiode verkauft wurde, blieb nur wenig Zeit, um einen Nachfolger zu finden.

Die Neuzugänge Limnios, Andersson, Marius Wolf und Ondrej Duda werden Zeit benötigen, um sich unter Gisdol zurechtzufinden. Die Tabellensituation gibt diese aber nicht her. Sie müssen funktionieren - am besten sofort. Das ist auch die Aufgabe des Trainers, die unglückliche Transferperiode geht allen voran aber auf die Kappe von Geschäftsführer Horst Heldt.


6. Contra: Die Vertragslaufzeit

Heldt und Gisdol im Gespräch
Heldt und Gisdol im Gespräch / Pool/Getty Images

Trotz des Beginns der Sieglos-Serie und der Peinlich-Pleite bei Werder Bremen am 34. Spieltag wurde Gisdols Vertrag bis 2023 verlängert. Mit dieser Entscheidung sollte Ruhe in die aufgekommenen Diskussionen einkehren, zudem sollte Kontinuität auf dem Trainerposten geschaffen werden. Derzeit scheint es aber eher, als hätte die Verlängerung den gegenteiligen Effekt bewirkt.

Statt für Vertrauen sorgt die lange Vertragslaufzeit für Diskussionen, weil es Gisdol noch nicht gelungen ist, den Bock umzustoßen. Es wird immer mehr zu einer Hypothek, die er mit sich herumschleppt - denn je länger die Durststrecke anhält, desto mehr dürfte über die Beweggründe für die Verlängerung diskutiert werden. Und sollte Gisdol binnen der kommenden Monate beurlaubt werden, hat der FC wieder einmal einen Trainer mehr auf der Gehaltsliste.