Florian Neuhaus: Zwischen Frust, falschen Vorwürfen - und einer Erkenntnis
Von Simon Zimmermann
Florian Neuhaus ist frustriert: Der Nationalspieler hat in Gladbach seinen Stammplatz verloren. Nach dem 1:1 in Mainz entlud sich der Frust beim 24-Jährigen. Mit seiner Kritik an der Vereinsführung war er aber auf dem Holzweg.
33 Einsätze, 30 Mal von Beginn an, sechs Tore und acht Vorlagen. Das ist der Statistikbogen von Florian Neuhaus aus der vergangenen Bundesliga-Saison 2020/21. Viel Interpretationsvermögen braucht es da nicht, um zu sagen: Der siebenfache Nationalspieler war bei Borussia Mönchengladbach gesetzt und Leistungsträger.
Wechselgerüchte um den 24-Jährigen hielten sich lange hartnäckig. Der FC Liverpool soll interessiert gewesen sein, auch der FC Bayern. Per Ausstiegsklausel hätte Neuhaus die Fohlen wohl verlassen dürfen (Vertrag bis 2024). In München wollte man aber abwarten - und einen Transfer vermeintlich für den Sommer 2022 anvisieren.
Neuhaus nur noch Reservist - in Mainz entlud sich der Bank-Frust
Einige Monate später hat sich Neuhaus' Lage ziemlich gravierend verändert. Unter dem neuen Trainer Adi Hütter stand er zwar an den ersten fünf Spieltagen in der Startelf. Doch es lief einfach nicht mehr wie gewohnt. Die Mannschaft spielte wenig erfolgreich, Neuhaus noch weniger.
Und so kam es, wie es kommen musste: Neuhaus' erste große Karriere-Delle bescherte ihm einen Stammplatz auf der Bank. Zakaria und Koné hieß ab Spieltag sechs das Mittelfeld-Duo der Borussia. Neuhaus kam - wenn überhaupt - nur noch als Joker zu Kurzeinsätzen.
In Mainz fand sich Neuhaus erneut nur auf der Reservebank wieder. Durch eine frühe Verletzung von Nico Elvedi durfte er aber schon nach 28 Minuten ran. Zakaria rutschte in die Dreierkette, Neuhaus übernahm seinen ehemals angestammten Posten im Mittelfeldzentrum. Nur zehn Minuten später war der 24-Jährige dann auch zur Stelle: Nach einem Patzer von FSV-Keeper Robin Zentner schob Neuhaus zur Gladbacher Führung ein. Schon am Jubel war zu erkennen: Dieser Neuhaus schiebt Frust.
"Mehr Rückendeckung": Eine unfaire Forderung aus der Emotion heraus
Nach dem Spiel, Mainz gelang hochverdient noch der Ausgleich, entlud sich dieser auch verbal: "Es ist nicht ganz einfach für mich. Ich habe mir über drei Jahre viel aufgebaut, denke ich. Ich habe jetzt selber gemerkt, wie schnell es im Profifußball gehen kann. Ich hätte mir vielleicht auch ein Stück weit mehr Rückendeckung des Vereins gewünscht, ist wahrscheinlich im Profifußball ein Stück weit Wunschdenken", erklärte er am DAZN-Mikro.
Worte, die der Gladbacher Führung nur bedingt gefallen haben dürften. Öffentlich hielten sich Manager Max Eberl und Trainer Adi Hütter aber merklich zurück. Das Bemühen war spürbar, aus den Worten von Neuhaus kein großes Thema werden zu lassen. "Ich verstehe nicht, dass die Thematik Florian Neuhaus so groß gemacht wird. Im Leistungsfußball ist es völlig normal, dass sich der Trainer auch für andere Spieler entscheidet", erklärte Eberl gegenüber Sport1.
Eberl und Hütter reagieren gelassen: Das Leistungsprinzip zählt
Hütter schob nach: "Flo Neuhaus hat ein Lebenszeichen gesendet. Er ist deutscher Nationalspieler. Wir haben mit Hansi Flick telefoniert und er lässt ihn nicht fallen." Er sei froh, so einen Spieler im Team zu haben, auch wenn seine Qualitäten andere seien, als die der körperlich starken Zakaria und Koné.
So weit, so normal. Schließlich betonte Trainer Hütter in den vergangenen Wochen, in denen es sportlich recht holprig lief, dass bei ihm das Leistungsprinzip an oberster Stelle gelte.
Und so dürfen die leise Kritik am Verein von Florian Neuhaus vor allem dessen Frust über seine aktuelle Situation geschuldet gewesen sein. Der 24-Jährige war es gewohnt, Stammspieler und Leistungsträger zu sein. Möglicherweise hatte er schon im Sommer auf den Karriereschritt zu einem internationalen Spitzenklub gehofft. In der derzeitigen Phase scheint das aber wieder weit weg zu sein.
Verwundert über das Profigeschäft - oder gar verärgert - sollte Neuhaus nicht sein. Zum einen ist gerade Gladbach unter Eberl bekannt dafür, den Spielern öffentlich so viel Rückendeckung zu geben wie möglich. Das Beispiel Breel Embolo hatte das noch einmal unterstrichen. Zum anderen, und dieser Punkt ist noch viel entscheidender, sind die Mechanismus im Profifußball auf den Leistungsgedanken gepolt. Neuhaus war offensichtlich außer Form, spielte über Wochen schlecht. Wundern, dann auf der Bank zu landen, durfte er sich nicht. Zumal die Konkurrenz um Zakaria und Koné ablieferte und Hütter wenig bis gar keine Veranlassung bot, wieder zu wechseln.
Neuhaus-Worte nicht zu hoch hängen
Doch: Die aus der Emotion nach dem Schlusspfiff heraus getätigten Aussagen darf man nicht zu hoch hängen. Wird man in Gladbach offensichtlich auch nicht. Neuhaus ist und bleibt ein sehr talentierter Spieler, der sein enormes Potenzial schon konstant abgerufen hat. Und das wird er früher oder später auch wieder tun. Vielleicht sogar gestärkt aus der Erkenntnis, dass es bei einem verlorenen Stammplatz nicht primär auf Rückendeckung und Unterstützung aus dem Klub ankommt. Sondern auf die eigene Reaktion und die Leistungen im Training und Spiel.
Diese Erkenntnis scheint Neuhaus teils schon in sich zu tragen. "Ich will mit guten Leistungen zurück in die Mannschaft", sagte er am Freitagabend auch noch. Es wird der einzige Weg zurück zur vormaligen Normalität sein!