Flick zurück zum FC Bayern? Darum wäre ein Comeback zum Scheitern verurteilt
Von Dominik Hager
Thomas Tuchel scheint beim FC Bayern nicht mehr unantastbar zu sein. Sollte die Saison kein zufriedenstellendes Ende nehmen, könnten sich die Wege definitiv trennen. Im Verein soll es Befürworter von Hansi Flick geben. Einige Gründe sprechen jedoch dafür, dass eine erneute Zusammenarbeit nicht gerade ratsam wäre.
Hansi Flick hat mit dem FC Bayern das Triple gewonnen und atemberaubenden Fußball gespielt. Angesichts des Disputs mit Hasan Salihamidzic packte der Coach im Sommer 2021 seine Koffer und heuerte beim DFB an. Inzwischen ist der Bosnier jedoch als Sportvorstand entlassen und auch Unstimmigkeiten mit Uli Hoeneß gelten als ausgeräumt. Daher, so die Sport Bild, gäbe es an der Säbener Straße durchaus Stimmen, die sich eine Rückkehr von Flick vorstellen könnten.
Doch würde eine erneute Flick-Ära beim FC Bayern funktionieren?
Hansi Flick hat in seiner Bayern-Ära einen ganz besonderen Stil geprägt. Dieser umfasste eine sehr offensive Ausrichtung mit einem druckvollen und aggressiven Pressing und einer hoch stehenden Abwehr. Auf diese Weise haben die Münchner in der Saison 2019/20 Fußball-Europa praktisch überfahren. Kein Team fand eine Lösung, gegen das unkonventionell agierende Bayern München anzukommen.
Doch selbst in der Blütezeit von Flick und den Bayern war zu erkennen, dass das gesamte Konstrukt ins Wanken geraten kann, wenn schon eine Kleinigkeit nicht stimmt. Zudem war in der zweiten Saison unter dem Ex-Coach zu merken, dass sich die anderen Spitzenklubs immer besser auf die Flick-Taktik einstellen konnten. Der Überraschungs-Effekt war dahin und die Münchner wurden häufiger mal überlistet. Unter anderem hat das auch zum frühen Ausscheiden in der Champions League gegen PSG geführt.
Hat die Flick-Taktik ausgedient?
Der Fußball ist geprägt von ständigen Wandlungen und nicht jedes System, das mal funktioniert hat, lässt sich einige Jahre später noch immer erfolgreich anwenden. Man denke nur an das berühmte Tiki-Taka, das in den Hochzeiten der spanischen Nationalmannschaft und des FC Barcelona für zahlreiche Erfolge gesorgt hat. Der FC Bayern selbst war es, der die Ära mit dem 3:0 und 4:0 gegen Barça 2013 gestoppt hat.
In den folgenden Jahren übernahm insbesondere der schnelle Tempo-Gegenstoß-Fußball von Real Madrid die Vorreiter-Rolle. Ein Stil, der sich durch weniger Ballbesitz und eine kompakte Defensive mit gezielten Nadelstichen auszeichnet. Aktuell scheint eine Mischung zwischen diesen beiden Stilen am meisten Erfolg zu versprechen.
Bayern fehlen entscheidende Spieler für Flick-Taktik
Doch selbst wenn man nun annehmen würde, dass der Flick-Stil aus dem Jahr 2020 noch immer funktioniert, bleibt die Frage, ob der FC Bayern diesen überhaupt nochmal so durchziehen könnte.
Dies liegt insbesondere daran, dass sich das Personal inzwischen geändert hat. In der Triple-Saison war ein gewisser Thomas Müller in der Blüte seines Schaffens und als Pressing-Leader - so verrückt es klingt - mit der wichtigste Spieler gegen den Ball. Radio Müller war zu jederzeit 'On Air', lief, dirigierte und sprach praktisch ununterbrochen.
Inzwischen ist aber Müller 34 Jahre alt und könnte dieses Pensum wohl nicht nochmal abspulen. Selbst wenn Flick den Raumdeuter wieder in die Startelf beordern würde, läuft dessen Zeit halt so langsam ab. Die Münchner würden also einen neuen Pressing-Leader benötigen. Einen Akteur mit der nötigen Laufstärke würde man finden, aber wohl keinen mit dem gleichen Elan, Raumgefühl und Fähigkeiten als Leader und Kommunikator. Kurz ab: Müller ließe sich nicht eins-zu-eins ersetzen.
Abgesehen von Müller gibt es aber noch andere Spieler, die 2020 wichtig waren und jetzt gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Rede ist von David Alaba und Jerome Boateng. Es ist kaum mit Worten zu umfassen, wie schwierig der Job für das Innenverteidiger-Duo in der Flick-Zeit war. Die beiden verteidigten enorm hoch und zu jeder Zeit drohte die Gefahr, dass das Bayern-Konstrukt durch einen einzigen Pass ins Wanken gerät.
Die beiden Abwehrspieler schafften es aber mit ihrer unglaublichen Antizipationsgabe, einen Großteil der gefährlichen Angriffe frühzeitig im Keim zu ersticken. Damals verfügten Boateng und Alaba außerdem über eine gute Geschwindigkeit und wenn die Gegner dann doch mal enteilten, war Roadrunner Alphonso Davies zur Stelle.
Zwar besitzen Kim Min-jae und insbesondere Dayot Upamecano durchaus die Athletik für eine hoch stehende Abwehr, jedoch ist unklar, ob sie auch das nötige Auge und Stellungsspiel besitzen. Zudem könnte mit Davies ein wichtiger Teil wegfallen, sollte dieser im Sommer wechseln.
Flick und die Bayern-Stars: Ein verbranntes Verhältnis?
Damit das Flick-System funktioniert, benötigt es außerdem Spieler, die zu jederzeit bereit sind, 100 Prozent auf dem Platz zu geben. Wenn nur ein Spieler im Pressing-Verhalten nicht mitzieht, entstehen Lücken, die den FC Bayern verwundbar machen. Im Jahr 2020 hatten wir es mit einer harmonischen und hungrigen Truppe zu tun, in der jeder die nötigen Meter gemacht hat. In der aktuellen Bayern-Mannschaft scheint dieser Hunger aber einfach nicht mehr in diesem Maße vorhanden zu sein.
Natürlich könnte man argumentieren, dass Flick diesen Hunger zurückbringen kann, jedoch muss man auch hier Zweifel haben. Die erfolglose Zeit mit der Nationalmannschaft hat bei beiden Seiten Spuren hinterlassen. Zahlreiche Spieler, genau genommen Sané, Gnabry, Müller, Neuer, Musiala, Kimmich und Goretzka, haben in den letzten Jahren viel Negatives mit der DFB-Elf und demnach auch mit Flick erlebt. Folgerichtig ist eher anzunehmen, dass sich das Verhältnis inzwischen ein wenig verbrannt hat. Man hat ja ganz gut gesehen, dass Flick aus seinen Spielern nicht mehr das Maximum herausholen kann. Dies dürfte sich bei den Bayern nicht mal eben um 180 Grad ändern.
Flick fehlt ein funktionierender Plan B
Was Flick beim DFB-Team auch offenbart hat, ist, dass er keinen funktionierenden Plan B hat. Aus diesem Grund ist seine Zeit als Bundestrainer deutlich früher als gedacht und aufgrund von völliger Erfolglosigkeit zu Ende gegangen. Sollte also das Flick-Pressing beim FC Bayern nicht funktionieren, ist nicht anzunehmen, dass der Coach plötzlich eine Taktik aus dem Hut zaubert, mit der die Münchner auf Anhieb erfolgreich wären.
Sollte die Zeit von Thomas Tuchel im Sommer - oder sogar schon früher - enden, benötigt der FC Bayern einen frischen und neuen Ansatz. Es benötigt Veränderungen im Kader und in der Philosophie. Flick erscheint für ein solches Unterfangen zu abgenutzt zu sein.
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