Frühe Dominanz, Beckenbauer und Hindernisse: Die Geschichte der Bayern-Frauen
Von Helene Altgelt
Der FC Bayern München ist das Maß der Dinge. Es klingt wie ein immer gültiger Grundsatz, aber im Frauenfußball spielen die Bayern noch gar nicht so lange oben mit. Zwar holten die Münchnerinnen 1976 ihre erste Meisterschaft. Dann aber folgten lange Jahre der sportlichen Bedeutungslosigkeit: Die zweite Schale gab es erst 2015. Was war zwischen 1976 und 2015 bei Bayern los - und wie kam der Klub wieder hoch?
Früher Start, schneller Erfolg: Bayern als Pionierinnen
Die Bayern-Frauen wurden offiziell 1970 gegründet und waren damit früh dran: Erst einige Monate später hob der DFB das Verbot vom organisierten Frauenfußball in Vereinen unter seinem Dach auf. Das Verbot war zuvor seit 1955 gültig gewesen - was Frauen nicht davon abhielt, trotzdem Fußball zu spielen, aber sie taten es in eigenen Verbänden und selten unter einem Dach mit einem Männerteam.
Bayern war somit ein echter Vorreiter, und schon 1967, drei Jahre vor der offiziellen Gründung, schlossen sich 74 Frauen zusammen, um eine Abteilung auf die Beine zu stellen. Bayern war damit früher dran als sämtliche andere Frauen-Bundesligisten, die zusammen mit Profi-Männern in einem Verein spielen: Die meisten Abteilungen, wie die von Wolfsburg, wurden um die Jahrtausendwende gegründet.
Einige, wie Hoffenheim oder Leverkusen, waren sogar noch später dran. Ausnahmen sind lediglich Freiburg (1975 gegründet) und Köln (Vorgängerverein 1974 gegründet). Die SGS Essen, der einzige reine Frauenverein - die Männer spielen in der Landesliga -, ist der alte Hase unter den Bundesligisten, denn der Vorgänger SC Grün Weiß Schönebeck wurde schon 1968 gegründet.
Bayern war also sehr früh dran. Bei der ersten offiziellen Bundesliga-Saison, 1974, waren die Münchnerinnen prompt dabei. Die Konkurrenz hieß damals noch nicht Wolfsburg oder Frankfurt, sondern TuS Wörrstadt, SV Bubach-Calmesweiler oder SSG 09 Bergisch Gladbach. Der erste Erfolg kam schnell: Bayern besiegte 1976 im Finale Tennis Borussia Berlin und siegte mit 4:2 in der Verlängerung.
"Ich kriege jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie ich den Pokal hochgehalten hab. Das war Glück pur", sagt Monika Schmidt, die im Finale ein Tor schoss, zu dem Spiel. Nur sechs Jahre nach der Gründung: Die Bayern sind die Besten. Doch auf diesen rasanten Start folgten lange 39 Jahre ohne Bundesliga-Titel. Warum?
Erst Pech, dann lange Jahre in der 2. Liga
Zunächst blieb Bayern oben dabei: 1979, 1982 und 1985 standen sie wieder im Finale, unterlagen aber jeweils. Ein bisschen Pech war zu Beginn also auch dabei. Gleichzeitig waren die Bedingungen mit der heutigen Infrastruktur nicht im Ansatz vergleichbar, wie Karin Danner, ehemalige Spielerin und dann lange Frauenfußball-Abteilungsleiterin bei Bayern, auf der Homepage des Vereins erzählt.
Trainiert wurde auf roter Erde, mit den Bällen, die als nicht mehr gut genug für die Männer empfunden wurden. "Wenn der Platzwart uns mal wohlgesonnen war, hat er uns hin und wieder Leiberl besorgt", so Danner.
1990 wurde dann eine neue Bundesliga eingeführt. Für Bayern der Anfang von einer schwierigen Phase: 1992 waren die Roten das Schlusslicht von der Gruppe Süd und stiegen in die zweitklassige Bayernliga ab. Und statt direktem Wiederaufstieg dümpelte man acht Jahre nur im Mittelfeld herum. Der absolute Erfolgsanspruch der Bayern? Davon war wenig zu sehen.
Im Verein konnte von Wertschätzung keine Rede sein, denn viele wussten nicht mal, dass es die Abteilung gab - geschweige denn, dass sie sich für die Förderung des Frauenfußballs ausgesprochen hätten. "Es ist Wahnsinn, was wir für Kämpfe ausfechten mussten", sagt Karin Danner, die Bayern-Pionierin: "Ich bin stolz, dass ich bei Bayern so lange durchgehalten habe." Leicht war es nicht immer, der Frauenfußball bei Bayern in den 1990er Jahren höchstens Nebensache. Damals wurde weiterhin nur zweimal pro Woche trainiert.
Auch wenn es erste Zeichen der Professionalisierung gab, etwa eine Reise per Flugzeug nach Berlin - der Abstieg brachte das wacklige Fundament schnell zum Einstürzen. Viele Spielerinnen verließen den Verein, die Stützen des Teams gingen. Unter Karin Danner als Managerin und einem entschlossenen Scouting-Programm in Bayern ging es langsam in die richtige Richtung. Bei der Mission Wiederaufstieg war Danner dennoch hauptsächlich auf sich gestellt - die Frauenfußball-Abteilung wurde zwar wohlwollend gesehen, aber wenig wirklich unterstützt.
Wiederaufstieg dank Karin Danner und dem Kaiser
So wäre es gut möglich gewesen, dass die Bayern-Frauen nach dem ersehnten Aufstieg im Jahr 2000 direkt wieder abgestiegen wären. Aber ein weiteres Ereignis veränderte ihre Geschichte nachhaltig: Die WM 1999 in den USA. Es war das Turnier, das den Frauenfußball zum ersten Mal wirklich in die globale Öffentlichkeit rückte.
Der Zuschauerrekord vom Finale steht immer noch, 90.185 Fans sahen im Rose Bowl Stadion in Kalifornien, wie die USA China im Elfmeterschießen bezwangen. Die US-Spielerinnen wurden von Athletinnen zu Popstars, die Gesichter von Mia Hamm und Brandi Chastain war plötzlich überall. In den Staaten sorgte das Turnier für einen Hype und führte zur Gründung der ersten professionellen Frauenfußball-Liga der Welt.
Aber die Effekte des Turniers reichten weit über die USA hinaus. Deutschland schied im Viertelfinale mit 2:3 gegen die USA aus, doch Tausende Kilometer ostwärts hatte der Kaiser Wind von dem Turnier bekommen: Der damalige Bayern-Präsident Franz Beckenbauer, beeindruckt von dem Turnier, interessierte sich plötzlich für den Frauenfußball - und stellte fest, dass er nicht wusste, wie es denn im eigenen Verein aussehe.
Auf seine Initiative hin wurde der Etat von einem Tag auf den anderen versechsfacht, stieg von 50.000 auf 300.000 Mark. Frauenfußball war jetzt Chefsache. Zu den Zeiten von Karin Danner mussten die Spielerinnen noch alles selbst zahlen - das war jetzt vorbei. So gab es eine gute Basis für den Neuanfang in der Bundesliga.
Neustart Bundesliga: Vom Mittelmaß in die Spitze
In den 2000er Jahren etablierte sich Bayern mit Spielerinnen wie Simone Laudehr und Julia Simic im Mittelfeld der Liga. Von der Spitze, um die zu der Zeit Turbine Potsdam und der 1. FFC Frankfurt kämpften, waren die Bayern aber noch weit entfernt - das zeigen etwa 1:8-Pleiten gegen Frankfurt in den Jahren 2003 und 2004.
Erst 2009 schnupperte Bayern erstmals wieder an der Meisterschaft, wurde haarscharf hinter Potsdam Zweiter. Zu einem langfristigen Trend wurde das aber nicht, der Pokalsieg 2012 - die erste Trophäe seit der Meisterschaft 1976! - war zunächst nur ein Ausreißer aus dem mittelmäßigen Bundesligaalltag. Ein Etat von 300.000 Euro war da schon lange nicht mehr spitze - die Entwicklungen bei Bayern hielten in den 2000er Jahren schlicht nicht mit dem Tempo des Fortschritts bei anderen Vereinen statt.
Doch der Pokalsieg 2012 zeigte, dass Bayern doch mithalten kann. So gab es neuen Schwung, viele starke Spielerinnen kamen an die Isar und die Rivalität Bayern-Wolfsburg, die seit zehn Jahren die Bundesliga prägt, entwickelte sich. Mit Spielerinnen wie Gina Lewandowski, Melanie Leupolz und Vivianne Miedema gewann Bayern 2014/15 ungeschlagen die Meisterschaft. Bayern war, nach 39 Jahren, wieder da - und ab da nahm das Projekt "nationale und internationale Dominanz" wirklich Form an.
Geschichte mit Hindernissen und individuellem Engagement
Heute, kurz vor der sechsten Meisterschaft, zeigt die Geschichte der Bayern-Frauen, dass der Klub früh Pionier war. Aber auch, dass diese frühe Vormachtstellung leichtfertig wieder weggeworfen wurde. In den Anfangsjahren kamen die Impulse nicht von der Führungsebene, sondern von den Spielerinnen selbst.
Und erst das außergewöhnliche Engagement von Einzelnen - Karin Danner und Franz Beckenbauer - sorgte dafür, dass der FCB wieder aus der Versenkung kam und heute die Liga dominiert. Zur sechsten Meisterschaft kann dem Klub also zum Engagement in den 1970er Jahren und ab 2012 gratuliert werden - aber auch die Leerstelle, die eigentlich kaum zum eigenen Anspruch passt, kann kritisch gesehen werden.