FC Bayern: Paradebeispiel Goretzka - Süle kommt in neuer Rolle immer besser zurecht
Von Florian Bajus
Beim 5:1-Sieg des FC Bayern über den 1. FC Köln hat Leon Goretzka bewiesen, warum er im zentralen Mittelfeld des deutschen Rekordmeisters unersetzlich ist. Derweil überzeugte Niklas Süle, wenngleich sich seine Spielfreude in der zweiten Halbzeit zum Trugschluss entwickelte.
Rein vom Ergebnis her ist der FC Bayern wieder in der Spur. Gegen den 1. FC Köln feuerte der deutsche Rekordmeister 14 Schüsse ab, 7 davon gingen auf das Tor von Timo Horn und 5 landeten im Netz, während Manuel Neuer lediglich einmal hinter sich greifen musste. Doch so eindeutig, wie das 5:1 klingt, war der Spielverlauf besonders in den zweiten 45 Minuten nicht.
Die Münchner lieferten im Vergleich zu den vergangenen beiden Bundesligaspielen ein umgekehrtes Bild ab: In der ersten Hälfte waren die Hausherren wach, konzentriert, hatten einige hohe Balleroberungen, ließen keine Torchance zu und gingen mit einer verdienten 2:0-Führung in die Halbzeit. Doch nachdem sich die Gäste aus der Domstadt nach dem Seitenwechsel stärker auf die rechte Offensivseite konzentriert haben, erarbeiteten sie sich sechs Chancen und den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer zum 1:2.
FC Bayern: Goretzka zeigt der Konkurrenz, wie es geht
Wie vor der Weihnachtszeit und kurz nach Neujahr entwickelte sich ein wildes Spiel mit Abschlüssen auf beiden Seiten, doch am Ende hatten die Bayern aufgrund ihrer Kaltschnäuzigkeit die Nase vorn. Ausschlaggebend für den Erfolg war Leon Goretzka; allen voran wegen seiner drei Torvorlagen. Der deutsche Nationalspieler hat in Abwesenheit von Thomas Müller für Tiefe im Zentrum gesorgt, ist immer wieder in den Zehnerraum vorgestoßen und hat sich in das Kombinationsspiel eingebunden. Das 1:0 durch Eric Maxim Choupo-Moting fiel nach einer gefühlvollen Hereingabe des deutschen Nationalspielers von der rechten Strafraumkante an den langen Pfosten, beim 2:0 spielte er mit Torschütze Robert Lewandowski Katz und Maus mit der Kölner Defensive und das 5:1 durch Serge Gnabry bereitete er mit einer Flanke aus dem rechten Halbfeld vor.
Anders als Corentin Tolisso oder Marc Roca zeigt Goretzka über 90 Minuten Offensivdrang, Spielfreude und darüber hinaus Robustheit gegen den Ball. Die Asymmetrie der Doppelsechs war ein Erfolgsgeheimnis der vergangenen Saison, mit ihm auf dem Platz ist genau diese Konstellation wieder gegeben - Tolisso und Roca waren dagegen die meiste Zeit auf einer Linie mit Kimmich, weshalb der Zehnerraum unbesetzt blieb, da sich Choupo-Moting in seinen Partien als offensiver Mittelfeldspieler an Lewandowski orientiert hat.
Süle macht mächtig Dampf
Auch Niklas Süle gebührt ein Lob. Der eigentliche Innenverteidiger hilft aufgrund der COVID-Infektion von Benjamin Pavard als Rechtsverteidiger aus und findet von Spiel zu Spiel immer besser in diese ungewohnte Rolle. Gegen Köln positionierte sich der 1,95 Meter große Hüne hoch und offenbarte Spielwitz, marschierte mit dem Ball viele Meter nach vorne, wagte sich sogar an Dribblings und feuerte im ersten Durchgang einen Distanzschuss auf das Tor von Timo Horn ab.
Im Spiel mit dem Ball hat Süle gezeigt, dass er eine Alternative auf der rechten Abwehrseite sein kann - doch weil aufgrund der tiefen Staffelung der im 5-3-2 formierten Kölner gefordert war, dass beide Außenverteidiger weit nach vorne marschieren, offenbarten sich dahinter besonders nach dem Seitenwechsel viele Räume.
Der Rechtsverteidiger ist in dieser Saison Fluch und Segen zugleich: Ein Segen, weil der rechte Flügelspieler häufig auf sich allein gestellt ist und Unterstützung gut gebrauchen kann; ein Fluch, weil die Endverteidigung dann nur noch aus David Alaba und Jerome Boateng besteht und der Gegner auf den Außenbahnen durchbrechen kann.
Das umgekehrte Bild: Diesmal hinterließ die zweite Halbzeit Fragezeichen
Es lag jedoch nicht nur an Süle, dass Köln nach dem Seitenwechsel zu einigen Gelegenheiten kam und unter anderem die Chance zum 2:3 liegen ließ, als Dominick Drexler den Ball gegen den herausgestürmten Manuel Neuer eroberte und lediglich den Pfosten traf. Wie in den ersten 45 Minuten in Frankfurt am vergangenen Wochenende waren Konzentration und Intensität nach dem Pausentee fast wie verschwunden.
Das begann schon in den vorderen Mannschaftsteilen, da der FC im Aufbauspiel nicht mehr so stark unter Druck gesetzt wurde und häufiger in die Tiefe eindringen konnte, und endete in der Abwehr, die zu viele Chancen zuließ und besonders beim einzigen Gegentreffer ein schlechtes Bild abgab: Goretzka und Joshua Kimmich hätten den Ball gegen Ellyes Skhiri erobern müssen, der durfte jedoch einen Doppelpass mit Ondrej Duda spielen und profitierte davon, dass weder Boateng noch Alaba klären wollten und stattdessen stehenblieben. Infolgedessen konnte Skhiri in aller Ruhe in den Strafraum eindringen und Neuer per Heber überwinden.
Angesichts der zweiten 45 Minuten hätte das Spiel 5:3 statt 5:1 ausgehen können, neben der schwachen Chancenverwertung ist aber auch festzuhalten, dass der FC viele Ansätze nicht sauber ausgespielt hat. Das lag wieder einmal an mangelnder Präzision: Von 377 Pässen kamen 104 nicht an, die Passquote beträgt damit lediglich 78% (wobei in Halbzeit zwei vor allem lange Pässe nicht beim Zielspieler ankamen); zudem war keine der 14 Flanken erfolgreich. Markus Gisdol hat viel Arbeit vor sich, wenn er mit der Mannschaft den Klassenerhalt erreichen will.