FC Bayern holt Tel - und setzt ihn jetzt schon zu sehr unter Druck
Von Dominik Hager
Mit Robert Lewandowski hat der weltweit erfolgreichste Torjäger der letzten Jahre den FC Bayern verlassen. Wer aber nun dachte, dass der Pole durch einen gestandenen Torjäger ersetzt wird, der hat sich getäuscht. Stattdessen verpflichten die Münchner den erst 17-jährigen Mathys Tel. Soll nun also ein Teenager den amtierenden FIFA-Weltfußballer ersetzen? Mit einem solchen Rucksack muss der junge Franzose erstmal zurecht kommen. Da hilft es wenig, dass schon jetzt indirekt Druck auf Tel ausgeübt wird.
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In München ist man sich sicher, mit Mathys Tel ein grandioses Talent verpflichtet zu haben. Es gelingt den Bayern-Verantwortlichen auch kaum, den Stolz hinter dem Berg zu lassen, vielleicht den nächsten Mbappé verpflichtet zu haben. Die Euphorie ist aber auch ein Stück weit gefährlich - und das betrifft vor allem den jungen Neuzugang selbst.
Schon allein die Tatsache, dass Tel als Lewandowski-Nachfolger verpflichtet wurde - und kein weiterer Stürmer mehr kommen soll - sorgt dafür, dass der Franzose immer wieder mit seinem großen Vorgänger in Verbindung gebracht werden wird. Eigentlich ist das völlig abwegig, da der Spieler kaum Profi-Erfahrung mitbringt. Verlässt ein langjähriger Chef die Firma, kann ja auch keiner erwarten, dass der Azubi an seine Stelle tritt.
Tel auf Profi-Ebene völlig unerfahren: Kein Pflichtspiel-Tor bisher
Zunächst muss man unabhängig von Lewandowski und der Ablösesumme ins Auge fassen, wo genau Mathys Tel aktuell steht. Der erst vor drei Monaten 17 Jahre alt gewordene Offensivspieler hat im Profi-Fußball fast noch gar nichts vorzuweisen. Insgesamt hat der Youngster zehn Pflichtspiele für Stade Rennes bestritten, wobei es sich allerdings stets um Kurzeinsätze handelte.
Länger als 16 Minuten hat Tel nie bekommen, weshalb es auch nicht überrascht, dass er noch kein Profi-Tor auf dem Konto hat. Immerhin: Für Rennes B und das U19-Team hat der Angreifer in acht Spielen neun Tore erzielt. Zudem hat er auch für die U17 und die U18 Frankreichs zehn Treffer in 15 Spielen markieren können. Für ältere Jahrgangsstufen durfte Tel jedoch noch nicht ran.
In Sachen Profi-Erfahrung hängt der Spieler demnach sogar ein wenig hinter einem Youssoufa Moukoko zurück. Es ist also vermessen, dass man schon jetzt zu große Erwartungen in den Neuzugang setzt und an Lorbeeren nicht spart. Der Spieler wird von den Medien (wo er als junger Mbappé betitelt wird) und den Fans schon genug umjubelt und gehyped.
Bayern müssen Tel schützen - Nagelsmann macht das Gegenteil
Der FC Bayern wäre demnach gut beraten, sich schützend vor den Spieler zu stellen und auch mal öffentlich anzumerken, dass er zunächst ein Lernender ist, der noch einiges an Zeit benötigen wird, um die Last als Bayern-Stürmer tragen zu können. Derzeit passiert aber genau das Gegenteil. Man hat eher das Gefühl, dass die Bayern-Verantwortlichen sich selbst für den Transfer-Coup beweihräuchern wollen. Prolliges Prahlen sollte man aber ebenso unterlassen wie das öffentliche Nennen von Zahlen, die der Spieler auflegen soll bzw. kann.
Julian Nagelsmann schwärmt jetzt schon öffentlich davon, dass Tel "einer der besten Stürmer der Welt werden könne" und er die Vision davon habe, dass dieser irgendwann "40 Tore in einer Saison" erzielt. In diesem Jahr wäre er zwar schon "mit zehn Toren glücklich", jedoch ist das auch reichlich hochgegriffen.
Dass der Bayern-Coach solche Zahlen nennt, obwohl der Spieler noch nie auf Erwachsenen- und Profi-Ebene getroffen hat, ist schon ziemlich befremdlich. Klar ist schließlich auch, dass Tel stets an den Worten von Nagelsmann gemessen werden wird.
Tel soll die Nummer 9 erhalten: Waren Sanches und Götze nicht Warnung genug?
Möchte man dann noch etwas machen, um den Rucksack für Tel mit Steinen zu füllen, dann gibt man ihm die Rückennummer 9. Mit diesem Trikot wäre er auch symbolisch der Nachfolger von Robert Lewandowski. Zudem hat ja nicht nur der Pole, sondern auch ein Élber, Rummenigge und sogar Gerd Müller einst die Neun getragen.
Laut BILD-Informationen gedenken die Bayern-Verantwortlichen aber, dem Spieler genau diese Nummer auch zu geben.
Eigentlich müsste man ja meinen, dass die Bayern aus der Vergangenheit gelernt haben. Bereits ein Renato Sanches und ein Mario Götze zerbrachen an der Erwartungshaltung, die als Bayern-Neuzugang automatisch von außen auf die Spieler wirkt. Schon damals hat man es aber nicht geschafft, die Spieler ausreichend zu schützen. Dabei sei gesagt, dass Sanches und Götze zu diesem Zeitpunkt schon in der Champions League gespielt haben und Nationalspieler waren. Ein Tel ist lange noch nicht so weit und erfahren, was das Risiko nur noch größer macht.
In München muss man nun sehr vorsichtig sein und den Namen Lewandowski im Zusammenhang mit Tel bestenfalls gar nicht erwähnen. Selbst wenn man sagt, dass Tel ein anderer Stürmer-Typ als Lewandowski sei, zieht man schon einen Vergleich. Der Youngster darf nicht der Entscheidung der Bosse zum Opfer fallen, dass die Münchner für fast jede Position große Namen eingekauft haben, aber ausgerechnet im Sturm - trotz des Lewandowski-Abgangs - nicht. Dies zeigt natürlich auch, dass man dem jungen Neuzugang vertraut, jedoch bringt Vertrauen auch immer eine gewisse Erwartungshaltung mit sich.