Hrubesch, Kellermann & Rech im Dialog - über die Lage der Liga und die DFB-Elf
- Über die schwere Phase der deutschen Nationalspielerinnen nach der WM
- Über die Nations League
- Über die Entwicklung und Attraktivität der Frauen-Bundesliga
Von Julian Sulimma
Für das kürzlich erschienene kicker-Interview nahmen sich drei der aktuell entscheidendsten Persönlichkeiten des deutschen Frauenfußballs die Zeit, um über die Entwicklung der Liga und der Nationalelf zu sprechen. Bundestrainer Horst Hrubesch (72), Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann (55) und Bayerns Sportliche Leiterin Bianca Rech (42) teilten exklusive Einblicke in die Zeit nach der Weltmeisterschaft und zu Themen, die den Frauenfußball in besonderem Maße betreffen.
Zur Weltmeisterschaft und der Nations League
Der Bundestrainer und die beiden sportlichen Leiter*innen der Topvereine VfL Wolfsburg und FC Bayern München haben nach der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland dasselbe wahrgenommen: Die Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft kamen nach dem Turnier geknickt zu ihren Vereinen zurück.
"Nach der WM waren unsere Spielerinnen zum Teil mental am Boden."
- Horst Hrubesch
Im Kreise der Vereinskameradinnen und der Nationalelf wurde in der Folge versucht, die Akteurinnen nach und nach wieder heranzuführen. Horst Hrubesch sagte zu seinem Einstieg als Interims-Trainer: "Ich hatte vorher Kontakt zu den Vereinen und wusste ungefähr, was auf mich zukommt.", und führte fort: "Wir haben den Mädels Luft zum Atmen gegeben, nicht eine Sitzung nach der anderen angesetzt".
"Entscheidend war, dass die Mädels mich angenommen haben."
Nach knapp drei Monaten Amtszeit lässt sich festhalten: Das haben sie getan. Trainer Hrubesch und die deutsche Nationalmannschaft sind in den letzten vier Spielen in der Nations League unbesiegt geblieben und haben sich mit dem Gruppensieg das Ticket fürs Halbfinale gegen Frankreich sichern können. "Das war die Aufgabe, die wir zu lösen hatten. Ich habe nie daran gezweifelt, dass wir den Gruppensieg holen, weil ich weiß, welche Qualität in der Mannschaft steckt", sagte Hrubesch zum Weiterkommen.
Auch Bianca Rech, Sportliche Leiterin der Frauenfußball-Abteilung des FC Bayern München, ließ dazu verlauten: "Wir wussten, wenn der Spaß zurückkommt und die Spielerinnen an sich glauben, kann es was werden. Wichtig ist, dass der Traum Olympia weiter geträumt werden darf", und fügte an: "Sportlich war es am Ende ein gutes Jahr. Es ist wichtig, dass wir positiv ins neue Jahr starten."
Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter beim VfL Wolfsburg, antwortete auf die Frage, wie groß der Glaube daran gewesen sei, ins Achtelfinale der Nations League zu kommen, voller Überzeugung mit: "Immer bei 100 Prozent. Die Qualität ist ja da. Wichtig war, dass Horst keine Zweifel zugelassen hat und selbstbewusst aufgetreten ist. Das hat sich dann auch auf die Mannschaft übertragen. Es ist ein großer Schritt, und die Vereine sind sehr glücklich darüber."
Insgesamt sei klar, dass das Jahr 2023 nicht erfolgreich für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft verlaufen sei und "wir im Verein unter der enttäuschenden WM sehr gelitten haben", resümierte Kellermann. Dennoch fügte er an: "Wir sind äußerst glücklich über den guten Jahresausklang".
"Auf die Liga hat die WM keinen negativen Einfluss gehabt."
- Ralf Kellermann
Diese Aussage mag auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen, lässt sich allerdings mit Zahlen belegen. Die Zuschauer*innenzahlen erreichten in der Frauen-Bundesliga sowohl in den Stadien als auch vor den Fernsehern steigende und vielversprechende Werte. Danach gefragt, pflichtete Horst Hrubesch der Meinung von Herrn Kellermann bei: "Ich denke, dass der Frauenfußball in Deutschland keinen Schaden genommen hat", fügte jedoch an: "Wir müssen gemeinsam den Weg weitergehen."
Und dieser führt die DFB-Frauen ins Halbfinale gegen Frankreich. Hrubesch bezog zu diesem Los klar Stellung: "Wir hatten uns Frankreich gewünscht. Die sind als Gastgeber ohnehin bei Olympia dabei, sodass wir uns auch mit einer Niederlage im Halbfinale noch für Olympia qualifizieren können. Mir ist aber wichtig zu betonen, dass wir nicht nur bei Olympia dabei sein wollen, sondern auch im ersten Schritt die Nations League gewinnen wollen".
Zur Entwicklung der Bundesliga
"Die Spiele werden immer ausgeglichener."
- Bianca Rech
Dieser Trend lässt sich insbesondere in dieser und der letzten Saison klar erkennen. Die Spiele und die Ergebnisse fallen enger aus, die Tabellensituation lässt innerhalb weniger Spieltage viel Veränderungspotenzial zu und das Meisterschaftsrennen ist das zweite Jahr in Folge so offen wie selten zuvor. "Die Liga rückt enger zusammen - weil Spielerinnen und Trainerinnen besser ausgebildet sind", kommentiert Rech die Entwicklung der Liga und fügt an: "Und auch in der 2. Liga gibt es mehr Vereine, die investieren und nach oben kommen wollen. Das finde ich gut und wird dem Frauenfußball insgesamt weiterhelfen".
Im Liga-Alltag und dem nationalen Pokal erscheinen die Vorzeichen demnach nicht mehr so klar wie in den letzten Jahren. Dabei scheint es egal zu sein, ob es sich um den VfL Wolfsburg oder den FC Bayern handelt, "alle Spiele sind schwierig und müssen erstmal bestritten werden", betont Bianca Rech. Bayerns Sportliche Leiterin zeigte sich erfreut über diese Entwicklung: "Das ist das Schöne, das macht auch die Attraktivität der Liga aus."
Und genau diese gilt es zu schaffen und zu bewahren, denn "Ligen mit zwei Mannschaften an der Spitze, bei der der Dritte 12 oder 15 Punkte weg ist, erhöht nicht die Attraktivität der Liga", fügte Horst Hrubesch an.
Einigkeit herrschte bei den drei Expert*innen darüber, dass sich die Frauen-Bundesliga weiterentwickeln müsse und nicht nur die Topklubs der Liga professionelle Rahmenbedingungen für ihre Spielerinnen schaffen dürften. Darüber hinaus sei es sehr wichtig, die Talente weiter zu fördern und dafür zu sorgen, dass zum einen Topspielerinnen aus dem Ausland für die Bundesliga begeistert würden und zum anderen die Topspielerinnen innerhalb der Liga gehalten werden könnten. Um die Frauen-Bundesliga für inländische und ausländische Stars attraktiv zu gestalten, brauche es nach Ralf Kellermann die "Highlight-Spiele in den großen Arenen, damit die Liga auch international wahrgenommen wird".
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