Frauen-WM 2023: Taktisch und physisch überlegen - Die Erkenntnisse zu Schwedens 2:1-Sieg gegen Japan
Von Helene Altgelt
Schweden hat sich im WM-Viertelfinale gegen Japan mit 2:1 durchgesetzt. Amanda Ilestedt und Filippa Angeldal trafen für die Skandinavierinnen, Honoka Hayashi konnte nur noch den Anschlusstreffer erzielen. Japan konnte seinen Fußball erst ab der 60. Minute auf den Rasen bringen und schied trotz einer starken WM aus - die Erkenntnisse zum Viertelfinale.
Die Erkenntnisse zu Schwedens Sieg gegen Japan
1. Schweden macht das Zentrum effektiv zu - auch gegen Spanien wird das wichtig
Japan spielte in den vorherigen vier Spielen einen herausragenden Kombinationsfußball, der auf mehreren Komponenten basierte: Ein effektives Pressing im Mittelfeld, unglaubliche Präzision bei den Steilpässen, Seitenverlagerungen, Effizienz.
Gegen Schweden zeigten sie diese Stärken erst ab der 60. Minute. Bis dahin zeigten sie einige Passstaffetten, wurden aber nicht wirklich gefährlich. Schweden gelang es, das Zentrum gut zu schließen, wie die Passnetzwerke es zeigen: Die zuvor einflussreiche Yui Hasegawa konnte dem Spiel nicht ihren Stempel aufdrücken, Mina Tanaka war in der Sturmspitze isoliert und hatte nur 26 Ballkontakte.
Schweden gelang das mit viel Laufarbeit und Disziplin. Sie hielten Japan nicht nur aus dem eigenen Drittel heraus, sondern drängten Nadeshiko teils weit in die eigene Hälfte zurück. Schweden gelang das, woran Spanien noch bei dem 0:4-Debakel krachend gescheitert war: Ihre Restverteidigung stimmte und bei den wenigen Kontergelegenheiten Japans waren direkt mehrere schwedische Verteidigerinnen hinter dem Ball. Die gefährlichen 1-gegen-1-Situationen konnten so vermieden werden.
Schweden-Trainer Peter Gerhardsson hat damit viel richtig gemacht, und diese Qualitäten werden auch gegen Spanien zählen. Ähnlich wie Japan spielt auch Spanien gerne in die Tiefe, und der Plan, sie auf die Flügel zu drängen, könnte auch gegen La Roja aufgehen.
2. Japan bekommt das Tempo bis zur 60. Minute nicht auf den Rasen
Japan gelang es bis zur 60. Minute nicht, Chancen zu kreieren: Schweden dominierte das Spiel komplett und hatte auch deutlich mehr den Ball. Die Taktik, gegen eine gut organisierte Verteidigung auf Konter zu setzen, ging nicht auf.
Als Japan mehr und mehr die Kontrolle übernahm, kamen die Chancen plötzlich Schlag auf Schlag. Das Team von Futoshi Akeda zeigte den Fußball der vorherigen Spiele: schneller, präziser, in die Lücken. Zum einen lag das wohl an der Erschöpfung von Schweden, die einen laufintensiven Stil aufgezogen hatten.
Aber Japan traute sich nun auch, den Ball länger zu behalten, und mit kurzen Pässen fanden sie doch so einige Lücken in der schwedischen Defensive. Pass nach links, Hereingabe und dann den Ball zurücklegen, diese Passstaffette sorgte einige Male für Unruhe.
Dass Japan ab der zweiten Halbzeit stärker wurde, lag auch an personellen Veränderungen: Jun Endo, die etwas überraschend auf der Bank saß, wurde nach der Pause eingewechselt und brachte mit ihren guten Hereingaben deutlich Schwung in die Partie.
3. Schweden kann auf seine Stärken zählen: Taktik, Standards, Verteidigung
Japan fand über weite Teile nicht zu seinem Spiel, aber das lag auch daran, dass Schweden seine beste Turnierleistung zeigte. Gegen die USA konnten die Skandinavierinnen sich vor allem bei der überragenden Torhüterin Zećira Mušović bedanken, dass sie sich ins Elfmeterschießen retteten. Der Matchplan, nur auf eine solide Verteidigung und Standards zu setzen, wirkte da sehr dünn.
Der Sieg gegen Japan war weitaus überzeugender. Schweden zeigte die Schwächen der Japanerinnen sehr gut auf und entschied das Duell der Gegensätze für sich: Die Lufthoheit, starke Standards und die Taktik neutralisierten die Stärken der Gegnerinnen. Amanda Ilestedt traf erneut nach einem Standard, womit die Innenverteidigerin bereits stolze vier Tore erzielt hat und zu den besten Torschützinnen der WM zählt.
Die beim Pressing unermüdliche Stürmerin Stina Blackstenius zeigte sich nach dem Spiel zufrieden: "Ich bin unheimlich stolz, dass wir es ins Halbfinale geschafft haben. Ich bin zufrieden damit, wie wir in der ersten Halbzeit aufgetreten sind, wir waren sehr physisch. Japan hat gut gespielt und uns sehr beeindruckt. So zu spielen, wie wir es getan haben, ist beeindruckend."
Der physische Vorteil war offensichtlich, denn fünf von Schwedens Spielerinnen in der Startelf sind größer als Saki Kumagai, die größte Japanerin. Das nutzte Schweden bei Standards aus, aber war auch auf dem Boden dominant. Ebenso wichtig war aber der mentale Vorteil: Japan hatte vor dem Spiel noch nie zurückgelegen - wie würden sie damit umgehen? Schweden brachte Japan effektiv aus dem Tritt.
In der Schlussphase war auch Glück dabei, das gehört ebenfalls zur Wahrheit. Bei einem Freistoß war die Torlinientechnik erneut Schwedens Freund - wie schon beim Elfmeterschießen gegen die USA -, Japan vergab mit einem Elfmeter eine Riesenchance. Schweden trat sehr solide auf, aber die Glückssträhne kann auch schnell enden.
4. Japan bleibt ein Versprechen für die nächsten Jahre
Japan hatte sich ab dem ersten Spiel zum Liebling vieler Zuschauer gemausert, mit technisch überlegenem Fußball und genau der Präzision, die anderen Teams wie Deutschland oder den USA komplett abging. Trotz des Aus im Viertelfinale haben die Weltmeisterinnen von 2011 starke Leistungen gezeigt. Die Defensive gewinnt Turniere, die Offensive gewinnt Herzen - Japan konnte auf sich aufmerksam machen und ein Zeichen setzen, dass mit ihnen zu rechnen ist.
Junge Spielerinnen wie Aoba Fujino und Hinata Miyazawa zeigten überragende Leistungen und werden bei den nächsten großen Turnieren nur noch besser sein. Maika Hamano, ein weiteres großes Talent, konnte wegen Verletzungen nur 15 Minuten spielen.
Blickt man nur auf das Schweden-Spiel, ist Japans Aus verdient, aber auf die gesamte WM gesehen ist es bedauerlich, dass diese Elf sich jetzt schon verabschiedet. Bei den nächsten olympischen Spielen oder der nächsten WM wird aber wieder mit Japan rechnen zu sein - das Team ist noch extrem jung, nur eine Spielerin über 30. The best is yet to come.
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