Zu viel Rotation beim FC Bayern? Darum liegt Effenberg mit der Nagelsmann-Kritik voll daneben
Von Dominik Hager
Der FC Bayern findet sich nach drei Unentschieden in der Bundesliga in Serie nur noch auf Rang drei wieder. Demnach beginnt es in München so langsam zu brodeln und auch Julian Nagelsmann gerät so langsam in die Bringschuld. Im Sport1-'Doppelpass' kritisierte Stefan Effenberg Julian Nagelsmann dafür, zu viel rotiert zu haben. Doch kann dieser Vorwurf überhaupt gelten?
Nach dem 2:2 gegen den VfB Stuttgart nahm sich Stefan Effenberg insbesondere Bayern-Coach Julian Nagelsmann vor und zeigte sich wenig erfreut über dessen Rotationsmaßnahmen.
“Das ist mir zu viel, weil es geht darum das Spiel zu gewinnen und das mit den besten Leuten die ich habe. Und dann rotiere ich lieber im kleinen, also mit ein oder zwei Leuten und nehme sie nach 60-65 Minuten raus. Aber ich hätte jetzt nicht in dem Stil mit sechs Leuten rotiert, weil das Ergebnis über allem steht“, so der Vorwurf des früheren Bayern-Spielers.
Tatsächlich: Im Vergleich zum Inter-Spiel standen mit Noussair Mazraoui, Dayot Upamencano, Leon Goretzka, Jamal Musiala, Mathys Tel und Serge Gnabry sechs neue Spieler in der Startformation.
Champions League vs. Bundesliga: Die Prioritäten sind eindeutig
Klar ist, dass so viele Veränderungen in der Mannschaft gewisse Probleme mit sich bringen und das Zusammenspiel erschweren. Jedoch muss man auch berücksichtigen, dass wir uns im seltenen Szenrario befinden, in dem zwei Champions-League-Spiele im Wochentakt stattfinden. Dabei muss man nicht gegen Viktoria Pilsen ran, sondern gegen die beiden hochprominenten Gruppengegner Inter Mailand und den FC Barcelona.
In diesem Jahr ist das Erreichen des Achtelfinals keine Selbstverständlichkeit, wenngleich ein Ausscheiden davor dem Super-GAU gleichen würde. Kein Wunder also, dass die Priorität ganz klar auf den beiden Spielen in der Königsklasse liegt. Ein Bundesliga-Spiel gegen Stuttgart müsste grundsätzlich auch mit so viel Rotation gewonnen werden. Selbst im Fall des nun eingetretenen Punkteverlusts sind die Folgen eher nichtig, verglichen zu jenen, die eine CL-Niederlage mit sich bringen würde. Demnach sind die sechs Nagelsmann-Wechsel auch absolut vertretbar und eine Maßnahme, die auch die anderen großen Klub-Trainer in einer ähnlichen Form treffen würden.
Startelf-Neulinge Tel und Mazraoui gegen Stuttgart noch mit die Besten
Betrachtet man die Spielerleistungen gegen den VfB ungeachtet von den vielen Wechseln, so fällt zudem auf, dass das schwache Resultat nicht in Verbindung mit den neuen Akteuren gebracht werden kann. Zunächst sei zudem angemerkt, dass Stars wie Upamecano, Goretzka, Musiala und Gnabry zu den 14, 15 Stammspielern gehören, die ohnehin viele Einsatzzeiten bekommen und sich auf dem Platz bestens kennen. Demnach bleiben nur Mathys Tel und Noussair Mazraoui, die man noch als Neulinge und Reserve-Spieler betrachten kann.
Ausgerechnet diese beiden gehörten gegen Stuttgart aber noch zu den besten Bayern-Spielern. Tel erzielte beispielsweise das 1:0, während Mazraoui 93 Prozent seiner Pässe an den Mann brachte, acht von elf Zweikämpfe gewann und das 2:0 durch Musiala vorbereitete. Apropos Musiala: Auch der Bayern-Youngster gehörte den sechs Spielern an, die im Vergleich zum Inter-Spiel neu in der Startelf waren. An Dayot Upamecano und Leon Goretzka ist das schwache Auftreten ebenfalls nicht festzumachen. Lediglich Gnabry enttäuschte gegen seinen Ex-Verein auf ganzer Linie.
Bayern-Konstanten Müller und Kimmich enttäuschend
Letzteres trifft jedoch auf mehr Spieler zu, die schon gegen Mailand in der Startelf standen. Denken wir an Thomas Müller, dem am Samstag gar nichts gelang. Die beiden Hauptschuldigen bei den Gegentoren, Alphonso Davies und Matthijs de Ligt, standen ebenfalls in der Königskasse in der Startelf. Gleiches gilt für Joshua Kimmich, der unter seinen Möglichkeiten agierte und nur mit Schiedsrichterglück nicht einen Gegentreffer verursacht hat.
Überspitzt formuliert könnte man also sagen, dass Nagelsmann lieber sogar acht- oder neunmal hätte wechseln sollen. Sicherlich stört dies die Automatismen, aber sieht man sich die individuellen Leistungen der Spieler an, kann es nur eine Schlussfolgerung geben. Für das Unentschieden gegen den VfB gab es zahlreiche Gründe. Die Rotationsmaßnahmen von Julian Nagelsmann sind jedoch ganz klar keiner davon. Stattdessen müssen sich die Spieler an die eigene Nase packen und ihre Konzentrations- und Abschlussschwäche in den Griff bekommen.