Das perfekte Bayern-Timing für den Henkelpott? Unter einer Voraussetzung!
Von Simon Zimmermann
Die Gala gegen Salzburg war für den FC Bayern ein Erfolg mit Signalwirkung. Kann die "Bestia Negra" nun den nächsten Henkelpott angreifen? Die Voraussetzungen sind gegeben, das Timing passt - wenn ein wichtiger Faktor noch dazu kommt. Ein Kommentar:
Mit 7:1 hat der FC Bayern im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League die Salzburger abgefertigt. Manuel Neuer sprach im Anschluss von einem "Statement und auch einem Ausrufezeichen". Für Thomas Müller war ein "Klassenunterschied zu sehen". Trainer Julian Nagelsmann freute sich über eine "fußballerisch unglaublich gute" Leistung und spürte "Gier und die Energie", mit der die Bayern nur schwer aufzuhalten seien.
Es war eine Machtdemonstration der "Bestia Negra" an diesem Dienstagabend in der Allianz Arena. Oder wie man in München sagt: Mia san mia!
Alles zum 7:1 gegen Salzburg
Der Druck auf den deutschen Rekordmeister war im Vorfeld der Partie groß. Im Hinspiel schaffte man kurz vor Schluss gerade noch so ein 1:1, in der Bundesliga geriet man zuletzt - zumindest gefühlt - ins Straucheln.
Im Fokus der Kritik stand vor allem die Defensive und hier insbesondere die Innenverteidiger. Rufe nach David Alaba und Jerome Boateng wurden laut. Im Angesicht des nahenden Süle-Abgangs und der Upamecano-Patzer riefen einige schon eine Art Alarmstimmung aus.
Und auch der Offensiv-Motor geriet in den vergangenen Wochen ein wenig ins Stottern. Robert Lewandowski blieb in den vergangenen beiden Bundesliga-Spielen ohne eigenen Torerfolg.
Die Antwort auf viele dieser Fragezeichen gaben die Bayern am Dienstagabend. Lewandowski erzielte den schnellsten Hattrick der Champions-League-Geschichte (von einem Startelf-Spieler). Die Abwehr blieb zumindest bis zur Auswechsel-Orgie weitestgehend sattelfest. Das gesamte Team zeigte sich aggressiv im Gegenpressing und löste den leichten Offensiv-Knoten spätestens nach dem frühen Elfmeter-Doppelpack.
Man of the match: Kingsley Coman - Oder: das Spielglück!
Bei all den Lobeshymnen nach diesem Gala-Abend darf man allerdings nicht vergessen, dass es hätte auch anders laufen können. Als Kingsley Coman in überragender Manier zu Spielbeginn die sichere Salzburg-Führung vereitelte, leitete der Franzose die FCB-Gala erst ein.
Die beiden stümperhaften Abwehr-Aktionen von Salzburgs Abwehrchef Wöber taten wenig später ihr Übriges dazu. Und einmal mehr wurde deutlich, wie sehr Fußball auf Spitzenniveau von den Verläufen während einer Partie abhängt. Oder wie man so schön sagt: vom Spielglück.
Abzulesen war das an der gesamten Bayern-Truppe. Fußball spielt sich zum großen Teil nicht zwischen den Füßen, sondern zwischen den Ohren ab. Dafür zahlen wir gerne drei Euro ins Phrasenschwein!
Traumwandlerische Kombinationen: Die Bayern-Offensive kann eine unaufhaltbare Maschine sein!
Im Anschluss an die 2:0-Führung sah man, welch Potenzial, welche Klasse und Spielfreude in dieser Bayern-Mannschaft steckt. Nicht falsch verstehen: Trotz Spielglück hatte man sich diese Position durch die von Nagelsmann besagte Gier und Energie auch erarbeitet. Aber es war deutlich zu sehen, wie befreit das Team plötzlich aufspielte, nachdem man mit 2:0 in Führung lag.
Schwächen in der Defensive gab es auch keine mehr. Was natürlich auch am demoralisierten Gegner lag, zum Großteil aber auch am unnachgiebigem Pressing der Bayern. Und wenn dieses mal überspielt wurde, verteidigten selbst die Offensivspieler mit aller Macht das eigene Tor. Der Sprint zurück von Leroy Sané in der zweiten Hälfte war ein Beispiel dafür.
Bayern reif für den Henkelpott, wenn...
Unweigerlich drängt sich nun die Frage auf, wie weit es für die Bayern in der Königsklasse jetzt noch gehen kann? Die Meisterschaft hat man quasi schon sicher, der Fokus dürfte nun auf dem Champions-League-Titel liegen.
Betrachtet man die Saison auf der Zeitachse, könnte das Timing besser kaum sein. Ein leichter Knick im Februar/März ist schließlich leichter zu verschmerzen, als im April und Mai. Das 7:1 dürfte auf jeden Fall die Kraft besitzen, das Selbstvertrauen und -verständnis der Spieler wieder auf das höchste Niveau zu bringen.
Für einen Titel-Lauf in der Königsklasse benötigt gerade der FCB aber noch eine weitere Komponente. Lothar Matthäus erklärte das nach dem Spiel bei Sky völlig richtig: "Man braucht einen gesamt guten Kader. Auch eine Bank, die heute nicht so besetzt war, wie man sich das als Trainer wünscht. [...] Die ersten 14, 15 Spieler, die passen auf höchstem Niveau."
Um diesen Aspekt zu verdeutlichen, reicht ein Blick auf die Reservebank gegen Salzburg - und ein Vergleich mit der Bank des FC Liverpool, der zeitgleich gegen Inter den Einzug ins Viertelfinale schaffte:
- Bayern-Bank: Ulreich (Tor), Upamecano, Nianzou, Sarr, O. Richards, Stanisic, Roca, Sabitzer, Choupo-Moting, Vidovic, Wanner, M. Tillman
- LFC-Bank: Adrian (Tor), Kelleher (Tor), Gomez, Tsimikas, Keita, Henderson, Luis, Diaz, Elliott, Milner, Oxlade-Chamberlain, Minamino, Origi
Warum ein Nianzou unter Nagelsmann wenig Spielzeit bekommt, sah man beim Gegentor bestens, als der Franzose sich völlig falsch verhielt und die weit aufgerückte Abwehrreihe entblößte. Während Nagelsmann neben Upamecano und Nianzou Sarr, Roca und Choupo-Moting brachte, konnte Klopp an der Anfield Road mit Naby Keita, Jordan Henderson und Luis Diaz nachlegen.
Die Bayern brauchen Goretzka und Davies
"Der FC Bayern braucht eben diesen Goretzka, die Geschwindigkeit von Alphonso Davies", fügte Matthäus hinzu. Und man ist mehr als nur geneigt, dem Rekordnationalspieler zuzustimmen.
Kommen beide potenzielle Stammspieler rechtzeitig zur "Crunch Time" zurück und in Form, traut Matthäus den Bayern den Henkelpott aber durchaus zu: "Wenn der FC Bayern in den nächsten sechs, acht Wochen von größeren Verletzungsproblemen verschont bleibt, dann traue ich der Mannschaft die Champions League zu."
Nach der Gala von Dienstagabend und den wahrscheinlich positiven Auswirkungen darf man auch hier Matthäus guten Gewissens zustimmen!