FC Bayern: Warum ein weiteres Jahr mit Boateng Sinn macht
Von Florian Bajus
Zwei Mal war Jerome Boateng so gut wie weg, mit Hansi Flick hat sich das Blatt jedoch entscheidend gewendet. Wegen dem Cheftrainer kann sich Boateng vorstellen, seinen Vertrag beim FC Bayern zu erfüllen. Diese Entscheidung dürfte alle Parteien zufriedenstellen.
Es ist fast ein Jahr her, dass der langjährige Abwehrchef seinen vermeintlichen Abschied eigenmächtig einläutete. Die Meisterschaft, die erst dank des 5:1-Erfolgs über Eintracht Frankfurt am 34. Spieltag perfekt gemacht wurde, feierte Boateng nicht mit. Auch der Triumph im DFB-Pokal ließ ihn kalt. Er wirkte frustriert, als hätte er keine Lust mehr auf den FC Bayern, genauer gesagt auf den Platz auf der Ersatzbank.
Uli Hoeneß riet ihm öffentlich zu einem Tapetenwechsel, zustande kam ein Transfer aber wie schon im Jahr zuvor nicht. Boateng blieb, feierte aber erst beim Unentschieden in Leipzig am vierten Spieltag seinen ersten Einsatz. Auch wegen des Anfang November eingehandelten Platzverweises in Frankfurt war er wieder außen vor, ehe Hansi Flick die Mannschaft übernahm.
Flick und Boateng kennen und schätzen sich nach vielen gemeinsamen Jahren bei der Nationalmannschaft. Vor der Winterpause soll laut Sport Bild ein Gespräch stattgefunden haben, in dem Flick an Boateng appellierte, dass er den Saisonstart vergessen und an sich glauben solle, und dass er eine faire Chance erhalte, wenn er fit aus dem Weihnachtsurlaub zurückkehrt. Boateng ließ den Worten des Cheftrainers Taten folgen, spielte sich so wieder in den Fokus und ist im Frühjahr 2020 nicht mehr aus der Startformation wegzudenken.
Ein Verbleib verschafft Zeit - und spart Geld
Zu Beginn des Herbstes seiner Karriere erlebt Boateng einen zweiten Frühling. Aufgrund dessen sollen die Verantwortlichen nicht mehr auf einen Verkauf drängen, und auch Boateng schließt einen Verbleib nicht aus: "Mein Vertrag in München läuft noch bis 2021. Unter Trainer Hansi Flick kann ich mir vorstellen, ihn zu erfüllen." Bereits vor einem Monat erklärte er gegenüber dem kicker: "Ich muss nicht auf Teufel komm' raus weg vom FC Bayern, ich habe ja noch einen Vertrag."
Eine klare Ansage, die man in der Führungsetage mit Wohlwollen vernehmen dürfte. Denn die Transferplanungen wurden angeblich geändert, aufgrund der Corona-Krise wollen die Bayern scheinbar nicht mehr ganz so forsch auf dem Transfermarkt angreifen. Leroy Sané und ein neuer Rechtsverteidiger bleiben demnach die beiden großen Ziele, ein neuer Innenverteidiger soll dagegen erst in einem Jahr verpflichtet werden.
Die Münchner haben ihre Fühler angeblich nach Dayot Upamecano ausgestreckt. Der Abwehrrecke steht noch bis 2021 bei RB Leipzig unter Vertrag, ein ablösefreier Wechsel kommt laut Geschäftsführer Oliver Mintzlaff nicht in Frage. Der 21-Jährige soll verlängern oder in diesem Sommer verkauft werden - ob sich aufgrund der Krise ein Abnehmer finden wird, der die Ausstiegsklausel über 60 Millionen Euro aktiviert, ist allerdings fraglich. Leipzig soll nach Informationen der Sportbild den Preis auf 40 Millionen Euro gesenkt haben.
Mit dem Verbleib von Boateng wäre die Verpflichtung eines Innenverteidigers obsolet. Einerseits befindet sich der Weltmeister von 2014 körperlich und spielerisch in starker Verfassung, andererseits würden die Bayern einige Millionen Euro sparen, die wegen der Pandemie auf der Strecke bleiben. Finanziell hätte sich ein Verkauf derweil kaum rentiert, der sportliche Verlust wäre größer als die Ablösesumme.
Ein verdientes Happy End
Die Münchner scheinen nur die größten Lücken schließen zu wollen. Der Rest kann im kommenden Jahr in Angriff genommen werden, wenn auch die Verträge von Javi Martinez und Sven Ulreich auslaufen. Dem Trio könnte ein gebührender Abschied ohne Frust oder Drama bereitet werden, so wie Franck Ribéry, Arjen Robben und Rafinha vor einem Jahr. Denn anders als Niko Kovac strahlt Flick dem Vernehmen nach gegenüber jedem Spieler seine Wertschätzung aus, der 55-Jährige lässt niemanden im Regen stehen. "Ich verdanke Hansi Flick sehr viel. Wäre er jetzt nicht Trainer, wäre ich vielleicht nicht mehr in München", so Boateng vielsagend.
Der 31-Jährige wisse, was der FC Bayern für ihn getan habe und umgekehrt. "Der Klub wird für mich immer etwas Besonderes bleiben. Die Kombination aus Stadt, Fans und Familiengefühl rund um die Mannschaft ist wahrscheinlich einzigartig." Aus Wertschätzung gegenüber dem Trainer, der Klubführung und seinen Mitspielern wird er allem Anschein nach ein weiteres Jahr bleiben, bevor 2021 der nächste Schritt in Richtung Zukunft erfolgt. Ein Happy End, mit dem vor einem Jahr nicht unbedingt zu rechnen war.