Fußballgott, gibt es dich doch?

Ich gebe zu: Diese Europameisterschaft hat meinen Glauben an den Fußballgott beinahe zerstört. Als ich tatsächlich davon überzeugt war, dass es ihn nicht geben kann, hat mir Spanien im Finale zumindest einen Funken zurückgebracht. Ein Kommentar.
Nico Williams
Nico Williams / Richard Pelham/GettyImages
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Glaube - ein Wort, das vielen Menschen sehr viel gibt. Ich habe immer an den Fußballgott geglaubt. In einem Spiel, das so viele Emotionen weckt. Das für Begeisterung sorgt und Menschen zusammenbringt. Das für mich vor allem eines bedeutet: Leidenschaft.

Leiden hat diese Europameisterschaft 2024 in mir geschaffen. Natürlich durch das deutsche Aus im Viertelfinale mit dem vermeintlichen Handspiel von Marc Cucurella und dem Gegentreffer kurz vor Abpfiff in der Verlängerung durch Mikel Merino.

Doch dass der Fußballgott vom VAR nichts wissen will, wusste ich schon vor diesem 5. Juli 2024 im Viertelfinale von Stuttgart.

Was ich immer dachte: Irgendwie belohnt der Fußballgott die Mutigen, die Leidenschaftlichen, die Begeisternden. Im Verlaufe dieses Turniers schien er mich eines Besseren zu belehren. Noch schlimmer: Er ließ mich so stark zweifeln, dass es ihn gibt - ich habe (beinahe) nicht mehr an ihn geglaubt!

Denn, wenn es ihn gibt, warum belohnt er nicht einen Gastgeber, der dem Land so viel gibt? Warum nicht die Mutigen, die Underdogs, die ganze Nationen mit stolz geschwällter Brust mitfiebern lassen? Schweizer oder Österreicher zum Beispiel, die mutig pressten, die schnell nach vorne spielten. Georgier zum Beispiel, die mit überfallartigen Kontern für Spektakel sorgten. Oder Türken, die auf dem Rasen Spiele zelebrierten, die immer offen waren, in denen es immer hin und her ging, die wirklich begeistern konnten.

Und warum (zum Teufel) belohnt er die, die trotz Weltklasse-Kickern Angsthasenfußball spielen, langweiliges Ballgeschiebe zelebrieren und sich regelrecht durchmogeln?

Immerhin: Frankreich hatte der Fußballgott schon im Halbfinale bestraft. Gibt es ihn etwa doch? Fraglich! Schließlich durfte England erneut bis ins Finale vorstoßen. Die Three Lions zeigten im Halbfinale gegen die Niederlande zwar phasenweise so etwas wie Fußballkunst. Die Vermutung, dass Gareth Southgate auf dem Hometrainer mit dem Fahrradhelm trainiert und mit dem Regenschirm in die Dusche geht, konnte aber auch dieses Spiel in mir nicht beseitigen.

Am Ende stand dann das große Finale in Berlin an. In den ersten 45 Minuten wären mir viele Beschäftigungen eingefallen, die sinnvoller gewesen wären. Die Halme auf dem Rasen zählen - oder einen Fahrradhelm für meinen Hometrainer kaufen.

Doch als ich wirklich und ein für alle Mal den Glauben an den Fußballgott aufgeben wollte, kamen die Spanier daher. Mit zwei Treffern nach Kombinationen, die jedes Fußballerherz höher schlagen lassen. Selbst der zwischenzeitliche Ausgleich vom eiskalten Cole Palmer konnte diesen aufkeimenden Glauben nicht mehr schwächen. Diese Spanier, mit ihrem Offensivfußball - nicht mehr mit dem langweilig dogmatischen Ballgeschiebe - sondern mit zielgerichteten Kombinationen. Diese Spanier, mit dem siebten Sieg im siebten EM-Spiel. Diese Spanier, die Künstler wie Nico Williams, Lamine Yamal oder Dani Olmo auch einsetzen wollen.

Vielleicht hat der Fußballgott bei dieser EM also nur meinen Glauben getestet. Die Hoffnung, dass es ihn gibt, ist zurück. Aber lieber Fußballgott, ein eindeutiges Zeichen würde ich schon noch gerne bekommen. Wie wäre es mit einem deutschen WM-Sieg 2026?!


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