Frankreich: Die Defensive von Deutschlands Halbfinalgegner im Check
Von Helene Altgelt
Bei dem Halbfinale heute Abend in Milton Keynes treffen zwei Teams aufeinander, die recht verschiedene Stärken haben. So ist von Deutschland vor allem das Mittelfeld stark, was bei Frankreich eine Schwäche ist - wohingegen die französische Offensive sehr stark und schneller als die deutsche ist. Kann Martina Voss-Tecklenburgs Team Frankreichs Probleme in der Rückwärtsbewegung und Raumaufteilung ausnutzen?
Rückwärtsbewegung von Frankreich teils zu langsam, Mittelfeld lässt Lücken
Frankreich will den Ball haben, und das am liebsten in der gegnerischen Hälfte. Gegen die Niederlande im Viertelfinale hatten beide Teams etwa gleich viel den Ball, aber Frankreich spielte mehr als die Hälfte ihrer Pässe in der gegnerischen Hälfte, bei den Niederlanden war es nur etwa ein Drittel. Corinne Diacres Team möchte den Ball also schnell nach vorne befördern und dann die Außenspielerinnen Diani und Cascarino mit ihrem herausragenden Tempo und ihrer Technik suchen.
Andererseits rückt Frankreich dabei auch teilweise hoch auf, was sie anfällig für Konter macht. Gerade das Mittelfeld weist immer wieder Lücken zwischen den Spielerinnen auf, sodass die Verteidigung schlecht abgesichert ist. Dazu kommt, dass gerade dort, im Mittelfeld, die individuelle Qualität nicht so hoch ist wie bei den anderen Mannschaftsteilen. Mit Charlotte Bilbault (Girondins Bordeaux, bald Montpellier) hat Frankreich auf der Sechserposition eine gute Spielerin, aber Weltklasseniveau hat sie nicht. Mit Amandine Henry hat Trainerin Diacre bekanntlich eine namhafte Alternative nicht nominiert.
Schnelle Pässe in die Tiefe können zum Erfolg führen
Wenn jedenfalls ein schneller Pass das Mittelfeld überwindet, ist Frankreich in der Rückwärtsbewegung oft unkoordiniert oder rückt nicht schnell genug nach. Auf die Zweikampffähigkeiten der Innenverteidigerinnen soll Verlass sein - aber das ist eine riskante Methode. Wendie Renard ist eine Innenverteidigerin, die sehr stark in der Luft und auch im Spielaufbau mit ihren langen Bällen wichtig ist, aber das Eins-gegen-eins ist nicht ihre Stärke. Belgien kam so zum zwischenzeitlichen Ausgleich, als sie einen Schritt zu spät kam, auch in anderen Situationen war sie etwas wackelig. Deutschland könnte versuchen, eher gegen sie die direkten Duelle zu suchen.
Interessant ist also, dass Frankreich bei ihrem eigenen Angriffsmittel - Pass in die Tiefe, Lauf, ablegen, Tor - selbst auch verwundbar ist. Das Gegentor gegen Belgien ist hierfür ein gutes Beispiel.
Die Belgierin Philtjens flankt in dieser Szene auf Wullaert. Die beiden französischen Innenverteidigerinnen Renard (Nummer 3) und Mbock (19) waren recht weit aufgerückt und müssen sich nun beeilen, wieder zurückzukommen. Außenverteidigerin Périsset (22) steht verteidigt die Flanke gegen Wullaert (9) nicht gut - vielleicht hatte Frankreich hier auf Abseits spekuliert.
Wullaert hat also den Ball, eigentlich müsste Frankreich die Situation aber immer noch geklärt bekommen, da Renard näher dran am Strafraum ist als Cayman (11). Zudem könnte Mbock zur Hilfe kommen, sie versucht, den Ball abzufangen, kommt aber nicht mehr dran. Renard ist, wie diese Szene zeigt, nicht die Schnellste und Cayman kann den Pass annehmen und ausgleichen. Frankreich ist also in diesen Umschaltmomenten verwundbar.
Pressing nicht so intensiv wie Deutschlands
Frankreich übt mit den Stürmerinnen durchaus Druck auf die gegnerische Verteidigung aus und setzt, wenn sie wittern, dass es eine Unsicherheit dort geben könnte, auch sehr gut nach. Ist der Ball aber einmal im Mittelfeld, ist das französische Pressing nicht mehr so intensiv - wohl auch, um den Gegnern nicht zu viele Räume zu bieten. Dabei muss Frankreich aber aufpassen, sich nicht zu sehr zurückzulehnen und weiterhin zu verschieben.
Gegen die Niederlande hatten sie zu Beginn der zweiten Halbzeit länger mal nicht den Ball und taten sich schwer, wieder in ihr Spiel hereinzukommen und Druck auf die Niederlande aufzubauen. Auch die Zahlen zeigen, dass Frankreich nicht das laufstärkste Team ist - Wendie Renard ist mit 38 Kilometern bisher in vier Spielen am meisten gelaufen, womit sie insgesamt im Vergleich mit den anderen Spielerinnen aber nur auf Platz 36 ist.
Karchaoui rückt hoch auf - auch da Angriffsmöglichkeiten
Sakina Karchaoui spielt bisher ein sehr gutes Turnier, die Linksverteidigerin von PSG konnte besonders in der Vorrunde überzeugen und schaltete sich viel offensiv ein.
Ihre Flanken sind für Frankreich wichtig, ebenso wie ihr Zusammenspiel mit Cascarino und Diani. Dabei bleibt hinter ihr allerdings auch oft Platz, den Deutschland mit Diagonalbällen auf Huth oder Magull ausnutzen könnte. Marina Hegering, ebenfalls eine der besten Verteidigerinnen bislang, ist dafür ja bekannt.
Frankreich ist bekannterweise offensiv sehr stark und für Deutschland wird es in erster Linie darum gehen, gegen die schnellen Außenspielerinnen gut zu verteidigen und kompakt zu stehen. Offensiv gibt es aber durchaus die Chance, Frankreich mit Umschaltmomenten, geschickter Zweikampfführung und Diagonalbällen weh zu tun.
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