FC Bayern und die Vorbildfunktion in der Pandemie: Exzess statt Demut
Von Oscar Nolte
Der Fussball steht in der Kritik. In Zeiten der Corona-Pandemie offenbart sich, wie weit entfernt der Sport mittlerweile von der Gesellschaft steht. Vor allem der FC Bayern gibt aktuell eine unglückliche Figur ab. Die Vorbildfunktion, von der Karl-Heinz Rummenigge zuletzt sprach, wird beim Rekordmeister ad absurdum geführt.
Der FC Bayern ist unter der Woche nach Katar gereist, um den Weltpokal auszuspielen. Ein Turnier, das 11-Freunde-Kolumnist Tommi Schmitt treffend als die "Goldene Käsekrokette" titulierte. Die Reise in das Risikogebiet brachte den Bayern zwar weitere Silberware, aber auch viel Kritik ein. Der Diskurs artete nun in einer Schlammschlacht zwischen Hansi Flick und SPD-Politiker Karl Lauterbach aus.
FC Bayern muss im Flugzeug übernachten: "Ein Skandal ohne Ende"
Was war geschehen? Dass die FIFA das Turnier in Katar ausspielen ließ, ist eine Frechheit. Dafür kann der FC Bayern nichts. Nachdem sich allerdings die Abreise des Rekordmeisters verzögerte, da die vom Flughafen BER (Berlin) startende Maschine nicht bis zur Sperrstunde um 24 Uhr startbereit war und die Mannschaft im Flugzeug übernachten musste, war das Gejammere groß. "Wir fühlen uns von den zuständigen Stellen bei der brandenburgischen Politik total verarscht. Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben", schimpfte Rummenigge gegenüber der Bild.
Dass die Bayern so mir nichts dir nichts nach Katar reisen dürfen, ist ein Privileg sondergleichen. Das Flugverbot ab 24 Uhr ist eine glasklare Bestimmung, die nur äußerst sensible Ausnahmen erlaubt, wie zum Beispiel Notfälle oder Regierungsflüge. Was der Mannschaft des FC Bayern "angetan" wurde, ist ein Ärger der Größenordnung, mit der sich der oder die Otto-Normal-Verbraucher*in regelmäßig herumzuschlagen hat - besonders im Lockdown der Corona-Pandemie. Ehrenpräsident Uli Hoeneß sprach von einem "Skandal ohne Ende". Spätestens da endet dann das Verständnis.
Die weitere Reise verlief ebenso holprig. Thomas Müller wurde positiv auf COVID-19 getestet und jetete im Privatflug zurück nach Deutschland. Die Mannschaft begab sich nicht in Quarantäne, sondern trug das Turnier doch aus. Rummenigge nutzte die Plattform, um vorzuschlagen, dass Fußballer doch zuerst geimpft werden sollten, um eine "Vorbild-Funktion" einnehmen zu können. Privilegiert bis zum geht nicht mehr und die Augen immer noch größer als der Magen - nicht sehr vorbildhaft.
Und zu guter Letzt nahm sich Cheftrainer Hansi Flick nun auch noch SPD-Politiker Karl Lauterbach vor und forderte, dass die Politik ihren Job machen und endlich mal "positive Nachrichten" generieren soll. Nun, vielleicht nimmt man in der Blase Profifußball gar nicht mehr wahr, dass eine weltweite Pandemie herrscht, durch die Menschen ihre Existenzgrundlagen verlieren, an ihre psychischen Grenzen stoßen und sterben. Aber Hauptsache, Karl-Heinz Rummenigge darf seine Nase weiterhin über der Maske tragen. Ansonsten droht noch der nächste Skandal ohne Ende.
Karl-Heinz Rummenigge: Exzess statt Demut
Vor knapp einem Jahr gab Karl-Heinz Rummenigge der tz ein Interview, das sich im Schatten der jüngsten Ereignisse wie ein Artikel des Postillion liest. „Wir wollen und werden unserer Verantwortung gerecht werden", kündigte Rummenigge damals an. "Wir müssen gewisse Exzesse versuchen zu normalisieren. Fußballspieler waren immer im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern hoch bezahlt, aber was insbesondere in den vergangenen zehn Jahren stattgefunden hat, hat zu ungesunden Entwicklungen geführt", führte der Bayern-Boss aus. „Wenn diese Krise vorbei ist, sind wir verpflichtet, uns damit seriös auseinanderzusetzen, dass man gewisse Dinge mit Augenmaß wieder zurückdreht."
Die Demut dieser Tage ist verpufft. Der FC Bayern ist nicht verantwortlich dafür, dass die Klub-WM ausgetragen wurde. Doch der Rekordmeister verpasst es, eine Vorbild-Funktion in der Krise einzunehmen. Ganz im Gegenteil: die Bayern speisen vom goldenen Löffel und kosten das Privileg Profi-Fußball in vollen Zügen aus. Exzess statt Demut: der FC Bayern beisst sich in der Corona-Pandemie in den eigenen Schwanz und beweist ganz eindrucksvoll, dass die oberen Herren des Profi-Fußballs mittlerweile in ihrer eigenen Realität angekommen sind.