Kader-Check FC Bayern: Und plötzlich doch tief genug besetzt?
Von Simon Zimmermann
Wie gut ist der FC Bayern 2021/22? Bei der Besetzung der Mannschaft gab es nie Zweifel, dass die Topelf herausragend aufgestellt ist. Dank einiger Überraschungen zum Saisonstart scheint auch das Problem der fehlenden Kader-Breite behoben.
Vier Siege und ein Remis in der Bundesliga, dazu zurück auf Rang eins. Siege im DFB-Pokal und in der Champions League. Der Saisonstart des FC Bayern ist rundum gelungen. Angesichts der Vorzeichen im Sommer mit dem Trainerwechsel, der extrem kurzen Vorbereitungszeit und den fast schon traditionellen Problemen auf dem Transfermarkt, darf man durchaus positiv überrascht sein als Bayern-Fan, wie gut die Mannschaft in die neue Spielzeit gekommen ist.
Das positive Stimmungsbild prägt auch den Blick auf die Mannschaft. Was wurde vor der Saison noch geschrieben und gemeckert über den zu kleinen Kader des FC Bayern, der in der Breite einfach nicht stark genug besetzt sei, um alle Titel angreifen zu können?
Der Bayern-Kader im Überblick
- Tor: Neuer, Ulreich, Früchtl
- Abwehr: Upamecano, Hernandez, Süle, Nianzou, Pavard, Davies, Stanisic, Sarr, Richards
- Mittelfeld: Kimmich, Goretzka, Müller, Sabitzer, Tolisso, Roca, Cuisance
- Sturm: Lewandowski, Sané, Gnabry, Musiala, Coman, Choupo-Moting
Rund fünf Wochen später sieht und hört das schon ein wenig anders aus. Klar, die Topelf - oder besser: die Top 13/14 Spieler - genügen den höchsten Ansprüchen auf jeden Fall. Nur was ist, wenn in den entscheidenden Saisonphasen Verletzungen und/oder Formschwächen auftreten?
Die Abwehr im Check: Stanisic und Süle machen Nagelsmann froh
Dank der ein oder anderen Überraschung scheint der Kader dafür plötzlich doch ziemlich gut gerüstet zu sein. Niklas Süle etwa blüht unter Nagelsmann wieder auf. Damit verfügen die Bayern mit ihm, Upamecano und Hernandez über drei sehr starke Innenverteidiger - Tanguy Nianzou als großes Talent macht daraus ein Quartett, auch wenn der Youngster sich aktuell hinten anstellen muss.
Auf der linken Seite ist Alphonso Davies zurück in Topform und gesetzt. Hernandez könnte dank der guten Situation im Abwehrzentrum auch nach links rutschen. Das wäre wohl auch nötig, da Neuzugang Omar Richards noch nicht überzeugen konnte. Wie der kicker berichtet, soll man ihm aktuell nicht mal den Job als Davies-Ersatz zutrauen.
Abschreiben wird man den Sommer-Neuzugang (Vertrag bis 2025) aber sicherlich noch nicht. Zumal er aus der zweiten englischen Liga kam und noch etwas Zeit brauchen dürfte. Das deutete auch Nagelsmann zuletzt an: "Die Eindrücke sind in Ordnung. Er ist total offen und will lernen", so der FCB-Coach. In England habe Richards "eher Eins-gegen-Eins-Situationen und weniger Kombinationsspiel. Das strahlt noch ein bisschen ab. [...] Er nimmt mir noch zu viel Risiko in Situationen, in denen man in der Bundesliga kein Risiko nehmen sollte. Das ist alles, was er lernen muss. Wenn er das hinbekommt, dann wird er auch mehr Spielzeit bekommen."
Auf der rechten Abwehrseite hat Nagelsmann ebenfalls neue Möglichkeiten bekommen. Benjamin Pavard bleibt die Bestbesetzung, dahinter konnte sich Josip Stanisic überraschend in der Hierarchie deutlich nach vorne spielen. Gerade in der Bundesliga ist der 21-Jährige ein veritabler Ersatz, um Pavard die nötigen Pausen zu verschaffen. Stanisic kann sogar auch links eingesetzt werden.
Wenig eingesetzt wird dagegen Bouna Sarr. Auch dem 29-jährigen Franzosen soll laut kicker aktuell nicht mal die Backup-Rolle zugetraut werden. Der Last-Minute-Neuzugang aus dem vergangenen Sommer ist und bleibt ein teures Missverständnis (Vertrag bis 2024).
Trotz Überraschung Stanisic, der Nagelsmann mehr Optionen gibt, warnte der Bayern-Trainer auch. "Eine Nachwuchsförderung beim FC Bayern ist extrem komplex. Wenn Stani mal in ein Loch fällt, ist auch die Frage: Was ist dann?", so Nagelsmann gegenüber dem kicker.
Das Mittelfeld im Check: Sabitzer gibt neue Möglichkeiten
Im Mittelfeldzentrum hat sich die Lage nach dem Deadline-Day deutlich verbessert. Corentin Tolisso ist zwar häufig verletzt - aber etwas überraschend noch da. Vor dem Franzosen ist das Duo Kimmich-Goretzka gesetzt. Mit dem Transfer von Marcel Sabitzer steht ein weiterer Spieler zur Verfügung, der höchsten Ansprüchen genügt und gleich mehrere Positionen bekleiden kann.
Im Zentrum ist man damit sehr gut aufgestellt. Mit Marc Roca gibt es hier noch einen Backup, der zumindest in der Bundesliga für die ein oder andere Pause der Arrivierten sorgen könnte. Michael Cuisance dagegen ist außen vor. Auch ihm traut man in München offenbar überhaupt keine Rolle mehr zu.
Der Angriff im Check: Musiala schon ein Unterschiedsspieler
Recht rosig schaut auch der Blick auf die Offensive aus. Derzeit sind hier Sané, Müller, Gnabry und Lewandowski gesetzt. Während der Weltfußballer von keinem Backup dieser Welt auch nur annähernd ersetzt werden kann, hat Eric-Maxim Choupo-Moting bislang bewiesen, dass er liefert, wenn er gebraucht wird. Dennoch ist klar: Soll es auch international weit gehen, darf sich Lewandowski nicht verletzen.
Hinter dem Mittelstürmer bleibt Thomas Müller die Nummer eins und bildet mit dem Polen ein Traumduo. Sollte Müller mal fehlen, wäre Jamal Musiala der logische Ersatz. Der 18-Jährige hat zu Saisonbeginn aber gezeigt, dass er auch auf beiden Außenstürmer-Positionen ebenso wertvoll ist. Dank Musialas rasanten Entwicklung vom Talent zum Unterschiedsspieler, ist der FCB auch auf dem Flügel stark besetzt.
Sané, Gnabry, Coman und Musiala - es geht definitiv schlechter...
Fazit zum Bayern-Kader
Die überraschende Rolle von Stanisic und die starken Leistungen von Süle haben den Bayern in der Abwehr wieder deutlich mehr Möglichkeiten verschafft. Zudem zeigt Davies wieder sein volles Potenzial und scheint defensiv noch stabiler zu sein. Damit sollte man auch ausreichend tief besetzt sein, um die Saison auf höchstem Niveau absolvieren zu können.
Im Mittelfeld sieht es ähnlich aus. Hier ist Sabitzer der Schlüssel zur ausreichenden Kader-Tiefe. Zudem bleibt Tolisso eine Art "Joker". Potenziell verfügt der Franzose über internationales Top-Niveau. Vielleicht kann er es in seinem vermeintlich letzten Bayern-Jahr doch noch nachweisen.
Vorne drin hat die deutliche Steigerung von Sané und vor allem die Entwicklung von Musiala eine gute Situation ergeben. Auf dem Flügel, der Zehn und im Sturm ist der Bayer-Kader gut besetzt. Auch wenn im Vergleich zu anderen europäischen Spitzenteams der ein oder andere Topspieler fehlt.
Insgesamt hat sich die bedrohlich wirkende Situation gewandelt. Mindestens ordentlich ist der FCB-Kader nun auch in der Breite besetzt. In der Spitze war er ohnehin schon auf höchstem Niveau. Ob es am Ende zum nächsten Triple-Angriff reicht, kann man aber noch nicht seriös vorhersagen. Kader-Tiefe hin oder her: Entscheidend ist und bleibt, dass die absoluten Leistungsträger in der entscheidenden Saisonphase in guter Verfassung sind.
Im letzten Jahr fehlte Lewandowski im CL-Viertelfinale - und der Titelverteidiger schied aus. Obwohl man gegen PSG insgesamt die bessere Mannschaft war. Spieler wie Lewandowski, Neuer oder Kimmich kann einfach keine Mannschaft der Welt ersetzen. Da kann der Kader noch so gut und breit besetzt sein...