Drei Titel im Visier: Was ist vom FC Bayern in der Rückserie zu erwarten?
Von Dominik Hager
Der FC Bayern findet sich in der komfortablen Situation wieder, in allen drei Wettbewerben noch vertreten zu sein. Trotz allem stehen die Münchner vor einer extrem schwierigen Rückserie. Dies liegt mitunter an den schweren Verletzungen von Manuel Neuer und Lucas Hernandez. Zudem müssen viele Stars eine enttäuschend verlaufende WM verkraften. Wir wagen eine kleine Prognose, was von den Münchnern zu erwarten ist.
Der Status Quo
Die Münchner haben sich in der Hinrunde alle Möglichkeiten für eine erfolgreiche Saison 2022/23 offengehalten. In der Bundesliga rangieren die Münchner nach 15 Spieltagen mit 34 Punkten an der Tabellenspitze. Der Vorsprung auf den SC Freiburg beträgt vier Punkte, wohingegen man auf Leipzig und Dortmund bereits ein Polster von sechs bzw. neun Zählern herausgearbeitet hat. Die Münchner überzeugten mit der stärksten Offensive und Defensive und nehmen klar Kurs auf den elften Meistertitel in Serie.
Souverän präsentierte man sich bislang auch im Pokal, nach klaren Siegen gegen Viktoria Köln (5:0) und den FC Augsburg (5:2). Im Achtelfinale treffen die Bayern auswärts auf den FSV Mainz 05. Nicht das leichteste Los, aber in Summe trotzdem eine Pflichtaufgabe für die Münchner.
Ein ganz hartes Los haben die Bayern hingegen in der Champions League gezogen. Nach einer brillanten Gruppenphase und jeweils zwei Siegen gegen Inter Mailand, den FC Barcelona und Viktoria Pilsen trifft die Nagelsmann-Elf auf Paris Saint-Germain.
Die Problematik für den FC Bayern
Der aktuelle Stand der Dinge, den man auf Tabellen ablesen kann, täuscht ein wenig über die Wirklichkeit hinweg. Rein psychologisch stehen die Bayern vor einer sehr schweren Rückrunde. Ein Grund hierfür ist sicherlich das frühe WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft. Zwar kann die Spielpause helfen, jedoch dürfte die enorme Enttäuschung verhindert haben, dass die Spieler wirklich abschalten konnten. Joshua Kimmich sprach unter anderem davon, Angst zu haben, in ein Loch zu fallen. Auch Spieler wie Musiala, Goretzka oder Müller werden den sportlichen Tiefschlag mental erst verarbeiten müssen.
Nicht viel besser dürfte es bei den Franzosen aussehen. Kingsley Coman spielte ein schwaches Turnier und verschoss beim finalen Elfmeterschießen gegen Argentinien. Benjamin Pavard erging es noch schlechter. Der Rechtsverteidiger fiel bei der französischen Nationalmannschaft und Trainer Didier Deschamps in Ungnade, mit der Konsequenz, dass er nach dem ersten Gruppenspiel nicht mehr auf dem Platz stand. Für Upamecano lief das Turnier zwar persönlich besser, jedoch ist ein verlorenes WM-Finale natürlich immer ein Nackenschlag.
Es ist durchaus anzunehmen, dass manche Akteure Selbstzweifel plagen und die Freude am Fußball erstmal wieder neu entdecken müssen. Die Gefahr besteht durchaus, dass Spieler - wie es Kimmich befürchtet - in ein Loch fallen. All das bringt eine gewisse Unsicherheit mit, mit der der selbstbewusste FC Bayern eher selten kämpfen muss.
Ganz besonders bitter sind natürlich auch die Verletzungen von Manuel Neuer und Lucas Hernandez. Neuer kann als Kapitän und Torhüter nicht adäquat ersetzt werden und auch das Fehlen von Hernandez ist aufgrund der kommenden Aufgaben in der Champions League schwer zu verdauen.
Was macht trotzdem Hoffnung?
Es ist sicherlich ein kleiner Vorteil, dass die Winterpause zumindest für einige deutsche Nationalspieler im Bayern-Dienste relativ lang ist. Dies bietet durchaus die Chance, die Batterien aufzuladen und die Enttäuschung ein Stück weit zu verarbeiten.
Hinzu kommt die Tatsache, dass bittere Enttäuschungen häufig auch Kräfte freisetzen. Jeder Misserfolg nährt den Siegeshunger, während jeder Erfolg ein Stück weit sättigt. So wären auch die letzten beiden WM-Turniere vielleicht anders verlaufen, wenn Deutschland die Argentinier im Finale 2014 nicht besiegt hätte. Auch der Triple-Gewinn der Bayern 2013 hat seine Wurzeln im Vize-Triple aus dem Jahr davor. Wenn sich die Münchner Mannschaft nun noch enger zusammenschweißt und die Enttäuschung in Energie umwandelt, könnte vielleicht auch ein positiver Effekt resultieren.
Dass Potenzial in der Mannschaft steckt, ist nicht von der Hand zu weisen. Kein Team in Europa hat in der Hinserie so viele Tore erzielt wie der FC Bayern. Von den offensiven Akteuren hat sich kein Spieler verletzt, weshalb die Offensiv-Maschine im Normalfall laufen sollte. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren hat sich auch die Defensive ein wenig stabilisiert. 13 Gegentore in der Bundesliga sind zwar nicht überragend, aber dennoch ein Schritt in die richtige Richtung. Hoffnung machen auch der klare Durchmarsch in der CL-Gruppenphase und der Fakt, dass das Team in den Spielen gegen Barcelona und Inter Mailand ohne Gegentor geblieben ist. Die Bayern sind ein funktionierendes Team, das auch die richtige Balance im Spiel gefunden hat. Abschreiben darf man den Klub demnach nicht.
Prognose Bundesliga
Die Ausgangslage in der Bundesliga stimmt definitiv hoffnungsvoll. Zwar beträgt der Vorsprung auf Freiburg nur vier Punkte, jedoch sind die vermeintlich schärfsten Rivalen RB Leipzig und Borussia Dortmund sechs bzw. neun Punkte entfernt. Es ist davon auszugehen, dass selbst angeschlagene Bayern den elften Meistertitel in Serie relativ ungefährdet nach Hause bringen. Ein Schlüsselspiel ist sicherlich schon der Jahres-Auftakt gegen Leipzig. Ein Sieg würde dafür sorgen, dass die Münchner bei neun Zählern Vorsprung kaum mehr einzuholen wären und zudem einen psychologisch wichtigen Erfolg eingefahren hätten. Gewinnt Leipzig das Spiel jedoch, ist die Meisterschaft fürs Erste offen und die Sachsen wären psychologisch im Vorteil. Über die gesamte Saison sollte sich eigentlich aber in jedem Szenario die Klasse der Bayern durchsetzen.
Prognose DFB-Pokal
Die Achtelfinal-Aufgabe in Mainz ist undankbar, insbesondere wenn der Jahres-Auftakt daneben gehen sollte. Zumindest dürfte der Pokal-Hunger nach zwei peinlichen Pleiten gegen Kiel und Gladbach in den letzten beiden Jahren wieder vorhanden sein. Mit Dortmund, Leipzig, Frankfurt und Freiburg sind die auf dem Papier härtesten Gegner noch im Wettbewerb vertreten, was für schwierige Aufgaben im Viertelfinale, Halbfinale und Finale spricht. Eines solcher Top-Spiele kann definitiv auch der FC Bayern verlieren. Auch in diesem Jahr gilt: Den Pokal zu holen ist wahrscheinlich schwieriger, als die Meisterschaft einzufahren. Ein schlechter Tag kann schon reichen, selbst wenn der FC Bayern auch in diesem Wettberwerb der Favorit ist. Die Chance auf den Titelgewinn dürfte aber in Summe maximal bei 50 Prozent liegen.
Prognose Champions League
In der Champions League wird es für den FC Bayern brutal hart. Paris Saint-Germain ist das undankbarste Los, das man bekommen hätte können. Selbst der FC Liverpool wäre in diesem Vergleich deutlich erstrebenswerter gewesen. Die Münchner haben zwar in der Gruppenphase stärker gespielt als PSG, jedoch hat das französische Top-Team die Qualität, ordentlich an Leistung draufzusatteln. Die Qualität von Messi, Mbappé und auch Neymar ist schlichtweg gigantisch, das hat man auch bei der WM gesehen. Kein Bayern-Spieler war hier auch nur ansatzweise so gut, wie insbesondere Messi und Mbappé. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Paris die besseren Einzelspieler im Kader hat.
Die Verletzungen von Neuer und Hernandez schmerzen insbesondere in Hinblick auf das Paris-Spiel, da ein Super-Keeper gegen einen solchen Gegner immer wichtig ist und Hernandez gegen Spieler wie Messi und Mbappé das bessere Matchup als de Ligt wäre.
Was man bei der WM jedoch auch gesehen hat, ist die Tatsache, dass die PSG-Superstars nicht mit nach hinten laufen. Dies mag in der Nationalmannschaft geklappt haben, weil dort andere Spieler die Arbeit gemacht haben, jedoch stehen sie im Klub gemeinsam auf dem Platz. Arbeiten beim FC Bayern alle Spieler auf Hochtouren und bei PSG nur sieben oder acht, können die Münchner das zu ihrem Vorteil nutzen. Insbesondere wegen der Verletzungen (auch Mané ist noch fraglich) sind die Bayern der Underdog. Komplett chancenlos sind die Münchner nicht, jedoch kann es nur mit einer perfekten Teamleistung etwas werden.
Ist Paris erstmal aus dem Weg geräumt, muss man den Bayern alles zutrauen, selbst wenn insbesondere Manchester City und Real Madrid wohl ähnlich schwer zu schlagen wären.