Donnarumma verabschiedet sich von Milan - doch das Unverständnis bleibt
Von Jan Kupitz
Gianluigi Donnarumma hat sich in den sozialen Medien erstmals zu seinem Abschied von der AC Milan geäußert. Doch das Unverständnis über seinen Wechsel - oder zumindest den Zeitpunkt seines Wechsels - bleibt.
Jeder Beobachter der Serie A weiß längst, was für ein Ausnahmekeeper Gianluigi Donnarumma ist. Bei der EM hat der 22-Jährige seine Fähigkeiten erstmals auch auf der ganz großen Fußballbühne gezeigt - mit starken Paraden, auch in den Elfmeterschießen gegen Spanien und England, führte die Nummer eins die Squadra Azzurra zum Titel. Etwas überraschend, aber beileibe nicht unverdient, wurde Gigio im Anschluss an das EM-Finale sogar zum besten Spieler des Turniers gewählt.
Ab der neuen Saison darf sich Paris Saint-Germain über die Dienste des Keepers freuen. Sein Wechsel zum französischen Topklub ist längst ein offenes Geheimnis und soll in Kürze auch offiziell bestätigt werden. Kurz vor der Verkündung nahm sich Donnarumma die Zeit, um sich in den sozialen Medien von der AC Mailand und den rot-schwarzen Tifosi zu verabschieden.
"Manche Entscheidungen sind schwierig, aber sie gehören zum Wachstum eines Mannes dazu", begann Gigio sein Statement. "Ich bin zu der AC Mailand gekommen, als ich kaum mehr als ein Kind war, acht Jahre lang habe ich dieses Trikot mit Stolz getragen, wir haben gekämpft, gelitten, gewonnen, geweint, uns gefreut, zusammen mit meinen Mannschaftskameraden, meinen Trainern, all denen, die Teil des Vereins waren und sind, zusammen mit unseren Fans, die ein integraler Bestandteil dessen sind, was seit vielen Jahren eine Familie ist."
Donnarumma erinnerte daran, dass er bei den Rossoneri "wichtige persönliche Ziele erreicht" habe, wie zum Beispiel sein Debüt in der Serie A, als er gerade einmal 16 Jahre alt war. "Ich hatte einige außergewöhnliche Jahre, die ich nie vergessen werde", teilte er mit. "Doch nun ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Eine Entscheidung, die nicht leicht gefallen ist, im Gegenteil. Und sicherlich reicht ein Beitrag nicht aus, um sie zu erklären. Vielleicht kann sie sogar gar nicht erklärt werden, weil die tiefsten Gefühle kaum in Worte zu fassen sind. Was ich sagen kann, ist, dass es manchmal richtig ist, die Entscheidung zu treffen, sich zu verändern, sich anderen Herausforderungen zu stellen, zu wachsen, sich zu vervollständigen."
"Entfernung und Zeit können meine Zuneigung zu Milan nicht auslöschen"
"Alle Rossoneri, die ich getroffen habe, vom ersten bis zum letzten Tag, werden immer in meinem Herzen bleiben als ein wichtiger, ja grundlegender Teil des Lebensweges, der mich zu dem gemacht hat, der ich bin. Ich wünsche der AC Mailand alle möglichen Erfolge und ich tue das von Herzen, wegen der Zuneigung, die mich mit diesen Farben verbindet. Ein Gefühl, das Entfernung und Zeit nicht auslöschen können", schloss er seine Abschiedsbotschaft von seinem Jugendklub.
Es sind warme Worte, die Milans Eigengewächs da trifft. Und doch hätte man sich als Milan-Fan mehr gewünscht. Man hätte sich gewünscht, endlich zu verstehen, warum Donnarumma seinen Verein verlässt. Warum gerade jetzt? Warum in dem Jahr, in dem die Rossoneri erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit in die Champions League zurückkehren? Und warum hat er Milan mit den Vertragsverhandlungen so lange zappeln lassen? Warum hat er nicht wenigstens seinen Vertrag verlängert, damit sein Verein von seinem Abgang zumindest in Form einer Ablöse profitiert?
Fragen über Fragen, die offen bleiben. Und die wohl niemand außer Donnarumma und seinem engsten Umfeld beantworten kann.
Sein Abschied tut weh, keine Frage. Zumindest aus sportlicher Sicht. Erst recht, weil eben keine Ablöse in Höhe von 50, 60 oder 70 Millionen Euro fließt, die für einen Torhüter seiner Klasse ohne Frage gerechtfertigt wären. All das einzig und allein damit zu begründen, dass er sich "einer neuen Herausforderung stellen" wolle, ist billig. Viel zu billig. Die hätte er mit Milan auch in der Champions League gehabt. Persönlich wachsen könnte er ebenfalls in Mailand - zum Beispiel hätte er Alessio Romagnoli als Kapitän ablösen können. Auch dieses Argument zieht nur bedingt.
Emotional war es zwischen Milan und Gigio ohnehin schon immer eine Achterbahnfahrt, die 2017 losgetreten wurde, als Donnarumma schon einmal die Entscheidung getroffen hatte, seinen Vertrag bei Milan nicht zu verlängern. Damals überlegte er es sich noch einmal anders. Doch seitdem war eigentlich jedem Milan-Fan im Inneren klar, dass dieser Spieler nicht zur Vereinslegende taugt. Man hätte es sich so sehr gewünscht, einen neuen Paolo Maldini oder Franco Baresi in seinem Team zu haben. Tief im Innern wusste man jedoch, dass der Tag des Abschieds irgendwann kommen würde.
Dass es ausgerechnet im Sommer von Milans Champions-League-Rückkehr ist, zu dem Zeitpunkt, wo sich die Rossoneri national wieder in die Spitzengruppe vorgeschoben haben, hätte man aber nicht erwartet. Das Unverständnis über seinen Wechsel und vor allem über den Zeitpunkt sowie die Umstände bleibt.