Frauenfußball: Sollte bei den Olympischen Spielen bald die U23 antreten?

Deutschland spielt aktuell um die Qualifikation für Paris 2024
Deutschland spielt aktuell um die Qualifikation für Paris 2024 / FRANCK FIFE/GettyImages
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Die Olympischen Spiele sind im Frauenfußball ein wichtiges Ereignis: Anders als bei den Männern sind sie vom Status her mit einer WM vergleichbar, weil keine Juniorenteams antreten. In den letzten Jahren gab es viele ikonische Olympia-Spiele. Aber ist das angesichts der steigenden Belastung noch zeitgemäß?

Lyon, Ort der Träume: Im Groupama-Stadion, Heimat von Olympique Lyonnais, trifft Deutschland am Freitag auf Frankreich. Ein Sieg bedeutet die sichere Olympia-Qualifikation. Die Chance, auch im Sommer wieder in Lyon zu spielen, dann für das Viertel- und Halbfinale.

Die DFB-Frauen haben gute Erinnerungen an die Olympischen Spiele. 2016 gewannen sie in Brasilien Gold, es war der triumphale Abschied von Silvia Neid. Tokio 2020 verpasste Deutschland die Qualifikation aber, und ein zweites Mal in Folge nicht bei Olympia dabei zu sein, wäre fatal. Wer nicht bei Olympia spielt, dem entgeht so einiges an Aufmerksamkeit, neben der obligatorischen Ruhm und Ehre natürlich.

Olympia ist im Frauenfußball schließlich kein Randphänomen, sondern vom Standing eher mit einer WM vergleichbar. Mit einem kleinen Teilnehmerfeld noch dazu, was das Turnier im Vergleich zu der immer weiter aufgeblähten Weltmeisterschaft ebenfalls attraktiv machen kann. Spannung von Tag 1 an.

Besondere Bedeutung: Viele ikonische Olympia-Spiele in der Geschichte

Olympia gilt als Härtetest für die anstehenden Turniere. In der Geschichte der Olympischen Spiele im Frauenfußball gab es so einige ikonische Spiele. Die 0:3-Schmach von den USA gegen Schweden in Tokio etwa, die viel mehr war als eine Niederlage, nämlich eine Götterdämmerung, das Ende des Nimbus der amerikanischen Unbesiegbarkeit.

Das Finale in London 2012, als die USA gegen Japan Rache nahmen für die verlorene WM 2011 - nach einem hochkontroversen Spiel gegen Kanada, das die Rivalität der beiden Länder erst wirklich entzündete. Und eben dieser Abend im Maracana-Stadion 2016, als die DFB-Frauen ihre Krise überwinden konnten und Gold holten, das "Last Hurrah" von Silvia Neid.

Allein die emotionalen Reaktionen auf all diese Spiele, die mediale Resonanz und ihr Einfluss weit über das Turnier hinaus zeigen, welchen Stellenwert Olympia im Frauenfußball hat. Sterne gehen bei Olympia auf, Sterne gehen unter, Rivalitäten werden geboren.

Auch für die Spielerinnen hat Olympia einen besonderen Wert. Die Fackel, der Glanz der Medaillen - die Olympischen Spiele haben nochmal einen anderen Wert, eine andere Symbolik. Das zeigen zum Beispiel die Reaktionen der DFB-Frauen 2016. Die im Finale überragende Marozsan sagte: "Es ist ein wunderschöner Moment, ich kann es gar nicht in Worte fassen, das ist etwas ganz Besonderes." Ähnlich emotional äußerte sich Anja Mittag:

Kurz: Olympia hat eine besondere Bedeutung, auch und gerade in Deutschland. Das allererste Tor bei dem Frauen-Turnier, 1996 in Atlanta, erzielte mit Bettina Wiegmann übrigens auch eine deutsche Spielerin.

Belastung in den letzten Jahren rasant gestiegen

Dennoch stellt sich aktuell die Frage: Ist das olympische Turnier in dieser Form noch zeitgemäß? Ist es zeitgemäß, jedes Jahr ein großes Turnier mit den entsprechenden Strapazen zu haben?

Im letzten Jahr ist eine Grundsatzdebatte über die hohe Belastung der Spitzenspielerinnen losgebrochen. In den letzten Jahren wurde der Rhythmus der Spiele rasant angezogen, vielleicht zu rasant. Statt einer schrittweisen Gewöhnung explodierte die Zahl der Spiele durch die Reform der Champions League und auch durch das Nachholen von Turnieren wegen Covid.

Eine Topspielerin wie Keira Walsh (Barcelona und England) kam so in der letzten Saison auf 50 Spiele. Vor der letzten WM, 2019, waren es noch 37 Spiele und 1.064 Minuten, obwohl sie auch da Stammspielerin war. Vor der WM sagte sie: "Jedes Mal, wenn ich den Platz betrete, habe ich Angst, mich zu verletzen."

Kritik von zahlreichen Topspielerinnen

Zahlreiche Top-Spielerinnen haben die überhand nehmenden Strapazen kritisiert: Vivianne Miedema forderte (umsonst) einen 26-Personen-Kader für die WM in Australien und Neuseeland. Ada Hegerberg kritisierte zuletzt, dass eine Sommerpause gestrichen wurde. "Viele sahen diesen Sommer als einen Sommer der Befreiung an - für unseren Körper und unseren Geist. Aber nein", schrieb sie.

Ada Hegerberg
Scheut sich nicht vor lauter Kritik: Ada Hegerberg / Catherine Ivill/GettyImages

Hegerberg ist mit Norwegen nicht für Olympia qualifiziert - und hatte sich daher eine Pause erhofft. Die fällt jetzt kürzer aus als gedacht, aber wer bei Olympia antritt, hat sie gar nicht. Olympia 2021, EM 2022, WM 2023, Olympia 2024, EM 2025: Nach Corona folgte jedes Jahr ein Großturnier.

Auf die Dauer ist das problematisch - körperlich sowie geistig. Das Verletzungsrisiko steigt, vor allem da die nötige Infrastruktur fehlt. Hegerberg hat das auf den Punkt gebracht: "Die Anforderungen an die Spielerinnen und ihre Körper wachsen, und obwohl wir alle dies gefordert haben, sind die Instrumente noch nicht vorhanden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden."

Olympia als Startschuss für eine U23-Gründung?

Bei Olympia anzusetzen, ist da sicherlich eine Idee - auch wenn das Turnier nur einen eher kleinen Teil der Spielerinnen betrifft, 12 Teams nehmen teil. Dass sich bald etwas verändert, ist aber unwahrscheinlich. Aktuell haben einige Länder, darunter auch Deutschland, keine Frauen-U23, die antreten könnte.

Andererseits: Eine Änderung der Olympia-Regeln könnte der Startschuss für diese Gründung sein, die sowieso eine gute Idee wäre. Die jungen Talente, bei denen es noch nicht ganz für das A-Team reicht, hätten so eine Zwischenstufe und könnten sich leichter dem Niveau ganz oben annähern. Das kritisierte zuletzt Wolfsburgs Sportdirektor Ralf Kellermann: "Mir wurde der Verzicht auf diese Mannschaft immer mit dem Verweis auf budgetäre Gründe erklärt. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis, und man muss sich nicht wundern, wenn man in manchen Bereichen den Anschluss verliert", sagte er.

Ralf Kellermann
Ralf Kellermann forderte öffentlich eine U23-Gründung / Selim Sudheimer/GettyImages

FIFA hat ihre eigenen Motive bei einer möglichen Änderung

Im Männerfußball gilt bekannterweise die Regel, dass nur U23-Spieler, erweitert durch drei ältere Spieler auflaufen dürfen. Das liegt vor allem an den Interessen der FIFA, die keine Konkurrenzveranstaltung zu ihrer Weltmeisterschaft haben will, während bei Olympia der Amateur-Gedanke gefeiert werden soll.

Auch der Weltverband könnte ein Interesse daran haben, die Olympia-Regeln zu ändern - aber weniger aus altruistischen Motiven als aus Eigennutz. Die FIFA hat in den letzten Jahren auch im Frauenfußball viele der sportlich und traditionell bedeutungslosen Wettbewerbe eingeführt, die Fans verhasst sind: die Klub-WM etwa, ähnlich läuft es in Europa mit der Nations League. Gianni Infantino würde Olympia sicher liebend gern durch neue Turniere mit neuen Einnahmen ersetzen, damit wäre aber niemandem geholfen.

Fazit

Wenn sich wirklich etwas ändern soll, braucht es einen Sinneswandel. Die Olympischen Spiele sind höchstens ein kleiner Teil des Problems. Eine Änderung der Regeln müsste, nicht zuletzt wegen der traditionellen Bedeutung für den Frauenfußball, gut abgewägt werden und aus den richtigen Motiven erfolgen.


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