Frauenfußball: Sara Björk Gunnarsdottir packt über fehlende Unterstützung während ihrer Schwangerschaft aus
Von Alina Ruprecht
Es sind schockierende Enthüllungen, die Sara Björk Gunnarsdóttir am Dienstag an die Öffentlichkeit brachte. In einem emotionalen Text berichtet sie, wie sie bei ihrem ehemaligen Verein Olympique Lyonnais während und nach ihrer Schwangerschaft behandelt wurde. Der ganze Fall endete sogar in einem handfesten Rechtsstreit.
Gunnarsdóttir machte ihre Schwangerschaft im April 2021 öffentlich. Zu der Zeit war die Isländerin Stammspielerin bei dem französischen Verein, der als einer der Pioniere im Fußball der Frauen gilt. Achtmal gewann das Team die Champions League, hinzu kommen zahlreiche Titel auf nationaler Ebene.
"Zuerst war das einzige, was ich gefühlt habe, Glück", beschreibt sie ihre Emotionen, nachdem ein Schwangerschaftstest ein positives Ergebnis anzeigte. "Aber dann hat mich die Realität eingeholt. In Europa war es für eine lange Zeit nicht normal für eine Spielerin, schwanger zu werden. Es hat Forschritte gegeben, aber die Kultur ist noch immer die gleiche."
Die Isländerin beschreibt die Zeit, in der sie ihre Schwangerschaft dem Verein mitteilte, als "nervenaufreibend". Zunächst zog sie nur den Teamarzt ins Vertrauen und trainierte normal weiter. Als das nicht mehr möglich war, wurden auch der Rest der Mannschaft sowie der Trainerstab und die Verantwortlichen informiert.
Gunnarsdóttir war die erste Spielerin in der Geschichte von Olympique Lyonnais, die während ihrer Zeit bei dem Verein ein Kind zur Welt brachte. Entsprechend herrschte die Unsicherheit bei allen vor. Hinzu kam die anhaltende Covid-19 Pandemie, weshalb die Mittelfeldspielerin beschloss, die Zeit während der Schwangerschaft in Island zu verbringen. Dieser Plan wurde mit Olympique Lyonnais abgestimmt.
"Für eine Weile war so viel los in meinem Leben, ich hatte keine Zeit über mein Gehalt vom Verein nachzudenken oder deswegen besorgt zu sein", schreibt die Isländerin. "Ich hatte keinen Grund anzunehmen, dass etwas schief gehen könnte."
Von Anfang an hatte Gunnarsdóttir klar kommuniziert, nach der Geburt ihres Kindes in den Spielbetrieb zurückkehren zu wollen. Auf Island dann der Schock: Olympique Lyonnais zahlte ihr über zwei Monate kein Gehalt. Erst auf mehrfache Nachfrage der Isländerin und ihres Agenten wurde ihr das Geld ausgezahlt.
Ab dem dritten Monat, den Gunnarsdóttir abwesend war, wolle man ihr jedoch kein Gehalt mehr überweisen. Der Generalmanager des Vereins, Vincent Ponsot, berief sich dabei auf ein französisches Gesetz. Jedoch hatte die FIFA im Jahr 2020 eine neue Mutterschutzregelung für aktive Spielerin beschlossen. Die Spielergewerkschaft FIFPRO war an der Ausarbeitung der neuen Normen beteiligt.
Das Regelwerk trat am 1. Januar 2021, zwei Monate vor Gunnarsdóttirs Schwangerschaft, in Kraft. Es besagt, dass Vereine einer schwangeren Spielerin über 14 Wochen mindestens zwei Drittel ihres Gehalts zu zahlen haben. Doch Olympique Lyonnais kam dem nicht nach. Gunnarsdóttir zog schließlich die französische Spielergewerkschaft sowie FIFPRO hinzu.
Konkret hätte der Verein der Spielerin während ihrer Schwangerschaft 109.522,21 Euro zahlen müssen. Jedoch überwies man ihr nur 27.427,39 Euro.
Trotz des Drucks aller Beteiligten gab der Verein keine Begründung für die ausbleibenden Zahlungen oder die französische Rechtsnorm an, auf die sich die Verantwortlichen beriefen. Gunnarsdóttir beschloss daraufhin, den Fall gemeinsam mit FIFPRO rechtlich bei der FIFA anzuzeigen. Der Generalmanager von Olympique Lyonnais teilte ihrem Agenten daraufhin mit, dass die Spielerin beim Verein keine Zukunft mehr habe, wenn sie das täte.
"Ich konnte das nicht in meinen Kopf bringen", schreibt die Isländerin. "Ich war einfach schockiert (...) und verletzt. (...) Wie konnte ein Verein mit so etwas davonkommen? Es gab keine Diskussionen oder Verhandlungen. Vincent hat komplett dicht gemacht.
Ich war auf Island, schwanger und hatte gefühlt meinen Job verloren. (...) Es hätte eine der glücklichsten Zeiten in meinem Leben sein sollen. Alles, was ich wollte, war, meine Schwangerschaft zu genießen (...). Stattdessen fühlte ich mich verwirrt, gestresst und verraten."
Als Gunnarsdóttir den Verein von ihrer Schwangerschaft unterrichtete, sicherte man ihr vollste Unterstützung zu. Doch dem war nicht so: kein Angestellter des Vereins erkundigte sich nach dem Verlauf ihrer Schwangerschaft, ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit, während sie auf Island war. Einzig und allein private Kontakte bestanden zu dem Teamarzt, den Physios sowie einigen Mitspielerinnnen.
Im Januar 2022 kehrte Gunnarsdóttir mit ihrem Sohn Ragnar nach Frankreich zurück. Sie beschreibt, dass nach ihrer Ankunft alles anders war. Statt der zugesicherten Unterstützung wurde der Isländerin verboten, ihr Kind mit zu Auswärtsfahrten zu nehmen, obwohl sie es zu dem Zeitpunkt noch stillte. Der Verein begründete dies damit, dass sein Weinen die anderen Spielerinnen im Bus oder Flugzeug stören würde. Gunnarsdóttir lehnte auch das Angebot ab, ihren Sohn probeweise auf Reisen mitzunehmen.
"Ich wollte mich und Ragnar nicht in diese Situation bringen", schreibt die Spielerin. "Das gegenseitige Verständnis zwischen mir und dem Verein war einfach nicht da. Sie haben mich immer so fühlen lassen, als ob es etwas Schlechtes wäre, dass ich ein Kind bekommen habe."
Zeitgleich focht FIFRPO den erbitterten Rechtsstreit um das Gehalt der Spielerin vor einem FIFA-Tribunal aus. Olympique Lyonnais hielt weiterhin an den französischen Gesetzen fest, was der OL-Generalmanager der Isländerin in einem persönlichen Gespräch mitteilte. Er erklärte, es sei nichts Persönliches, nur Business.
Im Mai fällte die FIFA das Urteil zugunsten der Spielerin. Olympique Lyonnais musste ihr rückwirkend das fehlende Gehalt von insgesamt 82.094,82 Euro auszahlen. Gunnarsdóttirs Vertrag mit dem Team wurde nicht verlängert. Im Sommer 2022 schloss sie sich Juventus Turin an. Dort ist sie nach eigener Aussage sehr glücklich.
"Ich will sicherstellen, dass keine Spielerin jemals wieder das Gleiche durchmachen muss wie ich", schreibt die Isländerin am Ende ihres aufwühlenden Textes. "Es ist nicht einfach 'nur Business'. Es geht um meine Rechte als Arbeitnehmerin, als Frau und als Mensch."
Angesichts der Weiterentwicklung des Fußballs der Frauen ist Gunnarsdóttir optimistisch. Vieles habe sich zum Besseren verändert, etwa Infrastrukturen und Zuschauerzahlen. Dennoch resümiert sie, dass es auch weiterhin noch viel zu tun gibt.
Frauenfußball bei 90min:
Twitter: @FF_90min
Podcast: Raus aus dem Abseits
Alle News zum Frauenfußball hier bei 90min:
Alle Frauenfußball-News
Alle Frauen-Bundesliga-News
Alle Frauen Champions League-News