Abgang im Sommer? Baumann reagiert auf Kritik und spricht über seine Werder-Zukunft
Von Marc Knieper
Eigentlich gelten Frank Baumanns Worte als Inbegriff von PR-Geplapper. Doch gegenüber der Medien sprach er nun erstmals erfrischend offen und ehrlich, reagierte auf die harte Kritik und sprach über seine Zukunft als Geschäftsführer Sport beim SV Werder Bremen. 90min liefert den Status quo samt Kommentar zur Arbeit des 46-Jährigen.
Frank Baumann - ein weiteres Gesicht des SV Werder. Ein Mann, der mit seiner langen Erfahrung am Osterdeich geradezu hervorragend in das Bild der Werder-Familie passt. Als Spieler schnürte der defensive Mittelfeldmann ganze 360 Mal seine Schuhe für Grün-Weiß. Heute ist er 46 Jahre alt und leitet seit über fünf Jahren die Geschehnisse als Geschäftsführer Sport.
Doch nicht erst seit dem Abstieg gerät Baumann ins Kreuzfeuer der Kritik. Viele Fans machen ihn für die absolute Misswirtschaft in den vergangenen Jahren verantwortlich. Baumann habe den Klub in den Ruin gestürzt, heißt es. Die "Baumann raus"-Rufe häufen sich - und mit ihnen auch die Frage, wie lange der Manager an Bord bleiben soll und kann.
Sein Vertrag läuft im Sommer nächsten Jahres aus. Mit dem neuen Aufsichtsrat möchte er im Januar eine Entscheidung über seine Zukunft fällen. Denn so sei noch genügend Zeit, (falls notwendig) einen adäquaten Nachfolger findig zu machen. Mit Clemens Fritz haben die Grün-Weißen mal wieder einen potenziellen Mann in den eigenen Reihen.
Baumann-Abschied im Sommer?!
"Nein, ich habe mir noch keine großen Gedanken gemacht", entgegnete Baumann der Deichstube auf die Nachfrage, ob er denn überhaupt weitermachen wolle. Gleich nach dem Abstieg hatte Werders Manager betont, er brenne noch für die Aufgabe und wolle nicht so einfach aufgeben. Das hört sich mittlerweile ganz anders an. "Die Schwerpunkte können sich verschieben", meint Baumann. "Mal denkt man sich, dass man erst wieder erfolgreich sein will, um sich möglicherweise anders zu orientieren. Dann reicht einem aber vielleicht schon, dass man zumindest ein Fundament gelegt hat, um dies dann einer anderen Person zu überlassen."
So weit sei er mit seinen Gedanken aber noch nicht, erklärte der 46-Jährige abschließend. Fakt ist, Baumann hatte einst betont, er wolle mit 50 Jahren auf keinen Fall mehr als Manager tätig sein. Klar, bis dahin sind es noch vier Jahre, aber die neuesten Aussagen des einstigen Double-Siegers hören sich ein wenig danach an, als würde er sein Amt mehr denn je überdenken und auch einen Abschied im Sommer keinesfalls ausschließen.
Kritik "lässt mich nicht kalt" - Baumanns Zukunft offener denn je
Ein Grund für seine (plötzliche) Skepsis ist sicherlich die stetig steigende Kritik gegenüber Baumann. So skandierten die Bremer Fans während der schwachen Auftritte gegen Paderborn und Sandhausen lautstarke "Baumann raus"-Rufe. Diese Kritik "lässt mich nicht kalt" und sei auch "für die Familie nicht schön", verriet Baumann gegenüber BILD. Aber: "Dass die Kritik heutzutage heftiger ausfällt, ist Teil unserer Branche und Gesellschaft."
Die Frage, ob er als Sportchef am Osterdeich überhaupt noch erwünscht ist, müsse er sich zwangsläufig stellen, so Baumann via Deichstube. Und auch der Aufsichtsrat müsse sich diese "völlig berechtigte" Frage stellen. Klar ist, dass der neue Aufsichtsrat rund um Marco Fuchs als Vorsitzender durchaus ergebnisoffen an dieser Entscheidung feilen möchte. Der Rückhalt im neuen Aufsichtsrat scheint damit geringer als noch zuvor.
Kommentar: Frank Baumann, Werders "zögernder Torwart"
Und das ist auch kein Wunder, denn Baumann liefert trotz schwieriger (finanzieller) Umstände einfach nicht die passenden Ergebnisse. Vor allem im Rauswurf von Ex-Coach Florian Kohfeldt hat er sich gehörig verzockt. Er handelte bei Kohfeldts Entlassung einfach zu spät. Einen Thomas Schaaf am letzten Spieltag als Feuerwehrmann an die Seitenlinie zu packen, ist schlicht falsch und undankbar. Hier und da agiert(e) Baumann wie ein zögernder Torwart, der seine Linie nur ungern verlässt - dabei muss er doch rauskommen!
Die derzeit schwierige sportliche Situation begründet er immer wieder mit der eingeläuteten Verjüngung und dem verletzungsbedingten Ausfall "wichtiger Führungsspieler" wie Ömer Toprak und Leonardo Bittencourt. Das große Problem: Die Grün-Weißen sind zumindest im Mittelfeld einfach nicht ausreichend aufgestellt. Seit dem Abgang von Davy Klaassen gibt es eine riesige Kluft im defensiven Mittelfeld - ausgerechnet auf der Position, die Baumann einst selbst bekleidet hatte und von der er wissen müsste, wie fundamental sie ist.
Baumann hat es verpasst, echte Leader an die Weser zu lotsen. Auch wenn der Schuh finanziell gehörig drückt, hätte er sich für die Sechser-Position aus dem Fenster lehnen müssen. Die passenden Impulse scheinen dabei schon seit Sommer 2019 auszubleiben. Seither gehört Werders einstiger Scouting-Chef Tim Steidten Bayer 04 Leverkusen an.
Dass der gebürtige Bremer Scouting-Boss der international vertretenen Werkself wurde, zeigt geradezu wie gut er ist. Baumann hat es verpasst, hier einen adäquaten Nachfolger zu suchen und zu finden. Dabei ist diese Position die vielleicht wichtigste im Verein, denn Werder muss davon leben, gute Spieler günstig zu finden. Ganz getreu dem Motto "Hier werden Stars gemacht und nicht gekauft".