Fehlen im deutschen Fußball wirklich die Ausnahmetalente?

Trotz Musiala, Moukoko und Wirtz: Oliver Bierhoff schaut skeptisch in die Zukunft
Trotz Musiala, Moukoko und Wirtz: Oliver Bierhoff schaut skeptisch in die Zukunft / RONNY HARTMANN/Getty Images
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Mit seiner scheinbar endlosen Treue zu Bundestrainer Joachim Löw und seinen umstrittenen Werbekampagnen genießt DFB-Sportdirektor Oliver Bierhoff derzeit nicht allzu große Beliebtheit bei den deutschen Fußballfans. Zuletzt fiel der 52-Jähriger häufiger mit negativen Bemerkungen über die aktuelle Nachwuchssituation auf. Doch ist die Lage in Deutschland wirklich so bedenklich, wie sie Bierhoff schildert?

Die deutsche Nationalmannschaft steht mit vier Weltmeistertiteln in der ewigen Historie lediglich hinter Brasilien (5 WM-Titel), das DFB-Team setzte sich meist über Turnierstärke und mannschaftliche Geschlossenheit durch. Die absoluten Ausnahmekönner und Supertalente hatten dagegen meist die anderen Nationen in ihren Reihen.

Betrachtet man die Entwicklung der letzten 20 Jahre, so könnte man aber eigentlich meinen, dass die Nachwuchsarbeit in Deutschland stark auf dem Vormarsch ist. So ist vom Rumpelfußball der frühen 2000er Jahre wenig übrig geblieben. Begonnen hatte die positive Entwicklung mit Spielern wie Philip Lahm oder Bastian Schweinsteiger und wurde dann unter anderem mit einem Joshua Kimmich oder Serge Gnabry fortgesetzt. Doch gerade Oliver Bierhoff ist skeptisch, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. "Nach Kai Havertz, der Jahrgang 1999 und einer der letzten Ausnahmeschüler dieser Generation ist, finden sich in den jüngeren Jahrgängen schon deutlich weniger derartige Ausnahmetalente" so der Sportdirektor gegenüber dem Express.

Musiala, Moukoko und Wirtz glänzen in der Bundesliga: Fehlen dem Nachwuchs wirklich die Ausnahmekönner?

Doch sind die Sorgen von Oliver Bierhoff eigentlich berechtigt? Klar ist, dass neben Havertz gleich drei Talente gegen diese These sprechen. Zuallererst muss man da Dortmunds Youssoufa Moukoko nennen, der sich erst vor wenigen Monaten in der Bundesligageschichte als jüngster Spieler und Torschütze aller Zeiten verewigt hat. Ein Rekord, der sich schon lange angebahnt hatte, zumal der 16-Jährige auch in seiner Junioren-Zeit wie am Fließband traf. Besonders interessant am Borussen ist, dass er als Mittelstürmer schon bald eine der größten Problemstellen in der DFB-Elf beseitigen könnte. Doch der Dortmunder ist nicht der einzige Youngster, der auf sich aufmerksam machen konnte.

Der 18-jährige Jamal Musiala ist die große Neuentdeckung beim FC Bayern und schrieb als jüngster Bayern-Torschütze in der Champions League ebenfalls Geschichte. Mit seiner außergewöhnlichen Technik und Ballführung ist Musiala eine Erscheinung, die man in der Bundesliga nicht häufig sieht. Umso besser, dass sich der Youngster nun fest dazu entschlossen hat, für Deutschland aufzulaufen.

Doch auch Florian Wirtz, der Dritte im Bunde, ist ein ähnlich großes Talent. Der 17-Jährige ist bereits jetzt nahezu gesetzt bei Bayer 04 Leverkusen und mit seiner spielerischen Klasse ein wichtiger Fixpunkt beim Champions-League-Aspiranten.

U21 belegt: Dem deutschen Nachwuchs fehlt es an Breite

Im Prinzip kann man sagen, dass es im deutschen Fußball fast schon sensationell ist, drei Spieler zu haben, die in diesem Alter bereits derart weit sind. So viele Ausnahmespieler kann es ja gar nicht geben, da diese sonst nicht Ausnahmespieler wären.

Allerdings hat Bierhoff, wenn man den Begriff etwas weiter fassen möchte, nicht ganz Unrecht. So klafft hinter den drei Top-Talenten durchaus eine größere Lücke. Dies erkennt man vor allem in der U21-Auswahl, in der nur wenige Stammspieler aus der Bundesliga aktiv sind. Tatsächlich trifft dies lediglich auf Ridle Baku (Wolfsburg) und Amos Pieper (Bielefeld) zu, wenngleich mit Mërgim Berisha (Salzburg), Lukas Nmecha (Anderlecht) oder Niklas Dorsch (Gent) noch hoffnungsvolle Talente im Ausland aktiv sind. Allerdings sind die genannten Akteure eben bereits 22 Jahre alt und wirkliche Leistungsträger sind lediglich Baku und Berisha.

Von der Situation vor zehn Jahren, als Deutschland mit Manuel Neuer, Mats, Hummels, Jerome Boateng und Mesut Özil U21-Europameister geworden ist, ist man aktuell weit entfernt. So sind eben tatsächlich die Jahrgänge 2000-2002 vergleichsweise schwach. Trotz allem zeigen die Beispiele Musiala, Moukoko und Wirtz aber, dass es in den jüngeren Altersklassen schon wieder besser aussieht.